Tobias Smollett
Die Abenteuer des Roderick Random
Tobias Smollett

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Siebenundfünfzigstes Kapitel

Ich erhalte einen wichtigen Nebenbuhler. Melinde erobert Narzissas Bruder

 

Den folgenden Morgen fand ich mich mit der Miß Williams auf unserem gewöhnlichen Platze ein. Sie wünschte mir sogleich Glück zu den Fortschritten, die ich in der Gewogenheit meiner Geliebten gemacht hatte, und entzückte mich durch Mitteilung des Gespräches, das dies teuere Geschöpf mit ihr gehalten, nachdem sie den Abend zuvor unsere Gesellschaft verlassen.

Kaum konnte ich ihr Glauben beimessen. Die Ausdrücke, deren Narzissa sich in Ansehung meiner Person bedient, waren wärmer und leidenschaftlicher, als meine feurigsten Hoffnungen sie sich zu denken gewagt hatten. Insonderheit freute es mich, zu vernehmen, daß sie mein Betragen gegen ihren Bruder, als sie weggegangen war, gebilligt hatte.

Trunken von meinem Glück gab ich der Williams meinen Ring als ein Merkmal meiner Dankbarkeit und Zufriedenheit. Allein sie, die über dergleichen eigennützige Rücksichten weit erhaben war, wies dies Anerbieten mit einigem Unwillen zurück und sagte, es kränke sie nicht wenig, daß ich, wie sie sehe, eine so niedrige und verächtliche Meinung von ihr hege. Ich verteidigte mich dagegen ebenso warm als wahr und versprach, um sie von meiner Achtung zu überzeugen, daß ich mich ihrer Leitung in Ausführung dieser ganzen Angelegenheit überließe. Zugleich versicherte ich ihr, diese Sache läge mir so sehr am Herzen, daß von deren glücklichem Erfolge die Ruhe meines Lebens abhinge.

Da ich mir sehnlich eine zweite Unterredung mit Narzissa wünschte, worin ich, ohne Gefahr, unterbrochen zu werden, die Empfindungen meines Herzens gegen sie könnte ergießen und vielleicht durch einige Äußerungen von Gegenliebe von der Beherrscherin meines Willens könnte beglückt werden, so bat ich meine Freundin, mir durch Rat und Tat zu einer heimlichen Zusammenkunft mit ihrer Gebieterin behilflich zu sein. Allein sie gab mir zu verstehen, diese würde sich schwerlich zu so übereilten Gefälligkeiten entschließen; ich sollte daher nur die Bekanntschaft mit ihrem Bruder zu erhalten suchen, durch diese würde es mir nicht an Gelegenheiten fehlen, alle die Zurückhaltung aus dem Wege zu räumen, welche meine Gebieterin im Anfange unseres Verkehrs beizubehalten sich verpflichtet hielte. Inzwischen versprach sie mir, sie wolle ihrer Miß sagen, ich hätte sie durch Geschenke und Überredungen dahin zu vermögen gesucht, ihr einen Brief von mir zu überbringen; allein sie habe sich darauf nicht eher einlassen wollen, als bis sie Narzissas Meinung über den Punkt wisse. Durch dies Mittel, setzte sie hinzu, zweifle sie gar nicht, einen schriftlichen Umgang zwischen uns zustande zu bringen, der eine innigere Verbindung nach sich zu ziehen nicht ermangeln würde.

Ich billigte ihren Rat, und nachdem wir den folgenden Tag wieder zusammenzukommen verabredet hatten, verließ ich sie, um auf Mittel zu denken, mich mit dem Squire wieder auszusöhnen, den ich wegen des ihm gespielten Streiches böse auf uns vermutete. In der Absicht fragte ich Freeman um Rat. Dieser, der den Fuchsjäger genau kannte, versicherte, es sei kein anderes Mittel, ihn wieder gutzumachen, als daß wir uns opferten und einen Abend mit ihm verzechten und Glas um Glas tränken. Ich mußte diesen Ausweg meiner Leidenschaft wegen einschlagen. Doch beschloß ich, das Gelage in meiner eigenen Wohnung anzustellen, um nicht Gefahr zu laufen, daß mich Narzissa in einem so tierähnlichen Zustand erblickte.

Freeman, der mit von der Partie sein sollte, ging auf meinen Wunsch zum Wilden, um ihn einzuladen, indes ich mich zum Empfang meiner Gäste anschickte. Meine Einladung ward angenommen. Gegen Abend beehrten mich die gebetenen Zechgesellen mit ihrer Gesellschaft. ›Bruder Petz‹ versicherte mir, er habe manches Faß Wein in seinem Leben ausgeleert, aber so hätte ihn noch keiner übers Ohr gehauen wie ich gestern abend. Ich versprach, ihm dafür heute Genugtuung zu geben.

Nachdem ich jedem hatte seine Flasche geben lassen, begann der Gläserkrieg. Ein Humpen auf Narzissas Wohl eröffnete ihn. Die Gesundheiten auf Mädchen gingen gar weidlich rund, und der Wein fing an, seine Wirkungen zu zeigen. Unsere Freude ward sehr tumultuarisch. Freeman und ich hatten den Vorteil, leichten französischen Claret zu trinken; deshalb war der Squire schon überwunden, ehe noch das Getränk starken Eindruck auf uns gemacht hatte, und wurde in dem allerstärksten Rausch nach Hause geschafft.

Den nächsten Morgen beglückte mich meine gütige und pünktliche Vertraute wieder mit einem Besuch an dem Ort, wo wir zusammenzukommen pflegten. Sie sagte mir, ihre Herrschaft habe es ihr erlaubt, Briefe von mir anzunehmen. Sogleich ergriff ich die Feder und schrieb folgende Zeilen, wie die Liebe sie mir eingab:

›Teuerste Miß!

Wäre es möglich, durch die Mittel, deren man sich zur Darlegung seiner Gefühle bedient, die sanften Regungen meiner Seele, die zärtlichen und bangen Besorgnisse und glühenden Hoffnungen zu schildern, die wechselweise meine Brust durchwallen, so bedürft ich keines weiteren Zeugen als dieses Blattes, um die Reinheit und Stärke der Flamme zu bestätigen, die Ihre Reize in mir angefacht haben. Aber ach! Wortzeichen sind viel zu unvermögend, meiner Liebe Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Empfindungen, die keine Sprache ausdrücken kann, begeistern mich. Ihre Schönheit erfüllt mich mit Bewunderung, Ihr Verstand mit Entzücken und Ihre Güte mit inniger Verehrung. Sehnsucht setzt mich außer mir, Zweifel und Ungeduld foltert mich. Erlauben Sie mir daher, liebenswürdige Gebieterin meines Schicksals, mich Ihnen persönlich zu nähern, meine Leidenschaft in sanften Klagen vor Ihnen zu ergießen, Ihnen ein Herz zum Opfer darzubringen, das von der redlichsten, uneigennützigsten Liebe überströmt, an dem göttlichen Gegenstande meiner Wünsche meine entzückten Augen, an der Musik Ihrer Zauberstimme mein Gehör zu weiden und mich an dem Lächeln Ihres Beifalls zu laben. Dadurch werden die unerträglichsten Zweifel verbannt werden, die bis jetzt quälen

Ihren von Liebe hingerissenen R. R.‹

Nachdem ich diesen Herzenserguß vollendet hatte, vertraute ich ihn der Sorgfalt meiner treuen Freundin an, mit der dringenden Bitte, mein Gesuch mit aller Beredsamkeit und ihrem ganzen Einfluß zu unterstützen.

Mittlerweile zog ich mich an, um die Mistreß Snapper mit ihrer Tochter zu besuchen, an die ich seit der Zeit, da sich meine teuere Narzissa wieder der Herrschaft meiner Seele bemeistert, kaum gedacht, ja die ich beinahe völlig vergessen hatte. Die alte Dame empfing mich sehr freundschaftlich, und die Miß nahm eine Unbefangenheit und Lustigkeit an, von der ich leicht merken konnte, daß sie erzwungen war. Unter anderem wollte sie mich mit meiner Leidenschaft für Narzissa aufziehen. Sie behauptete, dies sei gar kein Geheimnis mehr, und fragte, ob ich willens wäre, auf dem nächsten Ball mit meiner Geliebten zu tanzen.

Ich ward sehr betreten, in dieser Angelegenheit das Stadtgespräch zu werden, weil der Squire, wenn er meine Neigung erfuhr, sie mißbilligen, allen Umgang mit mir abbrechen und mir so die Gelegenheiten rauben konnte, seine Schwester zu sehen. Deshalb beschloß ich, seine guten Gesinnungen für mich so lange zu nutzen, als sie dauerten. Da ich ihn noch denselben Abend zufälligerweise traf, so bat ich ihn um die Erlaubnis, mir von Narzissa ihre Gesellschaft auf dem Balle erbitten zu dürfen. Zu meinem nicht geringen Vergnügen gestand er mir dies sogleich zu. Nachdem ich den größten Teil der Nacht durchwacht hatte, weil tausend angenehme Bilder meine Phantasie erfüllten, so stand ich sehr früh auf und begab mich dahin, wo die Williams sich einzufinden pflegte. Ich hatte die Freude, sie bald darauf mit einer lächelnden Miene kommen zu sehen, die ich für eine gute Vorbedeutung nahm. In dieser Vermutung betrog ich mich nicht. Sie überreichte mir einen Brief von dem Abgott meiner Seele, den ich mit Ehrfurcht küßte, dann mit äußerster Lebhaftigkeit öffnete und ihr Gutheißen meines Vorschlages in folgenden Worten fand:

›Sir!

Wenn ich sagte, ich betrachtete Sie mit Gleichgültigkeit, so wäre dies eine Verstellung, die weder meines Erachtens der Anstand erfordert noch irgendein Herkommen rechtfertigen kann. Da mein Herz nie einen Eindruck gefühlt hat, den meine Zunge zu bekennen sich gescheut hätte, so mach ich mir auch kein Bedenken, zu gestehen, daß mir Ihre Leidenschaft gar nicht mißfällig ist; da ich Ihrer Rechtlichkeit traue und von meiner Behutsamkeit zu gut überzeugt bin, würde ich Ihnen die erwünschte Zusammenkunft bewilligen, müßte ich nicht die grübelnde Neugier einer hämischen Welt befürchten, deren Tadel äußerst nachteilig sein möchte dem guten Ruf

Ihrer Narzissa.‹

Kein Einsiedler hat in einer Ekstase von Andacht mit mehr Inbrunst eine Reliquie angebetet als ich diesen unnachahmlichen Beweis von der Offenheit, dem Edelmut und der Zuneigung meiner Geliebten. Ich durchlas dies Schreiben wohl hundertmal, überdeckte es mit Küssen und war von dem Geständnis im Anfange desselben entzückt. Allein die Unterschrift ›Ihrer Narzissa‹ erfüllte mich mit noch nie empfundener Wonne. Miß Williams erhöhte meine Seligkeit dadurch, daß sie mir alle die zärtlichen Ausdrücke wiederholte, deren sich ihre Gebieterin beim Empfange und Durchlesen meines Briefes in Ansehung meiner bedient. Kurz, ich hatte alle Ursache von der Welt, zu glauben, daß in dem Busen dieses holden Geschöpfes eine Leidenschaft für mich herrsche, die ebenso feurig, wenngleich vielleicht nicht so ungestüm wie die meinige sei.

Ich meldete meiner Freundin, daß der Squire mir bewilligt habe, Narzissa auf den Ball zu führen; zugleich bat ich sie, ihrer Herrschaft zu sagen, ich würde die Ehre haben, sie dieser Erlaubnis gemäß am Nachmittag zu besuchen, und hoffte, sie dann ebenso gefällig zu finden, wie ihr Bruder willfährig in dieser Hinsicht gegen mich gewesen wäre.

Miß Williams bezeigte sich sehr vergnügt, als sie hörte, daß ich bei dem Fuchsjäger so gut angeschrieben sei, und versicherte mir, Narzissa würde dieser Besuch um so lieber sein, da ihr Bruder außer Hause speiste. Daß mir dieser Umstand ganz ungemein behagte, habe ich wohl nicht erst Ursache zu sagen.

Ich begab mich unmittelbar darauf nach dem großen Assembleesaal, wo ich den Wilden fand, stellte mich, als wüßte ich nicht, daß er sich zum Essen versprochen habe, und sagte ihm, ich würde das Vergnügen haben, ihm am Nachmittag meine Aufwartung zu machen und seiner Schwester ein Billett für den Ball zu bringen. Er schüttelte mir, wie es sein Brauch war, die Hand und teilte mir mit, daß er nicht zu Hause sein würde. Doch verlangte er dessenungeachtet, ich solle mit Narzissa Tee trinken, und versprach, sie auf diesen Besuch vorzubereiten.

Solchergestalt gelang mir alles nach Wunsch. Ich erwartete die Zeit meines Besuches mit unglaublicher Ungeduld. Kaum war sie da, als ich nach dem Ort hineilte, wo meine Phantasie schon lange zuvor gewesen war. Der Abrede gemäß wurde ich zu der teueren Zauberin hineingeführt, die ich in Gesellschaft der Miß Williams fand. Letztere begab sich, sowie ich gekommen war, unter dem Vorwande fort, den Tee zu bestellen. Dieser günstige Umstand erschütterte mich sowie Narzissa. Von einer unwiderstehlichen Gewalt getrieben, nahte ich mich ihr mit Feuer und Schüchternheit zugleich, nutzte die Verwirrung, die sich meiner Geliebten bemeistert hatte, schloß dies schöne Geschöpf in meine Arme und drückte einen glühenden Kuß auf ihre Lippen, die sanfter und wohlriechender waren als eine eben aufbrechende, vom Tau feuchte Rosenknospe. Schamröte überzog augenblicklich ihr Gesicht, und ihre Augen funkelten vor Unwillen. Ich warf mich ihr sogleich zu Füßen und bat sie um Verzeihung. Ihre Liebe war mein Verteidiger; ihre milder werdenden Blicke deuteten Verzeihung an; sie hob mich auf und verwies mir meinen Ungestüm auf eine so glimpfliche Art, daß ich in die Versuchung geraten sein würde, meine Beleidigung zu wiederholen, wenn nicht der Bediente mit dem Tee gekommen wäre und meiner Kühnheit Einhalt getan hätte.

Solange wir unterbrochen oder behorcht zu werden vermuten mußten, sprachen wir von dem bevorstehenden Ball, auf dem sie mir ihr Tänzer zu sein erlaubte. Als aber der Bediente sich entfernt und das Teezeug mitgenommen hatte, kam ich wieder auf ein interessanteres Thema und geriet dabei so in Feuer, daß meine Gebieterin aus Furcht, ich möchte wieder von neuem ausschweifen, die Klingel zog und ihr Kammermädchen hereinrief. Sie behielt dieses bei sich, um meine Lebhaftigkeit in Schranken zu halten.

Diese Vorsicht war mir nicht zuwider, da ich doch in Gegenwart der Williams mein Herz ausschütten konnte. Sonach ließ ich meiner Leidenschaft vollen Ausbruch, doch ohne zu Handlungen überzugehen. Dies machte auf die zärtlich gesinnte Narzissa einen solchen Eindruck, daß sie den bisherigen Zwang ablegte und mich mit der hinreißenden Erklärung ihrer Gegenliebe beglückte. Unmöglich konnte ich mich enthalten, diese reizende Güte nicht zu nutzen. Sie erlaubte mir jetzt, sie zu umarmen, und während ich das Teuerste auf der Welt umschlossen hielt, schmeckte ich zum voraus Paradiesfreuden, die ich bald in ihrem ganzen Umfange zu erlangen hoffte.

Wir brachten den ganzen Nachmittag in der Ekstase von Hoffnungen zu, welche feurige, gegenseitige Liebe einflößen kann, und unsere keuschen Liebkosungen, welche die Williams an ihre entflohene Glückseligkeit erinnerten, füllten ihre Augen mit Tränen. Da der Abend schon hereingebrochen war, so riß ich mich von dem teuren Gegenstande meiner Flammen los, der mir zum Abschied noch eine zärtliche Umarmung verstattete.

Als ich zu Hause angekommen war, teilte ich meinem Freunde Strap mein Glück haarklein mit. Dies verursachte ihm so viel Freude, daß er Tränen vergoß und herzlich bat: »Gebe doch der Himmel, daß Ihnen kein Neidteufel wieder den Kelch der Glückseligkeit von den Lippen wegraffe.«

Als ich alles, was sich zugetragen hatte, und zumal Narzissas offenherzige Beteuerungen ihrer Liebe überdachte, konnte ich mich nicht der Verwunderung erwehren, daß sie sich nicht näher nach den Schicksalen und Vermögensumständen eines Mannes erkundigte, den sie ihrer Zuneigung würdigte. Auch fing ich schon an, wegen der Lage ihrer Finanzen ein wenig bekümmert zu sein; denn ich wußte wohl, daß ich derjenigen, die meine Seele so teuer hielt, das größte Unrecht tun würde, wenn ich sie heiratete, ohne in der Lage zu sein, sie standesgemäß zu erhalten. Zwar hatte ich, da ich noch bei ihrer Tante diente, gehört, daß ihr Vater ihr ein beträchtliches Vermögen hinterlassen habe und daß jedermann glaubte, sie würde den größten Teil von dem Heiratsgut der ebengedachten Verwandten erben. Allein ich wußte doch nicht, wie sehr sie durch das väterliche Testament im Nießbrauch des Hinterlassenen eingeschränkt sei, und kannte den letzten Schritt der alten Gelehrten zu gut, um zu denken, daß meiner Gebieterin von der Seite die geringsten Erwartungen übrigblieben. Indessen verließ ich mich in dem Punkt auf den Verstand und die Klugheit meiner Geliebten und war fest überzeugt, daß sie ihr Schicksal mit dem meinigen nicht verbinden würde, ohne auf die Zukunft gehörige Rücksicht genommen zu haben.

Der Abend zum Balle nahte heran. Ich zog einen Anzug an, den ich für irgendeine große Gelegenheit aufgehoben hatte. Dann trank ich mit Narzissa und ihrem Bruder Tee und führte darauf meinen Engel nach dem Ort des Vergnügens. In einem Augenblick verdunkelte sie alle ihre Rivalinnen an Schönheit und zog die Bewunderung der ganzen Versammlung auf sich.

Als wir ausgetanzt hatten, nahte sich ein gewisser Kavalier, der sich durch seine Gestalt und seinen Einfluß in der ›beau monde‹ auszeichnete, und beehrte uns wegen unserer Figur und unseres Anstandes mit einem ganz besonderen Kompliment so laut, daß alle Anwesenden es hören konnten. Jetzt schwellte der Stolz noch mehr mein Herz, und mein Triumph ging über alle Grenzen. Allein mein Entzücken hatte bald ein Ende, als ich wahrnahm, daß der Lord sich sehr geflissentlich um meine Gebieterin beschäftigte und ihr manch schöne Sachen mit einem Feuer sagte, das meines Erachtens sehr nach Leidenschaft schmeckte.

Jetzt begann ich die Martern der bittersten Eifersucht zu fühlen. Ich fürchtete mich vor dem Ansehen und der Geschicklichkeit meines Nebenbuhlers. Mir ward bei seinen Reden ganz übel zumute. Wenn Narzissa die Lippen öffnete, um ihm zu antworten, wollte mir das Herz zerspringen. Wenn sie lächelte, empfand ich die Qualen eines Verdammten. Ich ward fast wahnsinnig über seine Vermessenheit und verfluchte ihr gefälliges Benehmen. Endlich verließ er sie und ging nach einem anderen Ende des Saales.

Narzissa, die von der Wut, die mich entflammt hatte, nichts argwöhnte, tat verschiedene Fragen an mich, gleich als er weg war. Ich beantwortete sie mit einem verdrießlichen Blick, der den Aufruhr in meiner Brust nur zu deutlich bezeichnete und sie nicht wenig in Erstaunen setzte. Kaum ward sie den Sturm in meinem Innern gewahr, so veränderte sie die Farbe und fragte, was mir fehle. Ehe ich ihr aber antworten konnte, zupfte mich ihr Bruder beim Ärmel und hieß mich ein Frauenzimmer in Augenschein nehmen, das sich uns gerade gegenüber befand. Zu meinem überaus großen Erstaunen bemerkte ich, daß dies niemand anderes war als Melinde in Begleitung ihrer Mutter und eines ältlichen Herrn, den ich nicht kannte.

»Potztausend, Mister Random«, rief der Squire, »ist das nicht ein prachtvolles Weib? Hol's der Deibel, ich hätte gute Absichten – wenn ich nur wüßte, ob sie noch frei ist.«

So betroffen ich auch war, so besaß ich doch noch Überlegung genug, um einzusehen, daß meiner Leidenschaft durch die Anwesenheit dieser Dame viel Nachteil erwachsen würde. Es dünkte mir höchstwahrscheinlich, daß sie sich für meine ehemaligen Beleidigungen an mir dadurch rächen würde, daß sie allerhand nachteilige Gerüchte über mich aussprengte. Daher wurde ich durch die Äußerungen der Bewunderung des Squires in keine geringe Unruhe gesetzt und wußte eine Zeitlang seine Frage, was ich von ihrer Schönheit hielte, gar nicht zu beantworten. Endlich hatte ich meinen Entschluß gefaßt und sagte, sie hieße Melinde, hätte zehntausend Pfund im Vermögen und wäre mit einem gewissen Lord versprochen, der die Heirat nur wenige Monate aufgeschoben habe, bis er mündig sein würde.

Durch diese Nachricht, die ganz meine Erfindung war, hoffte ich den Fuchsjäger völlig zu verhindern, weiter an sie zu denken. Allein ich hatte mich gar trefflich geirrt. Der junge Herr besaß viel zuviel Selbstgefühl, als daß er nicht hätte hoffen sollen, über jeden Nebenbuhler den Sieg davonzutragen. Mithin nahm er ihr Eheversprechen auf die leichte Achsel und sagte mit selbstgefälligem Lächeln: »Vielleicht ändert sie noch ihren Sinn. – Was will das schon besagen, wenn er ein Lord ist? Ich glaube, ich bin genausoviel wert wie nur ein Lord in der ganzen Christenheit sein kann; – will doch mal sehen, ob nicht ein Mitglied des Unterhauses mit dreitausend Pfund auch ganz passabel für sie ist.«

Ein solcher Entschluß machte mich nicht wenig bestürzt. Ich wußte, daß er das Gegenteil von meiner Behauptung in kurzem erfahren müßte; und da ich glaubte, daß Melinde seinen Bewerbungen Gehör geben würde, so zweifelte ich gar nicht, bei meiner Liebschaft alle die Hindernisse anzutreffen, die ihre Bosheit ihr an die Hand zu geben und ihr Einfluß auszuführen vermöchte.

Diese Betrachtung vermehrte meinen Verdruß, und die Angst, die mich folterte, ward ersichtlich. Narzissa bestand deshalb darauf, gleich nach Hause zu gehen. Als ich sie zur Tür führte, machte ihr hochadliger Bewunderer eine tiefe Verbeugung und warf einen schmachtenden Blick auf sie. Dies war mir ein Stich durch die Seele. Ehe sich meine Geliebte in die Sänfte setzte, fragte sie mich mit anscheinender Teilnahme, was mir wäre. Ich sagte hierauf weiter nichts als: »Beim Himmel! ich bin ganz außer mir!« Als ich diese Worte gesagt hatte, tat sie einen tiefen Seufzer, und ich ging in der Gemütsverfassung eines echten Bedlamiten nach Hause.


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