Tobias Smollett
Die Abenteuer des Roderick Random
Tobias Smollett

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Vierundsechzigstes Kapitel

Ich werde von meinem Oheim erlöst und auf dessen Schiff Oberwundarzt, Strap hingegen Proviantmeister

 

Ich will über diese Geschichte keine Anmerkung machen. Der Leser wird es ohnedies gesehen haben, wie meisterlich die Treuherzigkeit und Nachgiebigkeit dieses würdigen Mannes gemißbraucht worden ist. Ihn hinterging eine Bande von Schurken, die an Falschheit und Doppelzüngigkeit so gewöhnt waren, daß ich überzeugt bin, es würde ihnen, selbst wenn ihr Leben darauf gestanden hätte, äußerst sauer angekommen sein, nur eine wahre Silbe hervorzubringen.

Ungeachtet alles dessen, was ich von der Bosheit und der eigennützigen Denkart der Menschen erlitten hatte, geriet ich dennoch über die höchst unedle Gleichgültigkeit in Erstaunen und Zorn, womit sie zuließen, daß so ungewöhnliche Verdienste, wie Melopoyn sie besaß, in der Dunkelheit schmachten und mit allem Elend eines grauenvollen Gefängnisses kämpfen mußten. Ich würde sogar den Vorfall, der mich von so treulosen Geschöpfen trennte, gesegnet haben, wenn nicht die Erinnerung an die liebenswürdige Narzissa meine Anhänglichkeit für die bürgerliche Gesellschaft, von der sie einen Teil ausmachte, erhalten hätte.

Das Bildnis dieses holden Mädchens war mein beständiger Gesellschafter in der Einsamkeit. Wie oft betrachtete ich das ähnliche Konterfei der zauberischen Züge, die mein Herz zuerst gefesselt hatten! Wie oft vergoß ich Tränen über die reizenden Auftritte, die ihr Gemälde in mein Gedächtnis zurücklief! Wie oft verwünschte ich mein treuloses Schicksal, das mich um das schöne Original gebracht hatte.

Vergebens schmeichelte mir meine Phantasie mit Bildern künftiger Glückseligkeit. Immer trat die Vernunft dazwischen und warf meine Luftschlösser mit strenger Miene über den Haufen. Sie stellte mir meine Hoffnungen als ausschweifend und meine unglückliche Lage aus dem rechten Gesichtspunkt dar. Vergebens nahm ich meine Zuflucht zu den Zeitvertreiben, die der Ort meines Aufenthaltes mir anbot, und spielte in Jacksons Gesellschaft Karten, Billard und Kegel. Ein Schwarm melancholischer Gedanken bemächtigte sich meiner Seele. Selbst Melopoyns Unterhaltung war nicht imstande, sie zu vertreiben. Ich befahl Strap, täglich in Banters Logis zu gehen und zu hören, ob Nachrichten von meiner Geliebten eingelaufen wären. Meine fehlgeschlagenen Erwartungen vermehrten meinen Verdruß um ein großes.

Mein Gram steckte meinen mir äußerst zugetanen Bedienten an. Oft saß er ganze Stunden neben mir, ohne zu sprechen, stieß Seufzer auf Seufzer aus und vergoß Träne auf Träne. Diese eifrige Teilnahme vermehrte unsere Leiden, er ward zur Arbeit untauglich und deshalb von seinem Prinzipal verabschiedet.

Inzwischen sah ich mein Geld wegschmelzen, ohne Aussicht, befreit zu werden – kurz, alle meine Hoffnungen wurden vereitelt. Ich ward gleichgültig gegen das Leben, verlor alle Eßlust und wurde so unreinlich, daß ich in acht Wochen weder reine Wäsche anlegte noch mich wusch oder rasierte. Mein abgezehrtes Gesicht war durch Schmutz entstellt und von Haaren überschattet, meine ganze Gestalt höchst unsauber, ja sogar fürchterlich.

Eines Tages brachte mir Strap die Nachricht, es wäre jemand unten, der mich sprechen wollte. Diese Nachricht ermunterte meine Lebensgeister, und voller Hoffnung, von dem teuren Gegenstand meiner Liebe Nachrichten zu erhalten, rannte ich in äußerster Hast die Treppe hinunter. Dort fand ich zu meinem unendlichen Erstaunen meinen großmütigen Oheim, den Leutnant Bowling. Über diesen Anblick ganz von Freude hingerissen, stürzte ich auf ihn los, um ihn zu umarmen. Allein er drehte sich sehr behend seitwärts, zog seinen Hieber und rief: »Holla, holla, Bruder! Steuer ab! Steuer ab! Heda! Stockmeister! Kannst du nicht besser Obacht geben! Da ist einer von euren verrückten Gefangenen ausgebrochen.«

Über diesen Irrtum konnte ich mich des herzlichen Lachens nicht erwehren. Meine Stimme, die er sogleich erkannte, führte ihn auf den rechten Weg. Er schüttelte mir mit großer Zuneigung die Hand und bezeugte mir, es ginge ihm recht nahe, mich in einem so elenden Zustande zu sehen.

Ich führte ihn in mein Stübchen und stellte ihm Strap als einen meiner besten Freunde vor. Nunmehr erzählte er uns, er komme soeben von der Guineaküste, nachdem er eine recht glückliche Reise gemacht. Erst sei er Steuermann gewesen, bis das Schiff von einem französischen Kaper wäre angegriffen worden. Da in dem Gefecht mit diesem der Kapitän gefallen sei, habe er das Kommando übernommen und wäre so glücklich gewesen, das feindliche Schiff zu versenken.

Nach dieser Tat wäre ihm ein mit Zucker, Indigo und etwas Silber beladenes Kaufschiff von Martinique begegnet. Kraft seines Kaperbriefes hätte er es angegriffen, weggenommen und wohlbehalten nach Kinsale in Irland gebracht, wo es für eine rechtmäßige Prise sei erkannt worden. Dadurch habe er nicht nur eine artige Summe Geldes bekommen, sondern sich auch bei den Eignern des Fahrzeuges so in Gunst gesetzt, daß sie ihm das Kommando eines größeren Schiffes von zwanzig Neunpfündern anvertraut hätten, das im Begriff sei, eine sehr vorteilhafte Fahrt zu tun, über die er sich nicht auslassen dürfe. Zum Schluß versicherte er mir, es sei ihm sehr sauer geworden, mich nach der Adresse ausfindig zu machen, die ich in seinem Logis in Wapping hinterlassen habe.

Diese Nachrichten von seinem Glück freuten mich über alle Maßen, und ich erzählte ihm auf sein Verlangen alle die Abenteuer, die mir seit unserer Trennung zugestoßen waren. Als er alle Beispiele von Straps ausnehmender Anhänglichkeit für mich erfahren hatte, schüttelte er ihm recht treuherzig die Hand und sagte, er wolle noch ›einen Mann‹ aus ihm machen. Zugleich gab er mir zehn Guineen für meine gegenwärtigen Bedürfnisse. Darauf ließ er sich die Wohnung des Schneiders bezeichnen, der mich hatte festsetzen lassen, und machte sich sogleich auf den Weg, um ihm die Schuld auszuzahlen. Beim Weggehen sagte er mir, er wolle mich bald flott machen, wie man eine Kabelrollspeiche umdreht.

Dieser plötzliche Wechsel, der tieferen Eindruck als alle meine bisher erlebten Glücksveränderungen auf mich machte, versetzte mich in eine ungemeine Bestürzung. Eine Menge von unzusammenhängenden Vorstellungen strömte so gewaltig auf meine Einbildungskraft los, daß meine Vernunft nicht imstande war, diese voneinander zu sondern noch sie zu verbinden.

In der Zeit kam Strap, dessen Freude sich durch tausend törichte Streiche an den Tag legte, mit seinem Barbiergerät in mein Zimmer. Ohne ein Wort zu sagen, fing er an, mir den Bart einzuseifen, und pfiff dabei mit großer Leidenschaft. Darüber fuhr ich aus meinem Staunen auf. Ich kannte meinen Freund zu gut, um mich seinen Händen anzuvertrauen, wenn er so in Wallung war. Deshalb bat ich ihn, mich zu entschuldigen, daß ich mich seiner für diesmal nicht bediente, und schickte nach einem anderen Barbier. Nachdem dieser die höchst nötige Operation verrichtet hatte, legte ich neue Wäsche und meinen schönsten Staat an. So erwartete ich meines Oheims Rückkunft, der durch meine plötzliche Gestaltsveränderung sehr angenehm überrascht wurde.

Dieser gutherzige Mann hatte meinen Gläubiger befriedigt und einen Loslassungsbefehl für mich erhalten, so daß ich nicht länger Gefangener war. Da es mir aber ziemlich naheging, mich von meinen Freunden und Unglücksgenossen zu trennen, vermochte ich den Kapitän Bowling dahin, uns mit seiner Gesellschaft zu beehren, und lud Melopoyn und Jackson ein, den Abend auf meinem Stübchen zuzubringen. Ich setzte ihnen einige schmackhafte Gerichte nebst gutem Wein vor und tischte ihnen zuletzt die Nachricht von meiner Befreiung auf. Sie wünschten mir von Herzen Glück, ungeachtet sie dadurch meine Gesellschaft verloren, was, wie sie die Güte hatten zu sagen, ihnen recht nahegehen würde.

Was Jackson anlangt, so machte sein Elend gar keinen Eindruck auf ihn; er war so gleichgültig, leichtsinnig und ausgelassen, daß ich mit seiner Lage kaum einiges Mitleid haben konnte. Aber für den Dichter, der in jeder Hinsicht ein des Mitleids und der Achtung würdiger Gegenstand war, hegte ich wahre Ehrerbietung und Freundschaft.

Als meine Gäste weg waren, ging auch mein Oheim mit dem Versprechen fort, mich den folgenden Morgen abzuholen. Nunmehr packte ich einige Wäsche und andere Notwendigkeiten zusammen. Strap trug dies Paket auf mein Ersuchen zu Melopoyn. Darauf ging ich selbst zu diesem Mann und drang darauf, daß er jene Sachen nebst noch fünf Guineen annähme.

Es hielt nicht schwer, ihn dahin zu bringen. Er versicherte, es täte ihm sehr leid, daß er nie imstande sein würde, mir dafür seine Erkenntlichkeit zu bezeigen. Ich fragte ihn sodann, worin ich ihm noch sonst dienen könnte. Darauf antwortete er: »Sie haben bereits zuviel getan.« Länger konnte er seine Empfindungen nicht zurückhalten, er brach in Tränen aus und weinte laut. Dieser Anblick rührte mich sehr, und ich ging, damit er sich wieder erholen möchte.

Als mein Oheim den folgenden Morgen kam, stellte ich ihm des Dichters Charakter in solch ein günstiges Licht, daß dem biederen Seefahrer sein Elend naheging und er sich entschloß, meinem Beispiel gemäß dem edlen Mann gleichfalls fünf Guineen zu geben. Um diesem die Verwirrung zum Teil zu ersparen, gab ich dem Kapitän Bowling den Rat, das Geld in einen Brief zu schließen und dieses Päckchen Strap zuzustellen, der es ihm nach unserem Weggang einhändigen sollte.

Dies geschah denn auch pünktlich. Sodann nahm ich von allen meinen Gefängnisbekannten förmlich Abschied. Eben, als ich in die Mietskutsche zu steigen im Begriff war, rief mich Jackson. Ich ging zu ihm, und er wisperte mir zu, ob ich ihm wohl einen Schilling leihen könne. Da seine Bitte so mäßig eingerichtet und wahrscheinlich die letzte war, die er an mich richten konnte, so drückte ich ihm eine Guinee in die Hand. Kaum erblickte er dieselbe, als er ausrief: »O herrjemine! eine Guinee!« Damit ergriff er mich beim Rockknopf und brach in ein unmäßiges Gelächter aus. Als diese Anwandlung vorüber war, nannte er mich einen braven, fidelen Jungen und ließ mich gehen.

Der Kutscher führte uns, dem Befehl gemäß, nach Bowlings Logis. Als wir angekommen waren, ließ sich mein Oheim mit mir in ein ernsthaftes Gespräch über meine gegenwärtige Lage ein. Er schlug mir vor, als Oberwundarzt mit ihm zu gehen. In dem Falle könne er mich in den Stand setzen, mir in wenigen Jahren durch einigen Fleiß ein artiges Vermögen zu erwerben. Zugleich versicherte er mir, daß ich, wenn ich ihn überlebte, alles erben sollte, was er besäße.

Wiewohl mich seine großmütige Gesinnung rührte, so bebte ich doch vor einem Vorschlage zurück, wodurch meiner Liebe Gewalt geschah. Ich eröffnete ihm hierüber meine Gedanken. Er schien daran gar kein Behagen zu finden und bemerkte, Liebe wäre eine bloße Frucht des Müßigganges. Wenn ich nur erst etwas ›in der Hand‹ hätte und Dichten und Trachten auf Gelderwerb richtete, so würden mir die albernen Grillen schon vergehen. Solch ›Zeugs‹ gehöre eigentlich nur für unsere ›Schönwetterfratzen‹, die auf weiter nichts als auf ›Herumjubeln‹ zu denken hätten.

Diese Andeutung, die ich für einen Vorwurf ansah, verdroß mich so sehr, daß ich sein Anerbieten ohne weiteres Bedenken annahm. Meine Willfährigkeit freute ihn recht sehr, und er führte mich zum Haupteigentümer des Schiffes, mit dem er sogleich handelseins ward. Nun konnte ich mich nicht mehr mit Ehren zurückziehen, wenn ich auch noch so gern gewollt hätte.

Um mir nicht Zeit zum Erkalten zu lassen, gab er mir auf, augenblicklich die Liste von Arzneien anzufertigen, die für fünfhundert Mann erforderlich, für die unter dem heißen Himmelsstrich herrschenden Krankheiten tauglich und zugleich für eine Reise von achtzehn Monaten hinreichend wären. Dies Verzeichnis sollte ich einem gewissen im großen handelnden Apotheker zustellen, der mir zugleich zwei tüchtige Unterchirurgen zuweisen würde.

Indes ich mit diesen Arbeiten beschäftigt war, kam Strap zu mir. Er sah sehr niedergeschlagen aus, als er meinen Entschluß erfuhr. Nach einer Pause von einigen Minuten bestand er gleichwohl darauf, mich zu begleiten. Auf mein Ersuchen machte ihn Kapitän Bowling zum Proviantmeister des Schiffs. Auch versprach er, die zu seiner Ausstattung nötigen Kosten zu tragen und ihm zweihundert Pfund zur Anschaffung von Waren auf sein Risiko zu leihen.

Als ich mein Arzneienverzeichnis überreicht, ein paar Landsleute zu meinen Gehilfen angenommen und eine Partie chirurgischer Instrumente bestellt hatte, erzählte mir mein Oheim, er habe auf seiner letzten Fahrt einen Reingewinn von beinahe dreitausend Pfund gemacht; ein Drittel davon wolle er mir sogleich geben und mir noch einmal soviel Kredit auf Waren verschaffen, die sich in dem Lande, wohin wir gingen, gut absetzen ließen. Wiewohl er nun sein Interesse ganz als das meinige ansähe, so wollte er dennoch den Rest seines Vermögens für sich behalten, sowohl um nicht von anderen abzuhängen, als auch um mich bestrafen zu können, falls ich das nicht gut anwendete, was er mir schon gegeben hätte.

Ohne den Leser mit einem Bericht von der Wirkung zu behelligen, welche diese erstaunenswürdige Großmut auf mein Herz machte, will ich nur sagen, daß diese Versprechungen, sogleich in die Tat umgesetzt wurden; auch erhielt ich eine Faktura von den Waren, die für die Reise taugten, damit ich sie kaufen und in aller Eile könnte einschiffen lassen.

Mitten unter diesem Geschäftsgewühl drängte sich oft das Andenken an meine holde Narzissa empor und machte mich zum Elendesten aller Sterblichen. Der Gedanke, vielleicht auf immer von ihr getrennt zu werden, folterte mich nicht wenig, und wiewohl die Hoffnung, sie einst noch wiederzusehen, mir die Qualen der Trennung erträglicher machte, so konnte ich doch an die Angst, die sie über mein Scheiden empfinden, und an den steten Kummer, dem ihr zärtliches Herz wegen meiner Abwesenheit ausgesetzt sein mußte, nicht ohne die tiefste Betrübnis denken.

Tag und Nacht zermarterte ich meine Phantasie, um ein Mittel auszufinden, wodurch ich diesen grausamen Schlag etwas lindern und meine Liebe und Ehre bei dem holden Geschöpf rechtfertigen könnte. Endlich verfiel ich auf einen Ausweg, wovon ich dem Leser zur gegebenen Zeit Nachricht geben werde. Vermöge dieses Entschlusses wurde es mir merklich leichter um das Herz.

Als ich mit meinen Geschäften zu Ende und das Schiff im Begriff war zu segeln, beschloß ich, mich zum letzten Male unter meinen Bekannten am anderen Ende der Stadt sehen zu lassen, wohin ich seit meiner Gefangennahme noch nicht wieder gekommen war.

Da ich nun auf Anraten meines Oheims einige reiche Kleider, um sie weiterzuverkaufen, hatte mitnehmen müssen, so wählte ich den stattlichsten Anzug. Sodann ließ ich mich in einer Sänfte nach einem Kaffeehaus tragen, das ich sonst zu besuchen pflegte.

An diesem Ort fand ich meinen Freund Banter, der über meinen großen Staat in nicht geringes Erstaunen geriet. Als ich ihm nahte, starrte er mich voller Bestürzung an, ohne einige Minuten lang die Lippen öffnen zu können. Endlich zog er mich beim Ärmel seitwärts, heftete seine Augen fest auf die meinigen und redete mich folgendermaßen an: »Wo, zum Teufel, Random, haben Sie denn gesteckt? Was hat denn die Gala zu bedeuten? Oho! ich verstehe, Sie kommen vom Lande herein? Sind die Heerstraßen gut? He? – Sie sind ein dreister Bursche, Random, und ein rechter glücklicher Prinz. – Aber hüten Sie sich! Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.«

Bei diesen Worten deutete er auf seinen Hals. Aus dieser Geste und den hingeworfenen abgebrochenen Sätzen ersah ich, daß er den Verdacht hegte, ich habe ein keckes Stückchen auf der Landstraße ausgeführt. Über diesen Argwohn lachte ich denn recht herzlich.

Ohne mich näher zu erklären, sagte ich ihm, er irre sich in seiner Vermutung. Ich hätte vor einiger Zeit den Anverwandten getroffen, von dem er mich schon öfters habe reden hören, und dächte den nächsten Morgen auf Reisen zu gehen. Daher wäre ich hierhergekommen, um von meinen Freunden Abschied zu nehmen und das ihm vorgeschossene Geld einzukassieren, weil ich es recht sehr nötig hätte, da ich mein Vaterland verließe.

Über diese Forderung geriet er ein wenig außer Fassung; allein er sammelte sich augenblicklich wieder, stellte sich recht zornig und schwor, ich ginge recht übel mit ihm um und er würde es mir nie verzeihen, daß ich es ihm durch eine Erinnerung so kurz vor der Zeit unmöglich machte, sich von selbst einer Verbindlichkeit zu entledigen, die er nicht länger tragen könnte.

Ich konnte mich über dieses vorgebliche Zartgefühl des Lächelns nicht erwehren; doch pries ich ihn darüber nicht wenig und sagte ihm, er dürfe darüber nicht unruhig sein, ich wollte ihm die Adresse eines Kaufmannes in der City angeben, dem ich eine Quittung über diese Summe zustellen wollte, die er dann bei der Zurückzahlung der Schuld empfangen würde.

Er äußerte bei diesem Auskunftsmittel viele Freude und erkundigte sich mit großer Lebhaftigkeit nach dem Namen und der Wohnung dieses Mannes. Beides trug er sogleich in sein Taschenbuch ein mit der Versicherung, er würde nicht lange mehr mein Schuldner sein.

Nachdem diese Sache, woran er, wie ich gewiß wußte, nachher nie wieder denken würde, zu seiner Zufriedenheit abgemacht war, schickte ich allen meinen guten Freunden Karten zu und lud sie ein, mich den Abend mit ihrer Gesellschaft in einem Wirtshaus zu beehren. Keiner schlug es aus. Ich hatte das Vergnügen, sie recht elegant zu bewirten. Sie bezeigten darüber ihre Bewunderung und ihren Beifall, und wir waren recht lustig.

Um Mitternacht nahm ich von ihnen Abschied. Sie erstickten mich fast mit Liebkosungen. Den folgenden Tag reiste ich mit Strap in einer Postkutsche nach Gravesend. Dort gingen wir an Bord, und weil der Wind günstig war, lichteten wir in weniger denn zwölf Stunden die Anker. Wir erreichten ohne irgendeinen widrigen Zufall die Dünen. Dort sahen wir uns genötigt, Anker zu werfen und auf Ostwind zu warten, um durch den Kanal zu kommen.


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