Tobias Smollett
Die Abenteuer des Roderick Random
Tobias Smollett

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Siebenundvierzigstes Kapitel

Ich lerne Melinde kennen; der Besuch bei ihr kommt mich teuer zu stehen. Banter gibt mir einen Beweis seines freundschaftlichen Zutrauens

 

Ehe ich noch aufstand, kam Strap zu mir ins Zimmer. Da er mich wachend fand, räusperte er sich verschiedene Male, kratzte sich den Kopf, schlug die Augen nieder und gab mir mit einem herzlich albernen Lächeln zu verstehen, er habe mir etwas zu eröffnen. »Eurem Gesicht nach«, sagte ich, »erwarte ich gute Nachrichten zu hören.« – »Na, leidlich«, erwiderte er zitternd, »es kommt drauf an, wie's endet. Ich bin, sollen Sie wissen, gesonnen, mich zu verändern.«

»Was!« rief ich erstaunt, »hast du Heiratspläne? Oh, du einzigartiger Strap! Du läufst mir doch noch den Rang ab.«

»Nein, nein, das gerade nicht, versichere ich Ihnen«, sagte er und brach in selbstgefälliges Lachen aus, »eine Lichtzieherswitwe dicht nebenan hat Geschmack an mir gefunden. Ein feines, lustiges Weibchen, so rundlich wie ein Rebhuhn. Sie hat ein gut eingerichtetes Haus, ein flottes Geschäft und ein Stückchen Geld. Ich brauch nur anzufragen, so hab ich sie. Zu einem mir befreundeten Diener hat sie gesagt, sie würde mich nehmen, selbst wenn ich gar nichts hätte. Aber ich hab noch keine bindende Zusage gemacht, als bis ich Ihre Meinung darüber wüßte.«

Ich gratulierte dem Herrn d'Estrapes zu seiner Eroberung und billigte seine Absicht, vorausgesetzt, daß es mit den Glücksgütern der Witwe seine Richtigkeit hätte. Ich riet ihm aber, nicht voreilig zu sein und mir auch Gelegenheit zu geben, die Dame zu sehen, bevor er die Angelegenheit zum Abschluß brächte. Er versicherte, daß er ohne meine Genehmigung und Billigung auch nicht einen Schritt tun würde.

Noch an demselben Morgen, während ich beim Frühstück saß, führte er mir seine Liebste vor. Es war eine dicke kleine Frau von ungefähr sechsunddreißig Jahren; ihr Unterleib hatte, wie ich beim ersten Blick wahrnahm, einen besonderen Vorsprung, der mich auf den Argwohn leitete, das Ding müsse einen Haken haben. Indessen nötigte ich sie zum Sitzen und reichte ihr ein Schälchen Tee. Unser Gespräch drehte sich um Straps gute Eigenschaften, den ich ihr in Hinsicht auf Mäßigkeit, Fleiß und Tugend als ein Wunder beschrieb.

Als sie Abschied nahm, begleitete er sie zur Tür hinaus. Er kam wieder, leckte sich die Lippen und fragte mich, ob es nicht ein recht leckerer Bissen wäre. Ich machte ihm aus meinem Verdacht kein Geheimnis, sondern sagte ihm diesen frei heraus. Er war darüber gar nicht erstaunt und versetzte, er habe schon dieselbe Bemerkung gemacht, allein sein Freund hätte ihn eines Besseren belehrt und gesagt, sie habe eine Lebergeschwulst und ihr Unterleib würde in wenigen Monaten wieder ganz normal sein.

»Ja«, sagte ich, »in wenigen Wochen sogar. Kurz, mein lieber Strap, ich bin der Meinung, man hat Euch tüchtig übers Ohr hauen wollen. Der Freund ist ein Schuft, der Euch seine Hure aufschwatzen will, um sich von den Zudringlichkeiten der Mutter und den Kosten für den Bankert in einem zu befreien. Darum rate ich Euch, traut nicht so blindlings seinem Bericht von ihrem Vermögen, womit sich sein Betragen gar nicht reimt. Hütet Euch, Euren Kopf in eine Schlinge zu stecken, die Ihr nachher gern mit der des Henkers vertauscht sehen möchtet.«

Er schien über meinen Hinweis recht erschrocken und versprach mir, die Augen offenzuhalten, bevor er den Sprung wagte, fügte auch mit einiger Hitze hinzu: »Ja, wenn ich finde, daß er mich hat anführen wollen, so will ich doch mal sehen, wer von uns die meisten Haare auf den Zähnen hat.«

In weniger als vierzehn Tagen war meine Prophezeiung erfüllt. Zu Straps unaussprechlichem Erstaunen, der bisher noch immer geglaubt hatte, ich ginge in meinen Mutmaßungen zu weit, entledigte sich der aufgeschwollene Unterleib eines Kindes. Der falsche Freund verschwand, und wenige Tage darauf bemächtigten sich die Gläubiger der Waren und des Hausgerätes der Witwe.

Mittlerweile kam ich mit meinem Freunde Banter im Speisehaus zusammen und ging am Abend mit ihm und Chatter in die Oper. Dort zeigte Chatter mir Melinde in einer Loge. Zugleich versprach er, mich bei ihr einzuführen, und machte die Anmerkung, sie sei jetzt der Gegenstand allgemeiner Huldigung und besitze zehntausend Pfund Sterling.

Über diese Nachricht schlug mir das Herz vor Freude. Ich bezeigte dem jungen Mann ungemeines Verlangen, seinen Vorschlag anzunehmen. Darauf versicherte er mir, ich solle auf dem nächsten Ball mit ihr tanzen, wenn er etwas dabei ausrichten könnte. Und so ging er zu ihr hinauf. Er sprach einige Minuten lang mit ihr und zeigte meines Bedünkens auf mich. Als er wiederkam, sagte er mir zu meiner unaussprechlichen Freude, ich könne mich auf sein Versprechen verlassen, die Dame würde meine Partnerin sein.

Banter wisperte mir zu, sie wäre eine ausgemachte Kokette und würde diese Gewogenheit jedem jungen Mann in England von nur leidlicher Gestalt erzeigen, bloß um ihn unter dem Heer ihrer Bewunderer anzustellen, das von Tag zu Tag anwachsen zu sehen sie das größte Behagen fände. Sie wäre kalten, fühllosen Temperaments, erstorben gegen alle andere Leidenschaft als die Eitelkeit und so blind gegen Verdienste, daß er eine Wette eingehen wolle, der ärgste Narr, wenn er Vermögen hätte, trüge sie noch am Ende davon.

Einen großen Teil dieser Schilderung schrieb ich der satirischen Ader meines Freundes oder dem Umstande zu, daß sie ihn einmal hart zurückgewiesen habe. Überdies hatte ich auf meine Vollkommenheiten so großes Vertrauen, daß ich glaubte, kein Frauenzimmer der Welt könne meinen feurigen Bewerbungen widerstehen.

In dieser Zuversicht begab ich mich in Gesellschaft von Billy Chatter, Lord Hobble und Doktor Wagtail nach Hampstead. Die Versammlung dort schien mir sehr glänzend. Ich hatte die Ehre, mit Melinde ein Menuett zu tanzen. Sie entzückte mich ganz durch ihr freimütiges, ungezwungenes Benehmen. Ehe die Kontertänze begannen, brachte ein Unbekannter mir eine Botschaft von Bragwell. Er ließ mir sagen, keiner von seinen Bekannten dürfe sich's unterstehen, mit Melinde zu tanzen, wenn er dabei wäre. Ich würde daher wohl tun, sie ihm ohne alles Aufsehen abzutreten, indem er gesonnen sei, sie zum Kontertanz zu führen.

Diese außerordentliche Nachricht, die mir in Gegenwart der Dame mitgeteilt wurde, machte mich ganz und gar nicht betreten; ich kannte den Charakter meines Nebenbuhlers schon zu gut. Daher bat ich den Überbringer, Bragwell zu sagen, ich wäre so glücklich, die Einwilligung der Miß zu haben, und bekümmerte mich daher nicht um die seinige. Zugleich bat ich den Boten, künftig nicht mehr solche unverschämte Aufträge an mich auszurichten.

Meine Partnerin stellte sich etwas betroffen und schien sich nicht wenig zu wundern, daß sich Bragwell solche Freiheit gegen sie herausnähme, da sie zu dem Menschen doch nicht die geringste Beziehung habe. Ich nutzte diese Gelegenheit, meine Herzhaftigkeit an den Tag zu legen, und erbot mich, ihn für seinen Übermut zur Rechenschaft zu ziehen. Allein diesen Antrag lehnte sie unter dem Vorwande ab, mein Leben keiner Gefahr aussetzen zu wollen. Indessen ersah ich aus ihren funkelnden Augen, daß es ihr eben nicht unlieb sein würde, die Veranlassung eines Duells zu werden.

Diese Entdeckung gefiel mir ganz und gar nicht. Sie verriet dadurch nicht nur eine unverantwortliche Eitelkeit, sondern auch die barbarischste Gleichgültigkeit. Dessenungeachtet reizte mich ihr Vermögen, und ich beschloß, ihren Stolz dadurch zu befriedigen, daß ich ihretwegen mit Bragwell öffentlich Händel anfing, der, wie ich nur zu gut wußte, die Sache nicht auf das Äußerste treiben würde.

Indes wir tanzten, sah ich jenen fürchterlichen Nebenbuhler an einem Ende des Zimmers von einem Schwarm Schönlinge umgeben. Er sprach mit großer Heftigkeit zu ihnen und warf von Zeit zu Zeit manchen trotzigen Blick auf mich. Sofort mutmaßte ich den Inhalt seiner Unterredung und ging, sobald ich meine Dame auf ihren Platz zurückgeführt hatte, nach dem Ort hin, wo er stand.

Ich setzte meinen Hut in seiner Gegenwart kecklich auf und fragte ihn mit lauter Stimme, ob er mir etwas zu sagen habe. »Vorderhand nicht, Sir«, versetzte er mit einem verdrießlichen Ton und drehte sich um. »Nun gut«, erwiderte ich, »Sie wissen, wo ich immer anzutreffen bin.« Seine Gefährten starrten einander an, und ich begab mich zu meiner Tänzerin zurück, deren Gesicht bei meiner Annäherung vor Freude strahlte.

Unmittelbar darauf entstand ein Geflüster im Saal, und es richteten sich dann so viele Augen auf mich, daß ich vor Scham hätte mögen zu Boden sinken. Als der Ball zu Ende war, führte ich Melinde zu ihrem Wagen und würde mich wie ein echter französischer Galan hinten aufgestellt haben, um sie unterwegs vor Gewalttätigkeiten zu schützen, wenn sie nicht mein Anerbieten energisch abgelehnt hätte. Zugleich äußerte sie ihr Bedauern, daß kein Platz mehr in der Kutsche sei.

Den Nachmittag darauf machte ich mit Chatter, ihrer Erlaubnis zufolge, meine Aufwartung. Ihre Mutter, mit der sie zusammenwohnte, empfing mich sehr höflich. Es war eine ziemlich große Gesellschaft da, zumal junge Herren, nett gekleidet wie alle Anwesenden. Gleich nach dem Tee brachte man Spieltische. Ich hatte die Ehre, mit Melinde zu spielen, die mir in weniger als drei Stunden acht Guineen abnahm.

Ich war jedoch ganz wohl mit diesem Verlust zufrieden, weil ich dadurch eine gute Gelegenheit bekam, ihr indes Süßigkeiten vorzusagen, die immer noch willkommener sind, wenn sie vom guten Glück begleitet werden. Doch merkte ich – und das verdroß mich nicht wenig –, daß sie in ihrem Spiel nicht so ganz redlich zu Werke ging, und meine gute Meinung von ihrer Uneigennützigkeit und Delikatesse fing an zu sinken. Indessen entschloß ich mich, dies Benehmen zu nützen und sie meinerseits mit weniger Umständen zu behandeln. Daher rückte ich schärfer auf sie los, und als ich merkte, daß sie an dem starken Weihrauch, den ich ihr streute, kein Mißbehagen fand, machte ich ihr noch denselben Abend mit dürren Worten eine Liebeserklärung.

Die Miß nahm dies Geständnis mit großer Munterkeit auf und wollte daraus einen Scherz machen. Zugleich aber begegnete sie mir mit ausgezeichneter Gefälligkeit, so daß ich überzeugt war, ich hätte ihr Herz erobert, und mich für den glücklichsten Menschen unter der Sonne hielt. Durch diese schmeichlerischen Hoffnungen geschwellt, setzte ich mich nach dem Essen wieder zum Spiel nieder und ließ mir ganz ruhig noch zehn Guineen abnehmen. Es war schon spät, als ich mich beurlaubte, nachdem ich zuvor mit einer unbestimmten Einladung wiederzukommen beehrt worden war.

Als ich mich niedergelegt hatte, hinderten die Abenteuer dieses Tages mich am Schlaf. Unterweilen fand ich an der Hoffnung Behagen, ein artiges Weibchen mit zehntausend Pfund zu besitzen; dann aber fiel mir wieder Banters Schilderung von ihr ein, die, wenn ich ihr Betragen gegen mich damit verglich, nur zuviel Treffendes zu haben schien. Darüber versank ich in traurige Betrachtungen wegen des Aufwandes, den ich machte, und des wenigen Geldes, das ich hatte, diesen zu bestreiten, und das überdies nicht einmal mein war. Kurz, ich war ein Raub von Zweifeln und Beängstigungen, die mich den größten Teil der Nacht wach hielten.

Strap, mit dem ich zwei Tage lang nicht gesprochen hatte, fand sich den folgenden Morgen mit seinem Barbiergerät ein. Ich fragte ihn sogleich, wie ihm das Frauenzimmer gefallen hätte, das er mich zu Hampstead habe in den Wagen führen sehen. »Potzhunderttausend!« rief er, »das ist ein scharmantes Mädchen und hat was Ehrliches in die Milch zu brocken, wie ich gehört habe. Jammer und Schade, daß Sie nicht darauf bestanden, sie nach Hause zu bringen. Ich wollte wetten, sie hätt es Ihnen nicht abgeschlagen. Sie scheint mir ein recht munteres Dirnchen zu sein.«

»Jedes Ding hat seine Zeit«, versetzte ich. »Ihr müßt wissen, Strap, ich bin bis heute morgen um ein Uhr in ihrer Gesellschaft gewesen.« Kaum hatte ich diese Worte gesagt, als er im Zimmer herumsprang, mit den Fingern schnalzte und voller Freude schrie: »Nun haben wir's Ding beim rechten Zipfel! Ja, nun haben wir's!«

Ich gab ihm hierauf zu verstehen, er triumphiere zu schnell und es wären der Hindernisse mehr zu übersteigen, als er dächte. Sodann erzählte ich ihm, was mir Banter für eine Warnung gegeben hätte. Hierauf veränderte er die Farbe, schüttelte den Kopf und rief: »Bei dem Weiberzeuge ist nicht Treu noch Glauben!« Ich sagte ihm, ich wäre dessenungeachtet einen kühnen Streich auszuführen bereit, wiewohl ich voraussähe, daß er mich in große Kosten stürzen würde. Anbei verlangte ich von ihm, er möchte die Summe raten, die ich gestern nacht im Kartenspiel verloren hätte.

Er rieb sich das Kinn und beteuerte, er hätte solchen Abscheu vor Karten, daß ihm schon der bloße Name Angstschweiß auspreßte, weil er sich dabei immer des Geldfinders erinnerte. »Indessen«, setzte er hinzu, »haben Sie jetzt mit einem ganz anderen Schlage von Leuten zu tun. – Ich denke, wenn Sie vorigen Abend haben müssen recht Haare lassen, so werden Sie wohl wenigstens nicht unter zehn oder zwölf Schillingen durchgehuscht sein.«

Diese Einfalt wurmte mich. Ich hielt dafür, sie wäre nur vorgespiegelt, um mir wegen meiner Torheit einen Seitenhieb zu geben. Daher fragte ich ihn mit einiger Hitze, ob er denn glaube, daß ich den Abend in einem Keller mit Sänftenträgern oder Karrenschiebern zugebracht hätte. Zugleich entdeckte ich ihm, daß sich mein Verlust auf achtzehn Guineen beliefe.

Hogarths Stift würde nötig sein, um Straps Erstaunen und Bekümmernis über diese Nachricht zu schildern. Das Becken, worin er die Seife schlug, fiel ihm aus den Händen, und er blieb eine Zeitlang in dieser possierlichen Stellung unbeweglich. Der Mund stand weit offen, und die Augen quollen ihm gewaltig aus dem Kopf hervor.

Jedoch besann er sich auf meine höchst empfindliche Gemütsart und daß ich keinen Widerspruch vertragen konnte, deshalb schluckte er seinen Ärger hinunter und bemühte sich, wieder Fassung zu bekommen. In der Absicht erzwang er ein Lachen, das aber ganz weinerlich klang. Er nahm die Seifenkugel und die Bartschüssel, rieb mir mit jener tüchtig die Backen ein und goß mir diese über das Gesicht.

Ich stellte mich, als merkte ich seine Bestürzung nicht. Wie er sich wieder etwas erholt hatte, versicherte ich ihm, ich wäre bereit, ihm alle seine Sachen herauszugeben, sobald er es nur verlangte.

Dieser Antrag, der, wie er glaubte, auf Mißtrauen gegen seine Freundschaft zurückzuführen war, verdroß ihn sehr. Er bat, ich möchte ihm dergleichen nur nicht wieder sagen, wenn ich ihm nicht das Herz brechen wollte.

Die unveränderliche Freundschaft dieses gutmütigen Geschöpfs rührte mich sehr und flößte mir die lebhafteste Erkenntlichkeit ein. Der Entschluß, mein Glück zu machen, ward dadurch angespornt. Ich eilte, in einen Stand zu kommen, worin ich mich meinerseits großmütig gegen ihn beweisen könnte. Zu diesem Zweck suchte ich die Sache mit Melinde auf das schnellste durchzuführen. Ich wußte zu gut, daß nur noch wenige Abende wie der letzte es mir völlig unmöglich machen würden, diese oder eine andere vorteilhafte Liebschaft weiter fortzusetzen.

Indes ich mich mit Plänen beschäftigte, wie ich mich einzurichten habe, beehrte mich Banter mit einem Besuch und fragte mich nach dem Frühstück, wie ich den gestrigen Abend zugebracht hätte. »Auf eine recht angenehme Art in einem Privathause«, versetzte ich. – »Freilich verdienten Sie auch für den Preis, den Sie bezahlten, etwas ganz Vorzügliches«, antwortete er mit einem sarkastischen Lächeln. Ich stutzte über seine Anmerkung und stellte mich, als verstünde ich deren Bedeutung ganz und gar nicht.

»Still, still, lieber Random«, sagte er, »Sie haben es nicht nötig, mir aus einer stadtkundigen Sache ein Geheimnis zu machen. Es tut mir leid, daß der närrische Handel zwischen Ihnen und Bragwell so laut geworden ist. Seit der Zeit sind alle Klatscher und Störenfriede darauf aus, über Ihren Charakter und Ihre Umstände sich Licht zu verschaffen. Sie können sich nicht vorstellen, was für seltsame Vermutungen bereits auf Ihr Konto zirkulieren. Der eine hegt den Verdacht, Sie wären ein verkappter Jesuit, der andere hält Sie für einen Geschäftsträger des Prätendenten; ein dritter für einen Glückspilz von Spieler, weil niemand etwas von Ihrer Familie oder Ihrem Vermögen weiß; ein vierter endlich für einen irländischen Brautschatzjäger.«

Diese letzte Mutmaßung traf mich so sehr, daß ich, um meine Verwirrung zu verbergen, mich genötigt sah, ihn zu unterbrechen und gegen die Welt als gegen eine Bande »Neidharte und Hänse-in-allen-Gassen« loszuziehen, die keinen rechtlichen Menschen unangetastet und unbegeifert ließen.

Banter kehrte sich an diese Anrede nicht, sondern fuhr so fort: »Ich meinerseits weiß nicht, wer und was Sie sind, mag's auch nicht wissen. Soviel ist mir wohlbekannt, daß nur wenig Leute von ihrer Herkunft oder ihren Umständen ein Geheimnis machen, die davon etwas Vorteilhaftes zu sagen wissen. Meine Meinung ist daher, Sie haben sich aus einem Nichts durch Ihre Geschicklichkeit zu dem Stande emporgeschwungen, worin Sie sich jetzt befinden, und sind bemüht, sich durch eine vorteilhafte Heirat darin zu erhalten.«

Hierbei sah er mich unverwandten Auges an. Wie er wahrnahm, daß Schamröte meine Wangen überzog, rief er: »Nun bin ich in meiner Meinung bestärkt. Sehen Sie, Random, ich habe Ihren Plan weg und steh Ihnen dafür, er wird Ihnen nie gelingen. Sie sind zu ehrlich und kennen die Stadt zuwenig, um sich der Ränke zu bedienen, die zu Ihrem Gewerbe gehören, und die Verschwörungen zu entdecken, die gegen Sie werden gemacht werden. Außerdem sind Sie gar zu schamhaft. Wie in aller Welt, Sie wollen einen Glücksjäger vorstellen und haben noch nicht alle Scham abgelegt? Vielleicht sind Sie durch Ihre Verdienste berechtigt – und ich halte dafür, Sie sind es –, Ansprüche auf ein reicheres und besseres Frauenzimmer zu machen als Melinde. Aber auf mein Wort, die gewinnen Sie auf eine solche Art nicht. Sind Sie aber doch glücklich, sie davonzutragen, so werden Sie mit jenem sagen: ›Verlust war das fürwahr, was ich gewann.‹ Sie wird es sich äußerst angelegen sein lassen, Ihr Geld durchzubringen, und Ihnen durch ihre Ausschweifungen in kurzem die Schwindsucht an den Hals ärgern.«

Diese Rede beunruhigte mich; mich verdroß seine Dreistigkeit; ich äußerte ihm darüber mein Mißvergnügen und sagte, er irre sich in betreff meiner Absichten. Zugleich bat ich ihn, mir zu verstatten, daß ich mein Benehmen nach meinem eigenen Gutdünken einrichten dürfte.

Banter entschuldigte sich jetzt, daß er sich einer solchen Freiheit gegen mich bedient habe, und spiegelte mir vor, bloß seine warme Freundschaft für mich habe ihn dazu vermocht. Um mir von dieser einen unwiderleglichen Beweis zu geben, ersuchte er mich, ihm fünf Guineen zu leihen, wobei er versicherte, es wären nur wenig Leute in der Welt, die er so großen Zutrauens würdige.

Ich gab ihm das Geld und versicherte ihm dabei, ich sei von seiner aufrichtigen Zuneigung nunmehr so stark überzeugt, daß er nicht mehr nötig habe, mir davon so außerordentliche Proben zu geben. »Erst dacht ich«, fuhr er fort, »Sie noch um fünf Stück zu bitten; da ich aber hörte, Sie wären gestern abend um achtzehn Guineen geprellt worden, so vermutete ich, Sie möchten nicht allzu stark bei Kasse sein, deshalb beschloß ich, meine Bitte danach einzurichten.«

Das kavaliermäßige Benehmen dieses Stutzers sowie seine Rede setzten mich in Verwunderung, und ich verlangte zu wissen, warum er gesagt habe, ich sei geprellt worden. Darauf erzählte er mir, ihm wäre auf dem Wege nach meinem Logis Tom Tossle begegnet, der mit von der Abendgesellschaft gewesen sei. Dieser habe ihm von allem umständliche Nachricht gegeben, ja sogar die Artigkeiten wiederholt, die ich Melinde gesagt und die er nun in der ganzen Stadt herumtragen wolle. Unter anderem habe er ihm versichert, die junge Dame habe mich mit so geringer Kunst angeführt, daß man ein Neuling sein müsse, um davon nichts zu merken.

Der Gedanke, der Gegenstand des Spottes aller Narren zu werden und noch obendrein mein Geld verloren zu haben, war mir äußerst empfindlich. Indessen machte ich eine Tugend aus meinem Unwillen und schwor, daß niemand ungestraft Melindes Charakter anschwärzen oder mein Benehmen lächerlich machen solle.

Banter versetzte darauf ganz trocken, ich würde finden, daß es eine herkulische Arbeit wäre, jeden zu züchtigen, der sich auf meine Kosten lustig machte. Was Melinde anlangte, so sähe er gar nicht ein, wie ihr das, woran man ihr schuld gäbe, nachteilig werden könnte. Leute von Ton pflegten Falschspielerei ganz und gar nicht für etwas Schimpfliches, sondern vielmehr für ehrenvolle Beweise eines erhabenen Genies und einer vorzüglichen Geschicklichkeit anzusehen. »Doch«, schloß er, »lassen Sie uns davon abbrechen, ins Kaffeehaus gehen und eine kleine Tischgesellschaft zusammentrommeln.« Ich war ebenso geneigt, dieses Thema fahrenzulassen, als er gewesen war, es aufs Tapet zu bringen; deshalb begleitete ich ihn, wohin er vorgeschlagen hatte.


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