Jakob Wassermann
Das Gänsemännchen
Jakob Wassermann

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So lachte er über die Ränke, die die Sängerin Varini, seine erbittertste Feindin, gegen ihn spann und die zur Folge hatten, daß er beim Theater überall auf Widerstand und Mißtrauen stieß.

So lachte er über die anonymen Schmähbriefe, mit denen ihn seine Mitbürger bedachten, und die er in naiver Wißbegier las, weil er erfahren wollte, bis wohin sich Unflätigkeit und hündisch-feiger Haß verirrten.

So lachte er, als die Absage der Freifrau von Auffenberg kam. Sie schrieb ihm, daß ihre Konstitution geschwächt sei und daß sie infolgedessen den Winter auf ihrem Landgut bei Hersbruck verbringen werde. Aber Daniel erfuhr, daß sie häufig in der Stadt war und die Einrichtung regelmäßiger musikalischer Abende getroffen hatte, was sie unter seiner Herrschaft nie zu tun gewagt. Andreas Döderlein war nun ihr Beirat; da konnte sie schwelgen und schwärmen und in Stickluft und künstlichem Aroma ihre kraftlose Seele bis zum Überdruß betäuben.

Und so lachte er über die wöchentlich wiederkehrenden Angriffe des »Fränkischen Herold«, die ihm ins Haus geschickt wurden; es waren schlaue und bissige Sticheleien, erschnüffelte Heimlichkeiten, breitgewalktes Hörensagen, perfide Verdächtigungen des Künstlers, des Menschen.

In den Artikeln war stets vom Gänsemännchen die Rede. Daniel fragte sich verwundert, worauf der Name zielen mochte. Das Gänsemännchen wurde zu einer Art von humoristischem Original erhoben. Was gibt es denn Neues vom Gänsemännchen? lautete etwa der Titel, oder man stieß auf folgende kurze Notiz: Das Gänsemännchen lenkt schon wieder die Aufmerksamkeit der Musikfreunde auf sich; es versteift sich darauf, die Oper Stradella durch Einfügung eines Trauermarsches eigenen Fabrikats genießbarer zu machen, und die ergebenen Hausvögel, die es unter den Armen trägt, haben es für dieses Vornehmen mit lieblichem Dankesgeschnatter belohnt.

Die Geburtsstätte dieser ausgezeichneten Leistungen auf dem Gebiet journalistischen Witzes war der Stammtisch im Krokodil. Wenn je in der Welt ehrliche Mannestränen gelacht wurden, so geschah es bei Abfassung solcher Nachrichten über das Leben und Treiben des Gänsemännchens. Der Redakteur Weibezahl war der Protokollführer dieser geistigen Wettkämpfe, bei denen sich am meisten Herr Carovius hervortat. Herr Carovius schöpfte aus sicheren Quellen, wie es im Zeitungsdeutsch hieß, und jeden Abend überraschte er die Tafelrunde mit neuen Köstlichkeiten für Weibezahls Aktentasche.

Davon wußte Daniel nichts, aber das Gänsemännchen, als Wort wie als Gestalt, verwob sich in sein Denken und gewann irgendwo und wie im Zeitverlauf eine verwandelte Wesenheit.


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