Tobias Smollett
Die Abenteuer des Roderick Random
Tobias Smollett

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Elftes Kapitel

Beschreibung der auf der Landkutsche befindlichen Passagiere. Ein Quiproquo von Strap im Wirtshause

 

Wir wanderten wohl eine halbe Meile, ohne ein Wort miteinander zu wechseln. Ich dachte an weiter nichts als an die Betrügereien der Welt, denen man täglich ausgesetzt ist, und an meine Barschaft, die merklich zu schmelzen begann. Endlich konnte es Strap nicht länger aushalten, und er redete mich folgendermaßen an: »Jaja, wenn man Narren zu Markte schickt, löst der Krämer Geld! Wär's nach mir gegangen, so hätte der alte Leuteschinder eher sollen des Teufels werden als einen Farthing mehr als ein Drittel von seiner Forderung kriegen. Ein sicheres Zeichen, daß es Euch gar nicht sauer geworden, Euer Geld zu verdienen, da Ihr's so wegschmeißt. Ach, du lieber Gott! wie manchen borstigen Bart hab ich heruntermähen müssen, eh ich vier Schillinge, drei und einen halben Pence verdient habe. Das ist nun alles vor die Hunde gegangen. Wie manchen lieben langen Tag hab ich Haare dressiert, bis mir die Zehen ganz verklammt waren, die Finger den Krampf gekriegt hatten und die Nase so blau war wie die Perücke auf dem Schilde über unserer Tür. Was, zum Henker! wovor war Euch denn bange? Ich hätt mich mit den Kerlen, die hereinkamen, für eine Guinee herumgeboxt. Ich hab's schon mit ganz andern Burschen aufgenommen.«

Und in der Tat hätte sich mein Gefährte mit jedem geschlagen, sobald er nur sein Leben nicht in Gefahr sah; allein gegen Schießgewehr und alle Werkzeuge des Todes hatte er die unüberwindlichste Abneigung. Um ihn zu beruhigen, versicherte ich ihm, daß von dieser außerordentlichen Ausgabe nichts auf seine Kappe fallen solle. Darüber ward er sehr empfindlich und äußerte, er müsse mir nur sagen, wenn er gleich weiter nichts als ein armer Barbiergesell wäre, so ließe er sich doch nicht lumpen, mit dem besten Squire im ganzen Lande sein Geld auszugeben.

Wir waren den ganzen Tag tüchtig fortgeschritten und nirgends eingekehrt; daher entdeckten wir zu unserer unbeschreiblichen Freude am Abend die Landkutsche ungefähr eine Viertelmeile von uns. Als wir sie erreichten, waren wir beide so von Kräften, daß ich fest überzeugt bin, wir würden nicht imstande gewesen sein, noch eine Meile zu machen. Sonach wurden wir mit dem Fuhrknecht, der Joey hieß, einig, daß er uns für einen Schilling bis zur nächsten Station mitnehmen sollte; dort würden wir den Eigentümer der Landkutsche finden, mit dem wir den übrigen Teil der Reise bedingen könnten.

Die Landkutsche hielt demzufolge still. Joey setzte die Leiter an, und Strap machte sich zuerst, mit unserer Bagage beladen, hinauf. Allein als er eben einsteigen wollte, bestürmte eine fürchterliche Stimme seine Ohren mit dem Zuruf: »Daß dich tausend Donnerwetter! Hier soll kein Passagier weiter herein!« Dieser Ausruf, der mir und meinem armen Kameraden aus einer Riesenkehle zu kommen schien, machte letzteren so bestürzt, daß er blitzschnell und kreideweiß wieder heruntereilte.

Joey, der unsere Betroffenheit wahrnahm, rief mit einem schalkischen Lächeln: »Potz Blitz! Herr Kapitän, warum wollt Ihr nicht zugeben, daß ein armer Fuhrmann einen Penny verdient? Kommt nur, junger Mann, steigt auf, steigt auf, kehrt Euch nicht an den Kapitän. Ihr werdet doch vor einem Kapitän nicht bange sein.«

Dies war für Strap noch nicht Aufmunterung genug. Man konnte ihn nicht bewegen, daß er sich von neuem hinaufwagte. Nun unternahm ich es, doch mit bebendem Herzen. Sogleich hörte ich dieselbe Stimme wie einen fernen Donner brüllen: »Alle Schock tausend Teufel in der Hölle sollen mich strafen, wo Ihr das nicht bereuen sollt!« Dessenungeachtet kroch ich hinein. Zufälligerweise fand ich einen leeren Platz im Stroh. Ich nahm ihn sogleich in Beschlag, ohne in der Dunkelheit imstande zu sein, die Gesichter unserer Reisegesellschaft zu unterscheiden.

Strap, der mir mit dem Quersack auf den Schultern folgte, geriet auf die andere Seite. Durch einen Stoß der Landkutsche kam er gerade auf den Bauch des Kapitäns zu liegen. »Donner und Wetter!« hob dieser nun in dem fürchterlichsten Ton zu brüllen an. »Wo ist mein Degen?« Bei den Worten sprang mein Gefährte voller Furcht auf und fiel so gewaltig auf mich, daß ich dachte, er wäre der vermeinte Enakssohn, der willens sei, mich totzudrücken.

»Gott behüte, was gibt's denn, mein Kind?« kreischte indes eine weibliche Stimme. »Was es gibt?« entgegnete der Hauptmann. »Ich will verdammt sein, wenn der verfluchte Schotte mir mit seinem Buckel nicht die Gedärme zu Mus zerquetscht hat.« Strap zitterte während der Zeit an meinem Rücken, bat ihn um Verzeihung und schob die Schuld auf den Wagen, der gar zu arg würfe.

»Es ist unsere eigene Schuld, mein Lieber«, fing die vorerwähnte Dame an,«daß wir solche Unannehmlichkeiten erleben. Ich danke Gott, daß ich sonst noch niemals so gereist bin. Wenn Mylady und Sir John wüßten, wo wir sind, ich bin überzeugt, sie täten die Nacht vor lauter Angst kein Auge zu. Ich wünschte wahrhaftigen Gottes, wir hätten um eine Karosse geschrieben. Sie werden es uns niemals verzeihen.«

»Laß gut sein, meine Teure«, versetzte der Hauptmann, »laß gut sein. Wir wollen uns nicht weiter ärgern, es kann doch zu nichts helfen. Wir wollen darüber lachen als über einen rechten Spaß. Ich hoffe, Ihre Gesundheit soll darunter nicht leiden. – Mylord, denk ich, wird es viel Vergnügen machen, wenn ich ihm unsere Abenteuer auf der Diligence erzähle.« Diese Reden gaben mir von dem Hauptmann und von dessen Gemahlin einen so hohen Begriff, daß ich es nicht wagte, mich in ihr Gespräch zu mischen. Allein unmittelbar darauf ließ sich eine andere weibliche Stimme folgendergestalt hören: »Gewisse Leute geben sich ganz unnötig ein großes Air! Viel bessere Personen sind wohl mit einer solchen Gelegenheit wie dieser gereist. Es sind hier Leute darauf, die in Kutschen und Kaleschen gefahren sind, mit drei Bedienten hintenauf, ohne soviel Spektakel darüber zu machen. Und was ist es denn mehr? Wir leben jetzt alle auf einem Fuß, darum wollen wir fröhlich und gesellig sein. Was sagt Ihr dazu, Isaak? Ist der Vorschlag nicht gut, du mürrischer Kauz? So sprich doch, du alter Hundertprozenthengst! An was für mißliche Schulden oder Pfänder denkt Ihr? Isaak, wenn Ihr nicht anders werdet, bin ich Euch nie gut. Ihr müßt ehrlich werden und wie ein Gentleman leben. Derweil gib mir einen Schmatz, du alter Knicker!«

Diese Worte begleitete ein herzlich tönender Kuß, der die Person, die ihn empfing, dermaßen munter machte, daß sie mit viel Entzücken, doch mit stotternder Stimme rief: »Ach, du närrische Blitzkröte! Bei meinem Kredit, du bist ein recht loses Ding! Hehehehe!« Dies Lachen zog einen Anfall von Husten hinter sich her, der den armen Wucherer (denn dieses Metier betrieb unser Reisegefährte, wie wir nachher erfuhren) beinahe erstickt hätte.

Um die Zeit fiel ich in einen sanften, erquickenden Schlaf, und der dauerte in einem Strich fort, bis vor das Wirtshaus, wo wir einkehren wollten. Ich war der erste herunter und hatte so bequeme Gelegenheit, die Gesellschaft in Augenschein zu nehmen, so wie sie nach und nach sich präsentierte. Die erste Person war ein flinkes, lüftiges Mädchen, höchstens von zwanzig Jahren. Statt einer Haube trug sie einen Hut mit silbernen Tressen, ein blaues Reitkleid, ebenfalls mit Tressen, aber sehr verschossen, und in der Hand eine Gerte.

Hinter ihr her hinkte ein alter Mann mit einer gestrickten Schlafmütze, die unter dem Kinn zugeknöpft war, und mit einem breitrandigen Schlapphut darüber. Er hatte sich einen alten garstigen Mantel um den Hals gebunden, unter dem ein brauner Überrock hervorguckte, der einen verschlissenen Rock und eine abgetragene Weste und, wie wir nachher bemerkten, noch eine schmutzige flanellne Jacke bedeckte. Seine Augen waren eingefallen, rot und triefend; sein Gesicht voll tausend Runzeln und Falten, seine Kinnladen von allen Zähnen entblößt; seine Nase spitz und welk; sein Kinn so hervorspringend, daß, wenn er mummelte oder sprach, Nase und Kinn aneinanderklappten wie bei einem Nußknacker. Er stützte sich auf ein Rohr mit einem elfenbeinernen Knopf, und seine ganze Figur war ein genaues Bild des Winters, Hungers und Geizes.

Wie erstaunte ich, als ich nun den furchtbaren Hauptmann hervortreten sah. Es war ein kleines, mageres Geschöpf von ungefähr vierzig Jahren, mit einem langen verwelkten Gesicht, das ziemlich pavianmäßig aussah und aus dessen oberem Teil ein Paar winzige graue Äugelchen hervorguckten. Er trug sein eigenes Haar in einem Zopf, der bis an das Kreuz reichte. Diese übermäßige Länge, glaube ich, war an der Kahlheit schuld, die sich auf dem Wirbel seines Hauptes offenbarte, wenn er seinen Hut abzunehmen geruhte, der fast wie der Hahn einer Pistole gestaltet war.

Als er seinen Überrock abgelegt hatte, konnte ich nicht umhin, die außerordentliche Gestalt dieses Kriegsmannes zu bewundern. Er war ungefähr fünf Fuß und drei Zoll hoch; sechzehn Zoll machten sein Gesicht und sein langer knöcherner Hals aus, seine Schenkel ungefähr sechs Zoll; seine Beine glichen Spindeln oder Trommelstöcken und waren dreieinhalb Fuß lang, und sein Körper, der mich an eine Ausdehnung ohne Substanz gemahnte, nahm das übrige weg. Mithin sah das Ganze wie eine aufgerichtete Spinne oder ein Grashüpfer aus und war beinahe Vox et praeterea nihil.

Seine Kleidung bestand aus einem Frack von sogenanntem Bärenhäuterzeuge, wovon die Schöße fast einen halben Fuß lang waren, einem Husarenwestchen und scharlachnen Beinkleidern, die nur bis zur Hälfte der Lenden reichten, grobwollnen Strümpfen, die beinahe bis zum Gurt aufgerollt waren, und Schuhen mit hölzernen, wenigstens zwei Zoll hohen Absätzen. In der einen Hand hatte er einen Degen, der fast so lang wie er selbst war, und an der andern seine Frau. Sie schien in seinen Jahren zu sein und hatte noch einige Überreste weiblicher Reize; allein ihre Manieren waren so lächerlich affektiert, daß ich in ihr, wenn ich weniger Neuling in der Welt gewesen wäre, gar leicht den Bettelstolz und die nachgeäfften Airs der Kammerfrau einer vornehmen Dame erkannt haben würde.

Als wir alle in der Küche versammelt waren, verlangte der Hauptmann Weazel (so hieß er) ein geheiztes Zimmer für sich und seine Gemahlin. Sie wollten auf demselben allein speisen, sagte er zum Wirt. Dieser versetzte, mit einem leeren Zimmer für sie allein könne er nicht dienen, und was das Essen beträfe, so habe er ohne Unterschied der Personen für die Passagiere auf der Landkutsche zurichten lassen; wisse er es aber bei den übrigen dahin zu bringen, daß er sich ein paar Schüsseln aussuchen dürfe, so ließe er es sich herzlich gern gefallen.

Kaum war dieser Vorschlag gemacht worden, so wandten wir uns alle einstimmig dagegen, und Miß Jenny, unser anderer weiblicher Reisegefährte, machte die Anmerkung, wenn Kapitän Weazel und seine Frau allein speisen wollten, so könnten sie so lange warten, bis wir abgegessen hätten. Darauf setzte der Hauptmann ein martialisches Gesicht auf und sah trotzig-sauer aus, doch sagte er kein Wort; seine Ehegenossin hingegen warf verächtlich die Nase in die Höhe und murmelte etwas von Kreatur. Als Miß Jenny dies hörte, ging sie auf sie zu und sagte: »Ich bitte mir's aus, Mistreß Abigail – keine von den Titulaturen, die Ihr zukommen! Eine Kreatur! Ei seht doch! Ich versichere Ihnen, keine solche Kreatur wie Sie! Keine solche Beutelfegerin, solche vornehme Gelegenheitsmacherin!«

Der Hauptmann (sich einmengend): »Gott verdamme mich, Mamsell, was wollen Sie damit sagen?«

Jenny: »Gott verdamme Euch, Sir! Wer seid Ihr? Wer hat Euch zum Kapitän gemacht? Ihr elender Schäker Ihr, Ihr Tellerlecker, Ihr kupplerischer Haarkräusler! Zum Henker, wenn mehr solche Burschen wie Ihr Offiziersstellen kriegen, so sieht's gar fein mit der Armee aus. Ihr denkt wohl, ich kenne Euch nicht mehr? Ihr und Eure Ehehälfte paßt gut füreinander. Eine abgedankte Mätresse und ein kahler Kammerdiener, ein ganz allerliebstes Pärchen!«

Der Hauptmann (schreiend): »Blitz und Donner! Mamsell, ziehen Sie etwa die Ehre meiner Frau in Zweifel? Höll und Verdammnis! Keine Mannsperson in ganz England sollte sich unterstehen dürfen, das zu sagen, ich haute ihn ja zum Frikassee zusammen. Potz Kreuzbataillon noch 'n mal! Ich speiste seine Leber zum Abendessen.«

Mit diesen Worten zog er den Degen und schwenkte ihn im Kreise herum. Strap erschrak davor ganz gewaltig, Miß Jenny aber schlug ein Schnippchen und sagte, sie machte sich aus seinem Zorn nicht einen Pfifferling. Mitten in diesem Disput erhob sich der Eigentümer der Landkutsche. Er hatte die Veranlassung desselben vernommen, und ihm war bange, der Hauptmann mit seiner Frau möchten so erzürnt werden, daß sie sein Fuhrwerk verließen. Daher gab er sich die ersinnlichste Mühe, die Sache wieder ins reine zu bringen. Endlich gelang es ihm, und wir setzten uns alle zum Abendbrot nieder.

Als es Schlafenszeit war, wies man jedem von uns seine Stube an. Der alte Wucherer, Strap und ich bekamen ein Gemach und der Hauptmann, seine Frau und Miß Jenny ein anderes. Um Mitternacht erhob sich ein Aufruhr in meines Reisegefährten Eingeweiden; er stand auf und ging hinaus. Bei seiner Zurückkunft nahm er eine Tür für die andere und kam in Weazels Zimmer. Ohne alles Bedenken stieg er zu dessen Frau ins Bett, die im festen Schlafe lag.

Der Hauptmann suchte in der anderen Ecke des Schlafgemaches nach einem leeren Nachttopf, weil der seinige leck war. Er hatte darum Strap nicht hereinkommen hören. Wie er ein Erleichterungsgefäß gefunden, kehrte er wieder zu seinem Bette zurück. Kaum aber hatte er einen rauhen Kopf mit einer baumwollnen Nachtmütze gefühlt, als er auf die Gedanken kam, er sei aus Versehen zum Bette der Miß Jenny statt zu dem seinigen gekommen und der Kopf gehöre einem Galan, den sie zu sich bestellt habe. Voll von der Vermutung und über diese Prostituierung seines Schlafgemachs entrüstet, hob er das Geschirr auf, das er eben erst angefüllt hatte, und leerte es mit eins über den erstaunten Barbier und seine eigene Frau aus.

Diese erwachte in dem Augenblick und begann ein klägliches Geschrei. Der Mann wurde dadurch nicht nur über die Maßen bestürzt, sondern der arme Strap verlor vor Schreck fast den Verstand. Er hielt sich wirklich für behext, zumal da der aufgebrachte Hauptmann ihn bei der Gurgel ergriff und mit einer Ladung Flüchen fragte, woher er so frech sein und sich unterstehen könne, die Keuschheit seiner Gemahlin anzutasten? Der unglückliche junge Mann war so betroffen und angedonnert, daß er weiter nichts als die Worte hervorbringen konnte: »Ich nehme den Himmel zum Zeugen, daß sie für mich noch die reinste Jungfer ist.«

Mistreß Weazel war rasend, sich durch die Übereilung ihres Mannes in einem solchen Pökel zu befinden. Sie sprang in ihrem Hemd auf und bearbeitete mit dem Absatz ihres Schuhes, den sie neben dem Bette fand, den Glatzkopf ihres Eheherrn dermaßen, daß er endlich überlaut »Mörder!« brüllte.

»Ich will Euch lehren, Eure Stinktöpfe über mich ausgießen, Ihr elender Narr, Ihr Phantast Ihr!« rief sie dabei. »Ich glaube gar, Ihr seid eifersüchtig, Ihr Strohmann Ihr? Hab ich mich darum bis zu Euch heruntergelassen, Ihr Kerl ohne Saft und Kraft! Ihr dürres Scheit Holz, Ihr veritabler Perückenstock Ihr!«

Der Lärm, den dies Abenteuer veranlaßte, hatte den Eigentümer der Landkutsche und mich schon an die Stubentür gebracht. Wir hörten beiderseits mit großem Vergnügen zu. Mittlerweile wurden wir durch lautes Geschrei von Mord und Notzucht erschreckt, das Miß Jenny mit aller Macht ihrer Lungen ausstieß. »O Ihr abscheulicher, vermaledeiter alter Schuft Ihr!« rief sie, »wollt Ihr mir meine Tugend rauben? – Aber Ihr sollt mir dafür büßen, Ihr alter Bock! – Ich will . . . Helft! helft! um's Himmels willen, helft! – Man will mich schänden, unglücklich machen! Hilfe! Hilfe!«

Einige von den Aufwärtern des Wirtshauses hörten dies Gekreisch und stürzten mit Lichtern und Waffen hinzu, die ihnen das Ungefähr in die Hände gab. Jetzt erblickten wir einen sehr lustigen Auftritt. In der einen Ecke stand der Hauptmann zitternd und bebend in einem ganz in Stücke zerrissenen Hemd. Das Gesicht, welches von seiner Frau über und über zerkratzt war, sah erbärmlich aus. Seine Gemahlin, die inzwischen die Bettdecke um sich geschlagen hatte, saß schluchzend auf dem Rande ihres Bettes. Am andern Ende des Zimmers lag der alte Wucherer längelang über das Bett der Miß Jenny ausgestreckt. Über seinem Hemd hatte er ein flanellnes Wams, und seine lohfarbnen, spindelförmigen Lenden lagen frank und blank jedem zum Anschauen da, wer dazu Belieben trug. Die benotdrängte Jungfrau hielt ihn an beiden Ohren fest und belud ihn mit Verwünschungen.

Wie wir sie fragten, was es gäbe, stellte sie sich, als ob sie weinte, und erzählte uns, ihr wäre bange, dieser schändliche, ruchlose Bube habe ihr im Schlafe die Ehre geraubt, und bat uns, von dem, was wir gesehen hätten, nichts zu vergessen, um gegen ihn als Zeugen dienen zu können. Der arme Wicht war mehr tot als lebendig und bat uns um seine Befreiung. Kaum hatten wir ihm diese Gunst gewährt, so beteuerte er, jenes Geschöpf wäre keine Frauensperson, sondern ein eingefleischter Teufel. Erst habe sie sein Fleisch und Blut rebellisch gemacht und dann ihn gar schändlich verraten.

»Ja, du Basilisk«, fuhr er fort, »kannst es nicht leugnen, daß du mir den Fallstrick gelegt hast! Aber es soll dir nicht gelingen. Ich will mich eher hängen lassen als dir einen Farthing geben.« So sagte er und kroch mit vielem Ächzen nach seinem Bett.

Nunmehr näherten wir uns dem Hauptmann. »Meine Herren«, sagte dieser, »es ist hier ein verdammter Irrtum vorgefallen. Aber ich will mich auf Ehre an dem rächen, der daran schuld ist. Dem Schotten, der den Quersack trägt, werd ich, so wahr ich Weazel heiße, das Lebenslicht morgen am Tage auslöschen. – Tausendmal um Verzeihung, meine Teure! Sie können sich leicht vorstellen, daß ich gar nicht willens gewesen bin, Sie nur im geringsten zu beleidigen.« – »Ich weiß nicht, was Sie gesonnen gewesen sind«, versetzte sie seufzend, »aber das weiß ich wohl, es fehlt nur wenig, daß ich nicht den Tod davon bekommen habe.«

Endlich wurden sie beide ausgesöhnt. Der Frau wurde ein Teil von Miß Jennys Bett angeboten, da ihr eigenes überschwemmt war, und der Eigentümer der Landkutsche lud Weazel ein, den übrigen Teil der Nacht auf seinem Lager zuzubringen. Ich begab mich nach dem meinigen, wo ich Strap noch in Todesangst fand. Er hatte sich im Finstern während der Zeit weggestohlen, als der Hauptmann und dessen Gemahlin im Handgemenge waren.


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