Jakob Wassermann
Das Gänsemännchen
Jakob Wassermann

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8

Eines Abends im Februar saßen Therese und Philippine wäscheflickend bei der Lampe, als Jason Philipp ins Zimmer trat und sich mit verschmitzter Miene die Hände rieb.

Da es Therese nicht der Mühe wert fand, ihn nach der Ursache seiner guten Laune zu fragen, lachte er plötzlich auf und sagte: »Jetzt können wir einpacken, meine Liebe. Ich les' es schon gedruckt: das große Licht oder die beschämten Verwandten. Rührendes Tableau, dargestellt von Herrn Daniel Nothafft und der Familie Schimmelweis.«

»Ich versteh dich nicht; du redest schon wieder wie ein Hanswurst,« antwortete Therese.

»In einem Konzert werden Sachen von Daniel gespielt,« belehrte Philippine mit ihrer harten, alten Stimme die Mutter.

»Woher weißt denn du das?« fragte Therese mißtrauisch.

»Habs in der Zeitung gelesen.«

»Im Saal der Harmoniegesellschaft soll das Wunder vor sich gehen,« bestätigte Jason Philipp mit einer rätselhaften Schadenfreude. »Am Donnerstag ist öffentliche Probe und ich werde mir's nicht nehmen lassen, dabei zu sein. Der Musikalienhändler Zierfuß hat mir zwei Karten gegeben, und wenn du Lust hast, kannst du auch zusehen, wie man aus einem Tagedieb eine Lokalgröße macht.«

»Ich?« erwiderte Therese verächtlich erstaunt, »keinen Schritt vors Haus. Was scheren mich eure Dummheiten.«

»Aber die Herren werden sich schneiden, die Herren werden sich gewaltig schneiden,« fuhr Jason Philipp drohend fort, »es gibt noch einen gesunden Menschenverstand in der Welt, es gibt noch Mittel gegen gemeingefährliche Schwindler.«

Da erhob Philippine mit jähem Entschluß den Kopf. »Derf ich mit dir gehen, Vatter?« fragte sie, und ihre Ohren wurden glühend rot.

Es war mehr als eine Bitte. Jason Philipp stutzte über den verwilderten Blick des Mädchens. »Gut,« sagte er und sah über Thereses stummen Widerstand hinweg, »aber versorg dich auch mit einem Pfeiflein, damit du ordentlich pfeifen kannst.«

Er sank behaglich ächzend auf einen Stuhl und streckte die Beine aus. Philippine kniete nieder und zog ihm die Stiefel von den Füßen, worauf er in die bereitstehenden Pantoffeln schlüpfte, die in roter Stickerei einen Spruch trugen. Auf dem linken stand: dem Müden, auf dem rechten: zum Trost.


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