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Das Feuer im Walde

Zween Knaben liefen durch den Hain
Und lasen Eichenreiser auf
Und türmten sich ein Hirtenfeu'r,
Indes die Pferd' im fetten Gras
Am Wiesenbache weideten.
Sie freuten sich der schönen Glut,
Die wie ein helles Osterfeu'r
Gen Himmel flog, und setzten sich
Auf einen alten Weidenstumpf.
Sie schwatzten dies und schwatzten das,
Vom Feuermann und Ohnekopf,
Vom Amtmann, der im Dorfe spukt
Und mit der Feuerkette klirrt,
Weil er nach Ansehn sprach und Geld,
Wie's liebe Vieh die Bauern schund
Und niemals in die Kirche kam.
Sie schwatzten dies und schwatzten das
Vom sel'gen Pfarrer Habermann,
Der noch den Nußbaum pflanzen tat,
Von dem sie manche schöne Nuß
Herabgeworfen, als sie noch
Zur Pfarre gingen, manche Nuß! –
Sie segneten den guten Mann
In seiner kühlen Gruft dafür
Und knackten jede schöne Nuß
Noch einmal in Gedanken auf.
Da rauscht das dürre Laub empor,
Und sieh, ein alter Kriegesknecht
Wankt durch den Eichenwald daher,
Sagt: »Guten Abend!« wärmet sich
Und setzt sich auf den Weidenstumpf.
»Wer bist du, guter, alter Mann?«
»Ich bin ein preußischer Soldat,
Der in der Schlacht bei Kunersdorf
Das Bein verlor und leider Gott's!
Vor fremden Türen betteln muß.
Da ging es scharf, mein liebes Kind!
Da sauseten die Kugeln uns
Wie Donnerwetter um den Kopf!
Dort flog ein Arm und dort ein Bein!
Wir patschelten durch lauter Blut
Im Pulverdampf! »Steht, Kinder, steht!
Verlasset euren König nicht!«
Rief Vater Kleist; da sank er hin.
Ich und zwei Bursche trugen flugs
Ihn zu dem Feldscher aus der Schlacht.
Laut donnerte die Batterie!
Auf einmal flog mein linkes Bein
Mir unterm Leibe weg!« – »O Gott!«
Sprach Hans und sahe Töffeln an
Und fühlte sich nach seinem Bein:
»Mein' Seel', ich werde kein Soldat
Und wandre lieber hinterm Pflug!
Da sing' ich mir die Arbeit leicht
Und spring' und tanze wie ein Hirsch
Und lege, wann der Abend kommt,
Mich hintern Ofen auf die Bank.
Doch kommt der Schelmfranzos zurück,
Der uns die besten Hühner stahl
Und unser Heu und Korn dazu,
Dann nehm' ich einen roten Rock
Und auf den Buckel mein Gewehr!
Dann komm nur her, du Schelmfranzos!«
»Hans«, sagte Töffel, »lang' einmal
Die Kiepe her, die hinter dir
Im Riedgras steht, und gib dem Mann
Von unserm Käs' und Butterbrot.
Ich samml' indessen dürres Holz;
Denn sieh, das Feuer sinket schon!«

Ludwig Heinrich Christoph Hölty

 


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