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Der Choral von Leuthen

Gesiegt hat Friedrichs kleine Schar. Rasch über Berg und Tal
Von dannen zog das Kaiserheer im Abendsonnenstrahl;
Die Preußen stehn auf Leuthens Feld, das heiß noch von der Schlacht;
Des Tages Schreckenswerke rings umschleiert mild die Nacht.

Doch dunkel ist's hier unten nur, am Himmel Licht an Licht,
Die goldnen Sterne ziehn herauf, wie Sand am Meer so dicht;
Sie strahlen so besonders heut, so festlich hehr ihr Lauf,
Es ist, als wollten sagen sie: Ihr Sieger, blicket auf!

Und nicht umsonst. Der Preuße fühlt's: es war ein großer Tag.
Drum still im ganzen Lager ist's, nicht Jubel noch Gelag,
So still, so ernst die Krieger all, kein Lachen und kein Spott –
Auf einmal tönt es durch die Nacht: » Nun danket alle Gott

Der Alte, dem's mit Macht entquoll, singt's fort, doch nicht allein,
Kam'raden, Grenadier' umher, gleich stimmen sie mit ein;

Die Nachbarn treten zu, es wächst lawinengleich der Chor,
Und voller, immer voller steigt der Lobgesang empor.

Aus allen Zelten strömt's, es reiht sich singend Schar an Schar,
Einfallen jetzt die Jäger, jetzt fällt ein auch der Husar;
Auch Musika will feiern nicht, zu reiner Harmonie
Lenkt Horn, Hobo' und Klarinett' die heil'ge Melodie.

Und stärker noch und lauter noch, es schwillt der Strom zum Meer,
Am Ende wie aus einem Mund lobsingt das ganze Heer;
Im Echo donnernd widerhallt's das aufgeweckte Tal,
Wie hundert Orgeln braust hinan zum Himmel der Choral.

Hermann Besser
1904-1934

 


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