Auswahl Deutscher Gedichte für höhere Schulen
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Frühlingslied

(in der Biedermeierweise)

Frühling ist's, wie höchst erfreulich
Wirket dieser Tatbestand!
Dieses dacht' ich, als ich neulich
Ging spazieren auf das Land.
Lerchen singen wie zur Feier,
Blumen blühen rot und weiß,
Billiger sind schon die Eier,
Und die Butter sinkt im Preis!

Und bei all dem reichen Prangen
Wird das Herz so froh gesinnt,
Da so herrlich aufgegangen
Rüben und Kartoffeln sind.
Ringsum wogen Saatenfelder,
Und der Raps in Blüte steht,
Der dem Landmann reiche Gelder
Bringet, wenn er wohl gerät.

Herrlich ist's, im Wald zu gehen,
Wenn das Wachstum in ihn fährt!
Ja, dann kann man förmlich sehen,
Wie sich sein Bestand vermehrt.
Und die schöne, grüne Wiese!
Prächt'ges Futter wächst darin!
Sicher wohl gewährt auch diese
Einen hohen Reingewinn!

Schafe dort in woll'ger Hülle
Folgen still des Hirten Spur,
Mehrend ihres Vließes Fülle
Für den großen Tag der Schur.
Bunte, wohlgenährte Kühe
Wandeln an dem grünen Hag,
Lohnend ihres Pflegers Mühe
Durch vermehrten Milchertrag.

Und so angenehm im Garten
Ist die holde Frühlingszeit,
Wo Gemüse aller Arten
Uns zum Wohlgeschmack gedeiht:
Wo die zarten Spargel schießen,
Und Radieschen man gewinnt,
Die so köstlich zu genießen
Und so leicht verdaulich sind.

Wahrlich, nicht genug zu preisen
Ist des holden Frühlings Macht!
Solches klärlich zu beweisen,
Hab' ich dieses Lied erdacht,
Das in süßen Melodeien
Mir aus meinem Busen sank,
Als zum erstenmal im Freien
Heut ich wieder Kaffee trank!

Heinrich Seidel

 


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