Auswahl Deutscher Gedichte für höhere Schulen
Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Seydlitz

(19. September 1757)

Herr Seydlitz auf dem Falben
Sprengt an die Front heran,
Sein Aug' ist allenthalben,
Er mustert Roß und Mann,
Er reitet auf und nieder
Und blickt so lustig drein,
Da wissen's alle Glieder:
Heut wird ein Tanzen sein.

Noch weit sind die Franzosen;
Doch Seydlitz will zu Ball,
Die gelben Lederhosen,
Sie sitzen drum so prall;
Schwarz glänzen Hut und Krempe,
Im Sonnenschein zumal,
Und gar die blanke Plempe
Blitzt selbst wie Sonnenstrahl.

Sie brechen auf von Halle,
Die Tänzer allbereit.
Bis Gotha hin zu Balle
Ist freilich etwas weit;
Doch Seydlitz, vorwärts trabend,
Spricht: »Kinder, wohlgemut!
Ich denk', ein lust'ger Abend
Macht alles wieder gut.«

Die Nacht ist eingebrochen;
Zu Gotha auf dem Schloß,
Welch Tanzen da und Kochen
In Saal und Erdgeschoß,
Die Tafel trägt das Beste
An Wein und Wild und Fisch, –
Da, ungebetne Gäste
Führt Seydlitz an den Tisch.

Die Witz- und Wortspieljäger
Sind fort mit einem Satz,
Die Schwert- und Stulpenträger,
Sie nehmen hurtig Platz;
Herr Seydlitz bricht beim Zechen
Den Flaschen all den Hals,
Man weiß, das Hälsebrechen
Verstund er allenfalls.

Getrunken und gegessen
Hat jeder, was ihm scheint,
Dann heißt es: »Aufgesessen
Und wieder nach dem Feind!«
Der möchte sich verschnaufen
Und hält bei Roßbach an,
Doch nur, um fortzulaufen
Mit neuen Kräften dann. –

Das waren Seydlitz' Späße;
Bei Zorndorf galt es Zorn,
Als ob's im Namen säße,
Nahm man sich da aufs Korn;
Das slawische Gelichter –
Herr Seydlitz hoffte traun
Noch menschliche Gesichter
Aus ihnen zuzuhaun.

Des Krieges Blutvergeuden,
Die Fürsten kriegten's satt;
Nur Seydlitz wenig Freuden
An ihrem Frieden hat.
Oft jagt er drum vom Morgen
Bis in die Nacht hinein.
Es können dann die Sorgen
So schnell nicht hinterdrein.

Er kam nicht hoch zu Jahren,
Früh trat herein der Tod:
Könnt' er zu Rosse fahren,
Da hätt's noch keine Not;
Doch auf dem Lager balde
Hat ihn der Tod besiegt,
Der draußen auf der Halde
Noch lang ihn nicht gekriegt.

Theodor Fontane

 


 << zurück weiter >>