Auswahl Deutscher Gedichte für höhere Schulen
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Der Harz

Herzlich sei mir gegrüßt, wertes Cheruskerland,
   Land des nervigen Arms und der gefürchteten
      Kühnheit, freieres Geistes
        Denn das blache Gefild umher!

Dir gab Mutter Natur aus der vergeudenden
   Urne männlichen Schmuck, Einfalt und Würde dir,
      Wolkenhöhnende Gipfel,
        Donnerhallende Ströme dir.

Im antwortenden Tal wallet die goldene
   Flut des Segens und strömt in den genügsamen
      Schoß des lächelnden Fleißes,
        Der nicht kärglich die Garben zählt.

Schafe weiden die Trift, auf der gewässerten
   Aue brüllet der Stier, stampft das gesättigte
      Roß; die bärtige Ziege
        Klimmt den zackigen Fels hinan.

Wie der schirmende Forst deinem erhabenen
   Nacken schattet! Er nährt stolzes Geweihe dir,
      Dir den schnaubenden Keuler,
        Der entgegen der Wunde rennt.

Dein wohltätiger Schoß, selten mit goldenem
   Fluche schwanger, verleiht nützendes Eisen uns,
      Das den Acker durchschneidet
        Und das Erbe der Väter schützt.

Dir gibt reinere Luft und die teutonische
   Keuschheit Jugend von Stahl. Moosigen Eichen gleich,
      Achten silberne Greise
        Nicht der eilenden Jahre Flug.

Dort im wehenden Hain wohnt die Begeisterung,
   Felsen jauchzten zurück, wenn sich der Barden Sang
      Unter bebenden Wipfeln
        Durch das hallende Tal ergoß.

Und dein Hermann vernahm's! Sturm war sein Arm, sein Schwert
Wetterflamme; betäubt stürzten die trotzigen
Römeradler, und Freiheit
Strahlte wieder im Lande Teuts!

Doch des Heldengeschlechts Enkel verhülleten
Hermanns Namen in Nacht, bis ihn (auch er dein Sohn!)
Klopstocks mächtige Harfe
Sang der horchenden Ewigkeit.

Heil, Cheruskia, dir! Furchtbar und ewig steht,
Gleich dem Brocken, dein Ruhm! Donnernd verkünden dich
Freiheitsschlachten und donnernd
Dich unsterblicher Lieder Klang!

Friedr. Leopold Graf zu Stolberg (1772)

 


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