Jakob Wassermann
Das Gänsemännchen
Jakob Wassermann

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7

Es erwies sich auch als notwendig, daß Daniel für eine Vermehrung des Einkommens Sorge trug. Dorothea hatte viele neue Anschaffungen gemacht. Sie hatte einen Toilettetisch, ein paar Schränke und eine Badewanne gekauft. Lampen, Gläser, Vorhänge, Decken waren ihr zu unmodern gewesen, und sie hatte sie durch schönere ersetzt.

Ihr Hauptvergnügen war, in die Geschäfte zu gehen und einzukaufen. Dann kamen die Rechnungen, und Daniel schüttelte den Kopf. Er bat sie eindringlich, sich zu beherrschen, aber sie hing sich ihm an den Hals und bettelte so lange, bis er sich in jeden ihrer Wünsche seufzend ergab.

Mit leeren Händen kam sie selten heim. Und wenn es nur ein paar billige Nippsachen waren, ein Männchen aus Porzellan mit Zylinder und Regenschirm, oder eine Pagode mit einem Wackelkopf, sogar eine Mausefalle konnte es sein, aber Geld mußte sie ausgeben.

Dann wurde Philippine herbeigerufen; Philippine sollte bewundern. Und Philippine sagte scheinbar entzückt: »So was Liebes aber auch! Gott, wie lieb!« Oder: »Grad eine Mausfall brauchen wir; gestern nacht war eine Maus auf'm Spülrahm, Ehr und Seligkeit, Daniel.«

Und die Hüte, die Kleider, die Strümpfe und Schuhe, die Spitzen und Blusen, darin hatte Dorothea kein Maß und keine Bescheidenheit. Sie wollte mit den reichen Bürgersfrauen wetteifern, deren Kaffeekränzchen sie besuchte, neben denen sie im Theater und in der Konditorei saß.

Für die Theater und Konzerte bekam sie Freikarten. Aber einmal, als sie zu Daniel sagte, der Direktor habe ihr eine Freikarte geschickt, erfuhr er von Philippine, daß sie sich die Karte gekauft habe. Er stellte sie nicht zur Rede, aber es ging ihm nicht mehr aus dem Sinn, daß sie geglaubt hatte, ihn belügen zu müssen.

Er begleitete sie nicht zu ihren Vergnügungen; er wollte bei der Arbeit bleiben und selbst die kleinste Ausgabe nicht durch sein Mittun verdoppeln. Dorothea hatte sich darein gefunden. Seine Abneigung gegen das Theater und die geselligen Zerstreuungen nahm sie für Schrulligkeit und Grillenfängerei. Sie erwog nicht, was an Erfahrung hinter ihm lag, sie hatte vergessen, was er ihr in einer entscheidenden Stunde gebeichtet.

Wenn sie spät abends mit glühenden Wangen und blitzenden Augen nach Hause kam, fand Daniel den Mut nicht zu der ernsten Mahnung, mit der er ihr entgegentreten gewollt. Weshalb sie aus ihrem Himmel reißen? dachte er, die wilde Lust wird sich schon legen.

Er hatte Angst vor ihrer schmollenden Miene, vor ihren Tränen, vor ihrem ratlosen Blick, vor ihrem trotzigen Hinausgehen. Aber es fehlte ihm auch das Wort. Er kannte die Vergeblichkeit von Vorhaltungen und Vorwürfen; leeres Räsonieren war ihm unleidlich, und seine menschliche Rede blieb ohne Widerhall. Sie faßte den Ton nicht, sie mißdeutete alles, mißverstand alles. Sie lachte, zuckte die Achseln, grollte, schalt ihn einen Brummbären, gurrte wie eine Taube; sie schaute ihn nicht mit wirklichen Augen an, keine flutende Seele war zu spüren.

In seinem Gemüt wurde es finster.

Der Verbrauch im Haushalt stieg von Woche zu Woche. Daniel wäre sich als ein Krämer erschienen, wenn er seine Ersparnisse vor seinem Weib verborgen, ihr nur in verrechneten Beträgen davon gegeben hätte. Und so war alles Geld bald dahin. Um die Wirtschaft kümmerte sich Dorothea kaum; sie erteilte ihre Befehle und geriet in Zorn, wenn sie von Philippine nicht pünktlich ausgeführt wurden.

»'s is ihr halt zu fad; mein Gott, so eine junge Person,« sagte Philippine mit hinterhältigem Bedauern zu Daniel; »die will sich erlustiern, die will ihr Leben genießen, mein Gott, das kann ihr der Feind nicht verdenken.«

Philippine war die Herrin im Hause. Sie ging auf den Markt, bezahlte die Rechnungen, beaufsichtigte die Kochfrau und Waschfrau und frohlockte heimlich, als sie merkte, wie alles bergab ging, unaufhaltsam bergab.


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