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Zieten

Der große König wollte gern sehn,
Was seine Gen'rale wüßten;
Da ließ er an alle Briefe ergehn,
Daß sie ihm gleich schreiben müßten,
Was jeder von ihnen zu tun gedenkt,
Wenn der Feind ihn so oder so bedrängt.

Der Vater Zieten, der alte Husar,
Besah verwundert den Zettel.
»Der König hält mich zum Narren wohl gar!«
So flucht er, »was soll mir der Bettel?
Husar, das bin ich, potz Element!
Kein Schreiber oder verpfuschter Student.«

Da macht er auf einen Bogen Papier
Einen großen Klecks in der Mitten,
Rechts, oben, links, unten dann Linien vier,
Die all in dem Kleckse sich schnitten,
Und jede endete auch in 'nem Klecks.
So schickt er den Bogen dem alten Rex.

Der schüttelt den Kopf gedankenvoll,
Fragt bei der Revue dann den Alten:
»Zum Schwerenot, Zieten, ist Er toll?
Was soll ich vom Wische da halten?«
Den Bart streicht sich Zieten: »Das ist bald erklärt,
Wenn Eur' Majestät mir Gehör gewährt.

Der große Klecks in der Mitte bin ich,
Der Feind einer dort von den vieren,
Der kann nun von vorn oder hinten auf mich,
Von rechts oder links auch marschieren.
Dann rück' ich auf einem der Striche vor
Und hau' ihn, wo ich ihn treffe, aufs Ohr.«

Da hat der König laut aufgelacht
Und bei sich selber gemeinet:
»Der Zieten ist klüger, als ich gedacht,
Sein Geschmier sagt mehr, als es scheinet.
Das ist mir der beste Reitersmann,
Der den Feind schlägt, wo er auch rücket an.«

Friedr. v. Sallet

 


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