Auswahl Deutscher Gedichte für höhere Schulen
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Der Eislauf

Vergraben ist in ewige Nacht
   Der Erfinder großer Name zu oft!
      Was ihr Geist grübelnd entdeckt, nutzen wir;
         Aber belohnt Ehre sie auch?

Wer nannte dir den kühneren Mann,
   Der zuerst am Maste Segel erhob?
      Ach verging selber der Ruhm dessen nicht,
         Welcher dem Fuß Flügel erfand!

Und sollte der unsterblich nicht sein,
   Der Gesundheit uns und Freuden erfand,
      Die das Roß, mutig im Lauf, niemals gab,
         Welche der Reih'n selber nicht hat?

Unsterblich ist mein Name dereinst!
   Ich erfinde noch dem schlüpfenden Stahl
      Seinen Tanz! Leichteres Schwungs fliegt er hin,
         Kreiset umher, schöner zu sehn.

Du kennest jeden reizenden Ton
   Der Musik, drum gib dem Tanz Melodie!
      Mond und Wald höre den Schall ihres Horns,
         Wenn sie des Flugs Eile gebeut.

O Jüngling, der den Wasserkothurn
   Zu beseelen weiß und flüchtiger tanzt,
      Laß der Stadt ihren Kamin! Komm mit mir,
         Wo des Kristalls Ebne dir winkt!

Sein Licht hat er in Düfte gehüllt;
   Wie erhellt des Winters werdender Tag
      Sanft den See! Glänzenden Reif, Sternen gleich,
         Streute die Nacht über ihn aus!

Wie schweigt um uns das weiße Gefild!
   Wie ertönt vom jungen Froste die Bahn!
      Fern verrät deines Kothurns Schall dich mir,
         Wenn du dem Blick, Flüchtling, enteilst.

Wir haben doch zum Schmause genung
   Von des Halmes Frucht? und Freuden des Weins?
      Winterluft reizt die Begier nach dem Mahl;
         Flügel am Fuß reizen sie mehr!

Zur Linken wende du dich, ich will
   Zu der Rechten hin halbkreisend mich drehn;
      Nimm den Schwung, wie du mich ihn nehmen siehst:
         Also! nun fleug schnell mir vorbei!

So gehen wir den schlängelnden Gang
   An dem langen Ufer schwebend hinab.
      Künstle nicht! Stellung, wie die, lieb' ich nicht,
         Zeichnet dir auch Preisler nicht nach.

Was horchst du nach der Insel hinauf?
   Unerfahrne Läufer tönen dorther!
      Huf und Last gingen noch nicht übers Eis,
         Netze noch nicht unter ihm fort.

Sonst späht dein Ohr ja alles; vernimm,
   Wie der Todeston wehklagt auf der Flut!
      O wie tönt's anders! wie hallt's, wenn der Frost
         Meilen hinab spaltet den See!

Zurück! laß nicht die schimmernde Bahn
   Dich verführen, weg vom Ufer zu gehn!
      Denn wo dort Tiefen sie deckt, strömt's vielleicht,
         Sprudeln vielleicht Quellen empor.

Den ungehörten Wogen entströmt,
   Dem geheimen Quell entrieselt der Tod!
      Glittst du auch leicht, wie dies Laub, ach dorthin,
         Sänkest du doch, Jüngling, und stürbst!

Friedr. Gottlieb Klopstock (1764)

 


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