Auswahl Deutscher Gedichte für höhere Schulen
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Inschrift

Nach raschem Ritt im Regen waren wir
Auf einem Gottesacker angekommen
Und abgesessen. Ungesehen, konnten
Nach allen Seiten frei wir uns bewegen
Und vorpreschen, die Feldwachen zu trösten.
Nur wenig Kreuze. Rasch band das Pikett
Die Halfter an die winzigen Todeszeichen.
Ich selber lehnte bald den müden Kopf
Auf eines Grabes Hügel und schlief ein ...
Hell wieherte durch Nebelduft mein Wallach
Und sprengte jäh die weichen Sklavenketten,
In denen tief und traumlos ich geruht.
Noch schlafend lagen um mich die Dragoner,
Bedeckt mit Reif die Mäntel und die Bärte,
Die Pferde standen mit gesenkten Mähnen.
Nur ab und an ein Schnaufen und ein Scharren,
Ein Knistern an den Sätteln und ein Klirren
Der Ketten, wenn sie aneinander klangen.
Den Karabiner in den Fäusten haltend,
Schritt schweren Schritts der Posten auf und nieder.
Tief eine Stille war es; leises Rauschen
Zog morgenschauernd durch die Trauerkränze.
Ich hob den Kopf und drehte mich, um Namen
Und Inschrift an dem kleinen Kreuz zu lesen,
Das mir zu Häupten stand, und las im Zwielicht,
Das Auge hart an die vergoldeten,
Vom Wetter schwarzgefärbten Lettern hängend:
»Gestritten viel – gelitten mehr – gestorben.«
Frührote Lichter schwammen um die Worte,
Die bleischwer sich in meine Seele senkten.
Zum Denken doch ward mir nicht Zeit gelassen,
Denn: »An die Pferde« hieß es: »Auf – gesessen!«
Wir trabten, sonnbegrüßt, ins Tal hinunter,
Um, Freund und Feind, aus dunkelroten Rosen
Auf grünem Rasen einen Strauß zu flechten.

Detlev von Liliencron

 


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