Auswahl Deutscher Gedichte für höhere Schulen
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Heinrich der Vogelsteller

(919 n. Chr.)

Herr Heinrich sitzt am Vogelherd
Recht froh und wohlgemut;
Aus tausend Perlen blinkt und blitzt
Der Morgenröte Glut.

In Wies' und Feld und Wald und Au,
Horch, welch ein süßer Schall!
Der Lerche Sang, der Wachtel Schlag,
Die süße Nachtigall!

Herr Heinrich schaut so fröhlich drein:
»Wie schön ist heut die Welt!
Was gilt's? Heut gibt's 'nen guten Fang!«
Er lugt zum Himmelszelt.

Er lauscht und streicht sich von der Stirn
Das blondgelockte Haar.
»Ei doch, was sprengt denn dort herauf
Für eine Reiterschar?«

Der Staub wallt auf, der Hufschlag dröhnt,
Es naht der Waffen Klang.
»Daß Gott! Die Herrn verderben mir
Den ganzen Vogelfang.

Ei nun! Was gibt's?« – Es hält der Troß
Vorm Herzog plötzlich an.
Herr Heinrich tritt hervor und spricht:
»Wen sucht ihr da? Sagt an!«

Da schwenken sie die Fähnlein bunt
Und jauchzen: »Unsern Herrn!
Hoch lebe Kaiser Heinrich! Hoch
Des Sachsenlandes Stern!«

Dies rufend knien sie vor ihn hin
Und huldigen ihm still
Und rufen, als er staunend fragt:
»'s ist Deutschen Reiches Will'!«

Da blickt Herr Heinrich tief bewegt
Hinauf zum Himmelszelt:
»Du gabst mir einen guten Fang!
Herr Gott, wie dir's gefällt!«

Johann Nepomuk Vogl

 


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