Tobias Smollett
Die Abenteuer des Roderick Random
Tobias Smollett

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Vierundfünfzigstes Kapitel

Zwei Heerstraßenritter verschaffen mir Gelegenheit, einen Beweis meines Mutes vor den Augen meiner Auserwählten abzulegen, die daran großes Behagen findet. Neckereien und Kritteleien unter den Passagieren

 

Mittlerweile war der Tag angebrochen und jeder unter uns nun imstande, seine Reisegefährten von Angesicht kennenzulernen. Ich hatte das Glück, meine Gebieterin nicht ganz so unangenehm und ungestalt zu finden, als sie mir war geschildert worden. Ihr Kopf hatte zwar viel Ähnlichkeit mit einem Beile, dessen Schneide ihr Gesicht ausmachte; doch ihre Gesichtsfarbe war sehr zart und fein, und in ihren großen und schwarzen Augen viel Lebhaftigkeit. Wiewohl die Erhöhung auf ihrer Brust, allein betrachtet, ihren Körper vorwärts zu ziehen schien, so gewahrte man doch hinterwärts einen Auswuchs, der jenem vorspringenden Teil die Waage, folglich ihren Körper im Gleichgewicht hielt.

Ich war der Meinung, daß ich mich, im ganzen genommen, sehr glücklich zu schätzen hätte, wenn mir mein Geschick zur Erlangung von zwanzigtausend Pfund behilflich wäre, trotz des daranhängenden Anhängsels. Ich begann demnach über die wahrscheinlichsten Mittel zu dieser Eroberung nachzusinnen. Mit diesen Vorstellungen war ich so beschäftigt, daß ich von den übrigen Passagieren gar keine Notiz nahm, sondern nur stillschweigend meinen Plan hin und her wälzte.

Die Unterhaltung war inzwischen von dem Gegenstande meiner Hoffnungen, dem Marssohn und dem Rechtsanwalt wieder angeknüpft worden. Letzterer hatte sich nun ganz gesammelt und warf mehr als jemals mit Fachausdrücken um sich. Endlich entstand ein Streit, der mit einer Wette endigte; und mir sollte er zur Entscheidung vorgelegt werden. Allein ich war so in Betrachtungen vertieft, daß ich nicht hörte, wie sie sich auf mich beriefen, noch wie einer nach dem andern seine Frage an mich tat.

Den Offizier verdroß diese vermeinte Verachtung so sehr, daß er zu wettern und zu schwören anfing, ich müsse entweder dumm oder taub oder auch vielleicht beides sein, und ich sähe aus, als könnte ich nicht ›Boh‹ zu einer Gans sagen. Dadurch erwachte ich aus meinem Sinnen, faßte ihn fest ins Auge und sagte mit vielem Nachdruck: ›Boh!‹ Jetzt setzte er seinen Hut wild ins Gesicht und rief: »Alle Wetter! Sir, was wollen Sie damit sagen?« Hätte ich ihm antworten wollen, was doch gar nicht meine Absicht war, so würde mir die Miß zuvorgekommen sein; sie versetzte sogleich, meine Meinung sei gewesen, ihm zu zeigen, ich könne wohl einer Gans ›Boh‹ zurufen. Dabei lachte sie recht herzlich über meine lakonische Antwort.

Ihre Erläuterung und Lustigkeit trug eben nicht dazu bei, seinen Zorn zu besänftigen, der sich durch folgende martialische Äußerungen Luft machte: »Gott verdamme mich, solche Freiheiten darf man sich gegen mich nicht herausnehmen! – Mich soll der Teufel holen! ich bin von Stande und in des Königs Diensten! – Mordelement! gewisse Leute verdienten für ihre Dummdreistigkeit tüchtige Nasenstüber.«

Ich glaubte, diesen Ausrufen sogleich durch eine finstere Miene ein Ende zu machen, da ich ihn wegen des vielen Geschwätzes von seiner Herzhaftigkeit für den Esel in der Löwenhaut hielt. Aber dies Mittel schlug nicht nach Wunsch an. Er nahm mein Stirnrunzeln übel und sagte, er mache sich aus meinem sauren Gesicht nicht einen Pfifferling, und beteuerte zugleich, er fürchte sich vor keinem Menschen auf Gottes Erdboden.

Miß Snapper versetzte, es wäre ihr sehr lieb, mit einem so beherzten Mann in Gesellschaft zu sein, und sie zweifle nicht, daß er uns alle während der Reise gegen die Angriffe der Straßenräuber schützen würde.

»Dieserhalb können Sie ganz ruhig sein, Miß«, erwiderte der Offizier, »ich habe ein paar Pistolen bei mir – hier sind sie –, die ich einem Kavallerieoffizier in der Schlacht bei Dettingen abnahm. Sie sind doppelt geladen, und nimmt irgendein Straßenräuber in England Ihnen einen Stecknadelwert weg, solange ich die Ehre habe, mich in Ihrer Gesellschaft zu befinden, so will ich des Teufels sein.«

Wie er sich auf die Art ausgelassen, öffnete ein steifes, affektiertes Frauenzimmer, das bisher geschwiegen hatte, ihren Mund und sagte, sie müsse sich wundern, daß eine Mannsperson so unhöflich sein könne, solche Waffen in Gegenwart von Frauenzimmern hervorzuholen.

»Verdammt, Miß«, rief der Kriegsheld aus, »wenn Sie sich vor dem bloßen Anblick einer Pistole schon so fürchten, wie werden Sie das Abfeuern aushalten können, falls es dazu Gelegenheit gäbe?«

»Wenn ich wüßte«, versetzte die Zierpuppe, »daß Sie so unmanierlich sein würden, sich dieser garstigen Dinger in meinem Beisein zu bedienen – es mag auch vorfallen, was da will –, so würde ich augenblicklich die Kutsche verlassen, nach dem nächsten Dorf zu Fuß gehen und mir dort ein Fuhrwerk zu verschaffen suchen.«

Bevor der Leutnant antworten konnte, trat meine Schöne dazwischen und machte die Bemerkung, daß sie, weit entfernt, beleidigt zu werden, wenn ein Kavalier Waffen zu seiner Verteidigung ergriffe, sich vielmehr glücklich schätze, in Gesellschaft einer Person zu sein, durch deren Mut sie zugleich vor Plünderung geschützt würde.

Die Zimperliche warf einen verächtlichen Blick auf die Miß und sagte, Leute, die nur wenig zu verlieren hätten, wären gerade am ängstlichsten, es zu erhalten. Dieser Ausfall brachte die alte Dame sehr auf, und sie sagte, manche Leute möchten nur erst bessere Erkundigungen von anderer Leute Vermögen einziehen, ehe sie so wegwerfend davon sprächen; sonst legten sie nur ihre Mißgunst an den Tag und machten sich lächerlich.

Die Tochter erklärte, daß sie in betreff des Reichtums nicht mit jedem tauschen möchte; und wenn die Dame, welche darauf bestände, es solle kein Widerstand geleistet werden, versprechen wollte, uns insgesamt für den Verlust schadlos zu halten, den wir etwa erleiden könnten, so wollte sie eine der ersten sein, die den Offizier beredete, sich zu ergeben, im Falle wir sollten angegriffen werden.

Diesen Antrag, so vernünftig er auch war, beantwortete die zurückhaltende Dame bloß mit einem verächtlichen Blick und einer Wendung des Kopfes. Ich meinerseits freute mich sehr über den Mut meiner Gebieterin und wünschte sogar eine Gelegenheit zu bekommen, meine Herzhaftigkeit vor ihren Augen zu zeigen, wodurch ich sie ganz unstreitig für mich einnehmen würde.

Mein Wunsch ward erfüllt. Strap kam an die Kutsche gesprengt und sagte uns mit großer Angst, zwei Reiter kämen quer über die Heide (wir hatten jetzt Hounslow passiert) und jagten gerade auf uns zu.

Kaum hatten wir diese Nachricht erhalten, so begann Mistreß Snapper laut aufzukreischen, ihre Tochter ward blaß, die andere Dame zog ihre Börse hervor und hielt sie in Bereitschaft; dem Rechtsanwalt klapperten die Zähne, indem er den Ausspruch tat: »Was ist es weiter? Wir können durch eine Klage es dahin einleiten, daß die Grafschaft zum Schadenersatz verurteilt wird.«

Der Leutnant gab ersichtliche Merkmale der Furcht von sich.

Ich meinerseits befahl dem Kutscher, zu halten, öffnete den Schlag, sprang hinaus und lud den Krieger ein, mir zu folgen. Da ich aber fand, daß er zurückblieb und wie vom Donner gerührt schien, nahm ich seine Pistolen, gab sie Strap, der um die Zeit abgestiegen war und gewaltig zitterte, und setzte mich auf dessen Pferd. Sodann zog ich meine eigenen Pistolen aus den Halftern, weil ich mich darauf besser verlassen konnte, spannte sie und stellte mich den Straßenräubern entgegen, die nun schon ganz nahe an uns waren.

Als sie mich zu Pferde in Bereitschaft sahen, ihnen Widerstand zu leisten, und noch einen bewaffneten Mann zu Fuß gewahrten, machten sie in einiger Entfernung halt, um nähere Kundschaft über uns einzuziehen. Sie ritten zweimal um uns herum; da ich ihnen aber immer, so wie sie ihre Tour an uns machten, die Stirne bot, sprengten sie in kurzem Galopp den Weg zurück, den sie gekommen waren.

Eben jetzt kam ein Bedienter zu Pferde bei uns vorbei. Ich bot ihm eine Krone, wenn er die Räuber wolle verfolgen helfen. Kaum hatte er dies angenommen, als ich ihn mit des Offiziers Pistolen bewaffnete. Wir galoppierten den Landstraßenrittern nach. Diese verließen sich auf die Geschwindigkeit ihrer Pferde und hielten still, bis wir ihnen auf einen Pistolenschuß nahe waren; dann schossen sie ihre Feuergewehre auf uns ab und jagten im stärksten Galopp davon.

Wir folgten ihnen so schnell, wie unsere Gäule nur laufen konnten. Da wir aber nicht so gut beritten waren, würden wir nie unseren Zweck erreicht haben, wäre nicht das Pferd des einen gestrauchelt und hätte es nicht den Reiter mit aller Gewalt über seinen Kopf geschleudert.

Als wir herankamen, fanden wir den Sandritter ohne Besinnung daliegen und nahmen ihn ohne den geringsten Widerstand gefangen. Denn sein Gefährte suchte sein Heil in der Flucht, ohne sich weiter um die Not seines Freundes zu bekümmern. Kaum hatten wir so viel Zeit gehabt, uns der Waffen des Gestürzten zu bemächtigen und ihm die Hände zu binden, als er sich wieder erholte. Da er sich in einem solchen Zustand erblickte, stellte er sich erstaunt, wollte wissen, wer uns das Recht gegeben habe, einen ehrlichen Mann so zu behandeln, und hatte die Unverschämtheit, zu drohen, er würde uns als Räuber und Diebe belangen.

Mittlerweile sahen wir Strap mit einem Trupp Leuten ankommen, die mit mancherlei Waffen ausgerüstet waren. Unter ihnen befand sich ein Bauer, der nicht sobald unseren Gefangenen gesehen hatte, als er mit vielem Eifer ausrief: »Das ist der Kerl, der mir vor einer Stunde zwanzig Pfund in einem leinenen Beutel weggenommen hat!«

Sogleich wurden die Taschen des Angeschuldigten durchsucht und das Geld samt dem Sack bei ihm gefunden. Darauf überantworteten wir ihn den Landleuten, die ihn nach dem Städtchen Hounslow brachten, das der Bauer, wie es schien, in Alarm gesetzt hatte.

Nachdem ich den Lakaien, meinem Versprechen gemäß, für seine Bemühungen befriedigt, kehrte ich mit Strap zur Kutsche zurück, wo ich den Leutnant und den Advokaten beschäftigt fand, die zimperliche Dame, die über das viele Schießen in Ohnmacht gefallen war, durch Riechfläschchen und Herzstärkungen wieder zu sich zu bringen.

Kaum hatte ich meinen Sitz wieder eingenommen, so machte Miß Snapper, die von der Kutsche aus alles, was vorgefallen war, mit angesehen hatte, mir wegen meines Benehmens ein Kompliment und versicherte, sie freue sich, daß ich so unbeschädigt davongekommen wäre. Ihre Mutter bekannte sich mir für meine Entschlossenheit sehr verpflichtet, und der Jurist sagte mir, ich wäre durch eine Parlamentsakte zu einer Belohnung von vierzig Pfund berechtigt, weil ich einen Straßenräuber festgenommen hätte.

Der Offizier hingegen machte mit einem Gesicht, worin Unverschämtheit mit Scham kämpfte, die Anmerkung, hätte ich mich nicht mit dem Aussteigen so verdammt »gesputet«, so würde er sich der Schurken ohne all dies Aufsehen und ohne Zeitverlust vermöge eines Planes bemächtigt haben, der durch meine Hitze und Übereilung wäre zugrunde gerichtet worden. »Denn ich«, setzte er hinzu, »pflege bei solchen Gelegenheiten niemals waghalsig zu sein, habe immer viel kühle Besonnenheit.«

»Kühl mag's Ihnen wohl gewesen sein, nach Ihrem Zittern zu urteilen«, sagte Miß Snapper. Der Leutnant erwiderte: »Tod und Verdammnis, Miß! Bloß Ihr Geschlecht schützt Sie. Keine Mannsperson auf Erden sollte sich unterstehen dürfen, mir dergleichen zu sagen. Ich schickte ihn – soll mich der Donner erschlagen! – sogleich zum Teufel.« (Seine Blicke auf mich richtend:) »Haben Sie mich zittern sehen, Herr?«

Ich antwortete ohne Bedenken: »O ja.«

»Mordelement«, schrie er, »zweifeln Sie an meiner Herzhaftigkeit, Herr?«

Ich erwiderte: »Sehr stark.«

Der Leutnant (ganz außer Fassung geratend, bleich werdend und mit stammelnder Stimme): »Ah, sehr gut! – Hol mich der Teufel, ich werde schon meine Zeit abpassen.«

Ich gab ihm meine herzliche Verachtung durch einen schiefen Mund zu erkennen. Dies demütigte ihn dermaßen, daß er auf der weiteren Reise kaum einen lauten Fluch wieder ausstieß.

Die affektierte Dame, die ihre Lebensgeister durch Hilfe einiger starker Wasser wieder gestärkt hatte, gab in einem Selbstgespräch ihre Verwunderung zu erkennen, wie ein Mann, der für einen Gentleman wolle angesehen sein, um ein wenig Lumpengeld Standespersonen in solchen Schreck setzen könne, daß sie ihr Leben dabei riskierten. Zugleich äußerte sie ihr Befremden, daß Frauenzimmer sich nicht schämten, solche Brutalität zu loben. Sie schloß mit dem Gelübde, nie wieder einen Fuß in eine Landkutsche zu setzen, solange man noch für gute Worte und Geld ein Privatfuhrwerk bekommen könne.

Ihre Anmerkung wurmte mich, und ich bediente mich ihrer Methode, meine Gedanken an den Tag zu legen. Zuerst bezeigte ich meine Verwunderung, wie ein Frauenzimmer von gesundem Menschenverstand so unvernünftig sein und verlangen könnte, daß Personen, die nicht die geringste Bekanntschaft und Beziehung mit ihr hätten, sich um ihrer wunderlichen Grillen willen ganz geduldig plündern und mißhandeln lassen sollten. Dann äußerte ich mein Befremden, daß sie sich so unverschämt und undankbar bezeigte und eine Person der Brutalität bezichtigte, die ihre Erkenntlichkeit und ihren Beifall verdient habe. Zuletzt tat ich das Gelübde, sie, wenn wir von neuem angegriffen würden, dem Räuber preiszugeben, damit sie den Wert meines Schutzes möchte einsehen lernen.

Die Standesperson hielt es nicht für ratsam, den Streit weiter fortzusetzen, sondern schien samt dem kaputt gemachten Leutnant ihren Zorn wiederzukäuen. Indes unterhielt ich mich mit meiner bezaubernden Reisegefährtin, die an meinen Reden um so mehr Behagen fand, je schlechtere Meinung sie aus meinem vorigen Stillschweigen von meinem Verstand gefaßt hatte. Ich hätte gleichfalls Ursache gehabt, mit ihrem lebhaften Geist zufrieden zu sein, wenn sie ihre Phantasie durch ihre Urteilskraft ein wenig mehr im Zaum zu halten imstande gewesen wäre. Allein sie litt stets an einem heftigen Wortfluß. Ich fürchtete mich daher ungemein vor ihrer unbändigen Zunge und fühlte schon zum voraus alles das Schreckliche, an eine ewige Schwätzerin gefesselt zu sein. Andererseits zog ich jedoch die Freuden in Betracht, die mit dem Besitze von zwanzigtausend Pfund verbunden sind, vergaß darüber die Unvollkommenheiten meiner Zukünftigen, ergriff die Gelegenheit beim Schopfe und suchte mich bestmöglichst in ihre Gewogenheit einzuschmeicheln.

Die sorgsame Mutter hielt genaue Obacht über sie, und wiewohl sie sich nicht enthalten konnte, höflich gegen mich zu sein, so nahm sie doch häufig Anlaß, der Miß Verweise zu geben, um unserer Unterredung schnell ein Ende zu machen. Sie sagte ihr, sie müsse nicht so frei gegen fremde Personen sein und mehr denken und weniger sprechen lernen.

Da uns der Gebrauch der Zunge sonach untersagt war, fingen wir an, unsere Augen miteinander sprechen zu lassen. Ich fand die junge Miß in dieser Art von Konversation sehr bewandert. Kurz, ich hatte alle Ursache zu glauben, daß sie der Vormundschaft der alten Frau überdrüssig wäre und daß es keine Schwierigkeiten machen würde, die mütterliche Autorität ganz zu untergraben.

Als wir an dem Ort angekommen waren, wo wir frühstücken sollten, stieg ich aus und half meiner Gebieterin sowohl als deren Mutter aus der Kutsche. Diese bestellte ein eigenes Zimmer für sich, um da mit jener allein den Morgenimbiß zu sich zu nehmen.

Als sie weggingen, sah ich, daß die Miß noch mehr Krümmungen von der Natur erhalten habe, als ich zuerst bemerkt hatte. Sie beschrieb genau die Figur eines S, so daß ihr Gang sehr krebsartig ausfiel.

Die Prüde wählte sich den Offizier zum Gesellschafter und befahl, daß man etwas zum Frühstück für sie in ein anderes Zimmer bringen sollte. Mithin wurden wir, der Advokat und ich, ganz allein gelassen und genötigt, einander Gesellschaft zu leisten. Mich verdroß das stolze Benehmen der Mistreß Snapper nicht wenig; ich glaubte, eine artigere Behandlung von ihr verdient zu haben.

Der Advokat versicherte, er sei nun schon zwanzig Jahre gereist, habe aber noch nie so wie heute die Gesetze der Landkutsche überschreiten sehen.

Ich konnte gar nicht begreifen, wodurch die Anhänglichkeit des Frauenzimmers ›von Stand‹ für den Leutnant bewirkt worden sei, und fragte daher den Gesetzesmann, ob er nicht wisse, was sie für Soldatentugenden an dem Herrn bewundere.

»Ich nehme an«, sagte dieser mit einem spaßhaften Wesen, »die Dame weiß, daß der Herr einen brillanten Vortrag hat, und darum will sie sich seiner Feder zu einer kleinen Species facti bedienen.«

Über diesen boshaften Einfall konnte ich mich nicht des Lächelns erwehren, und der Herr des Gesetzes fuhr fort, mich mit vielem Witze von ebendem Schlage auf Kosten unserer Reisegefährten zu unterhalten. Unter anderem sagte er, es ginge ihm nahe, daß das kleine Grundstück dort mit so vielen Lasten beschwert sei, womit er die Gebrechen meiner Angebeteten meinte.

Als wir unseren Imbiß geendigt und die Rechnung bezahlt hatten, begaben wir uns in die Kutsche und nahmen unsere Plätze ein. Vorher brachten wir den Kutscher mittels eines Trinkgeldes dahin, uns an den übrigen Passagieren dadurch zu rächen, daß er sie trieb, ihr Frühstück zu verlassen, mit dem sie noch lange nicht zu Rande waren. Er führte dies vollkommen nach unserem Wunsche aus.

Die Mutter nebst ihrer Tochter gehorchten seiner ungestümen Aufforderung zuerst. Sie sahen sich genötigt, den Fuhrknecht zu bitten, ihnen einsteigen zu helfen, denn der Anwalt und ich hatten die Abrede genommen, uns ihretwegen nicht im geringsten zu bemühen und ihnen dadurch unseren Unwillen zu erkennen zu geben.

Kaum hatten sich diese gesetzt, so erschien der Leutnant so erhitzt, als wenn er ein halbes Dutzend Meilen von einem Feinde wäre verfolgt worden, und unmittelbar darauf kam das affektierte Frauenzimmer, an der gleichfalls Merkmale der Unordnung ersichtlich wurden.

Als der Offizier ihr in die Kutsche geholfen hatte, stieg auch er ein, nachdem er gegen den Fuhrmann einige Flüche ausgestoßen, daß er sie auf eine so unverschämte Art unterbrochen habe. Der Gesetzesmann tröstete ihn damit, daß sich beim nächsten Termin nachholen ließe, was ja etwa beim vorhergehenden versäumt worden sei.

Dieser letzte Ausdruck beleidigte die feierliche Dame. Sie sagte, wenn sie eine Mannsperson wäre, würde sie ihn für seine unehrbaren Reden zur Rechenschaft ziehen. Zugleich dankte sie Gott, daß sie sich bisher nie in einer solchen Gesellschaft befunden habe.

Auf diesen Fingerzeig hielt der Offizier es für nötig, sich des Frauenzimmers anzunehmen, und drohte demnach dem Anwalt, ihm die Ohren abzuschneiden, wofern er seiner Zunge noch ferner solche Freiheiten erlaubte. Der arme Rechtskonsulent bat um Verzeihung, und es erfolgte ein allgemeines Stillschweigen.


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