Tobias Smollett
Die Abenteuer des Roderick Random
Tobias Smollett

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Neunundvierzigstes Kapitel

Ein höchst seltsamer Zweikampf. Ich trage Melinde die Heirat an, werde an ihre Mutter verwiesen und erhalte von der einen Korb

 

Den folgenden Tag, als ich im Begriff war auszugehen, brachte mir Strap einen Brief mit der Aufschrift: ›An den hochwohlgeborenen Herrn Random zu gelangen‹. Als ich ihn geöffnet hatte, fand ich, daß es eine Herausforderung sei, die auf folgende sonderbare Art abgefaßt war:

›Sir!

Ich habe vernommen, daß Sie sich um die Miß Melinde Goosetrap bewerben; dieserhalb tue ich Ihnen hiermit kund, daß sich dieselbe mir versprochen hat. Während Sie diese Zeilen lesen, erwarte ich Sie hinter dem Montaguehause, mit ein paar guten Pistolen versehen. Dort soll – wenn Sie dieser Einladung folgen – Ihre Zunge mir bekennen müssen – wenn Ihrem Körper der Atem entgangen sein wird –, daß Sie des Besitzes dieses Frauenzimmers weniger würdig sind als

Ihr Rourk Oregan.‹

Der Stil und die Unterschrift dieses Billetts ließen mich mutmaßen, daß mein Nebenbuhler ein echter irischer Ritter sei. Der Inhalt beunruhigte mich nicht wenig, die Stelle zumal, wo er sein Recht auf meine Gebieterin einem feierlichen Versprechen von ihrer Seite zuschrieb – ein Umstand, den ich mit ihrer Vernunft und ihrer Einsicht nicht zusammenzureimen vermochte.

Indessen konnte ich die Herausforderung nicht ablehnen, da der Erfolg meiner Bewerbungen um die junge Dame großenteils von meinem Benehmen in dieser Sache abhing. Deshalb lud ich unmittelbar meine Pistolen und begab mich in einer Mietskutsche nach dem angewiesenen Ort.

Dort traf ich einen langen, hageren, aber starkknochigen Mann mit einem buschigen, schwarzen Bart, von finsterer Physiognomie, der für sich allein spazierte. Er hatte sich in einen schäbigen Oberrock gehüllt, über den sein Haar, in einen ledernen Zopf geflochten, herunterhing. Seinen Kopf deckte ein schmieriger Hut, mit einer ganz verschlissenen silbernen Tresse besetzt. Kaum wurde er mich gewahr, als er ein Pistol aus dem Busen zog und es ohne weitere Vorrede auf mich abdrückte; zum Glück aber versagte es ihm.

Diese rauhe Bewillkommnungsart machte mich stutzig. Ich stand still, und ehe er sein zweites Pistol in schußfertigen Stand gesetzt hatte, feuerte ich eins der meinigen ab, doch ohne ihm einigen Schaden zu tun. Um die Zeit war er mit seiner Waffe in Ordnung. Allein sie blitzte ab. Darauf brüllte er in unverfälschtem Irländisch: »Feuer weg, mein Schatz! Feuer weg!« und begann, an seinem Feuerstein recht bedächtlich zu hämmern. Jedoch war ich entschlossen, den Vorteil, welchen das Glück mir in die Hände gab, zu benutzen. Daher ging ich, ohne mein Pistol abzulegen, auf ihn zu und sagte, er solle um sein Leben bitten oder sich zur Reise in die andere Welt anschicken.

Der stolze Irländer wollte sich dazu schlechterdings nicht verstehen und beklagte sich bitterlich, daß ich meinen Stand verlassen hätte, ehe er meinen Schuß habe erwidern können. Anbei verlangte er, ich sollte wieder an meinen Ort zurückkehren und ihm gleiche Möglichkeit mit mir lassen.

Ich bemühte mich, diesen Mann zu überzeugen, daß, da er bereits zwei Schüsse auf mich getan habe, es mir nun zukomme, ihn am dritten zu verhindern. Zugleich drang ich, weil ich dazu eine bequeme Gelegenheit hatte, darauf, mich mit ihm zu besprechen, und begehrte zu wissen, wer er sei und was ihn bewogen habe, mich herauszufordern, da ich, meines Erinnerns, ihm nie eine Beleidigung zugefügt noch ihn je zuvor gesehen hätte.

Er sagte mir, er sei von guter Herkunft und habe ein feines Vermögen gehabt, das nun verzehrt wäre. Da er gehört habe, Melinde sei eine Partie von zehntausend Pfund, so hätte er den Entschluß gefaßt, sich durch eine Heirat dieser Summe zu bemächtigen und auf eine ehrenvolle Art allen denen die Hälse zu brechen, die sich zwischen ihn und seine Hoffnung stellten. Ich fragte ihn, worauf er die denn gründe. Denn jetzt, da ich ihn sah, erstaunte ich noch mehr über das Versprechen, dessen er in seinem Brief erwähnte, und verlangte dies Rätsel von ihm gelöst zu wissen.

Mein Gegner gab mir zu verstehen, er verlasse sich bloß auf seine Geburt und seine persönlichen Verdienste. Zwar hätte er oft an Melinde geschrieben und ihr seine Ansprüche und Forderungen vorgelegt; allein sie sei weder so artig gewesen, ihm jemals darauf zu antworten, noch ihn zu sich einladen zu lassen. Das Versprechen, dessen sein Brief erwähne, habe er von seinem Freunde, Mister Gahagan, erhalten, der ihm versichert hätte, kein Frauenzimmer könne einem Mann von seiner Erscheinung widerstehen.

Ich konnte mich nicht erwehren, über die Einfalt meines Nebenbuhlers heftig zu lachen. Dieser schien an meiner Lustigkeit kein Behagen zu finden, sondern fing darüber an, sehr ernsthaft zu werden. Deshalb bemühte ich mich, ihn dadurch zu besänftigen, daß ich ihm auf Ehre versprach, seinen Bewerbungen um Melinde nicht im mindesten in den Weg zu treten, vielmehr ihn dieser Dame in dem günstigsten Lichte darzustellen, doch ohne der Wahrheit zu nahe zu treten. Er müsse sich aber nicht wundern, wenn sie dessenungeachtet blind gegen seine Verdienste bliebe. Nichts wäre launenhafter als ein Weib, und selten wäre Tugend allein hinlänglich, deren Neigung zu erobern.

Damit meine Erklärung desto besseren Eindruck machen möchte, wies ich auf seinen schlechten Anzug hin und bezeigte ihm mein Leidwesen, einen Mann von seiner Herkunft in einem solchen Zustande zu sehen. Dabei drückte ich ihm zwei Guineen in die Hand. Bei deren Anblick warf er seine Pistolen weg, schloß mich fest in seine Arme und rief: »Je du mein Gott! Sie sind der beste Freund, den ich seit sieben Jahren gefunden habe.«

Nachdem er mich einige Minuten umhalst hatte, verließ er mich, hob seine verrosteten Waffen auf und schwor, der Teufel solle ihn holen, wenn er mir jemals um eines Weibes willen ein Haar krümmen sollte.

Als dieser Zwist so freundschaftlich beigelegt war, bat ich um die Erlaubnis, seine Pistolen besehen zu dürfen. Sie waren so alt und unrein, daß ihr Versagen mir ein Glück für ihn gewesen zu sein schien. Denn die eine würde höchstwahrscheinlich beim Abschießen gesprungen und er dabei um seine Hand gekommen sein. Was mir aber von dem Charakter dieses Mannes den lebhaftesten Begriff gab, war die Entdeckung, daß die eine wohl ihre Vorladung, aber kein Pulver auf der Pfanne und die andere wohl dies, aber keine Vorladung hatte.

Auf dem Weg nach Hause äußerte ich gegen meinen neuen Freund das Verlangen, seine Geschichte zu erfahren. Er berichtete mir daher, er habe unter der kaiserlichen Armee als Freiwilliger gegen die Türken gedient. Wegen seines guten Verhaltens bei der Belagerung von Belgrad wäre er zum Fähnrich ernannt worden und in der Folge zum Leutnant. In diesem Posten habe er das Unglück gehabt, seinen Kapitän zu beleidigen. Dieser hätte ihn herausgefordert, und er habe die Flucht ergreifen müssen, weil er ihn im Zweikampf getötet habe. Er wäre darauf nach England gegangen und habe durch seine Freunde einige Jahre lang um einen Posten in der Armee Großbritanniens eifrig ansuchen lassen.

»Da dies aber von gar keinem Erfolge war«, fuhr er fort, »so gab mir mein Freund Gahagan den Rat, mein Glück durch eine vorteilhafte Heirat zu machen. Demzufolge näherte ich mich Melinde, und da ich von einem irländischen Bedienten im Hause hörte, Sie wären der von allen ihren Freiern, dem sie am geneigtesten wäre, so forderte ich Sie in der Hoffnung heraus, durch Ihren Tod das größte Hindernis meiner Wünsche aus dem Wege zu räumen. Nunmehr aber, da ich von Ihrer Ehrliebe und Ihrer Großmut überzeugt bin, schwör ich Ihnen bei der Heiligen Jungfrau, nicht mehr an das Mädel zu denken, und wenn auch kein anderes Frauensbild in der Welt sein sollte.«

Zum Beweise, daß er die Wahrheit gesprochen habe – woran ich doch gar nicht zweifelte –, öffnete er eine eiserne Schnupftabaksdose und zog daraus sein Patent als Leutnant in kaiserlichen Diensten und die Herausforderung des Kapitäns hervor, die er als Zeugnisse seines Charakters aufbewahrte.

Ich war von des armen Mannes Rechtschaffenheit sowohl als von seinem Mut so fest überzeugt, daß ich mir vornahm, mit einigen meiner Bekannten seinetwegen zu sprechen, damit diese seine Lage denen angelegentlich empfehlen möchten, die imstande wären, für ihn zu sorgen. Mittlerweile war ich darauf bedacht, ihn mit einigen Kleidern zu versehen, daß er anständiger erscheinen und sich in eigener Person zu bewerben imstande sein möchte.

Wie wir so in vertraulichem Gespräch fortgingen, kam eine Rotte Musketiere auf uns los, die Strap zum Anführer hatte. Kaum ward er uns gewahr, so rief er mit wildem Blick: »Greift sie! Um Gottes willen, greift sie!« Wir wurden sonach von den Soldaten umringt und ich von ihrem Chef, dem Korporal, gefangengenommen. Allein Oregan machte sich los und rannte nach der Heerstraße von Tottenham Court mit solcher Schnelligkeit, daß er uns in kurzem aus dem Gesichte kam.

Als ich meine Waffen abgegeben hatte und meine Person in Sicherheit war, wurde Strap ein wenig ruhiger und bat um Verzeihung, daß er sich solche Freiheit genommen habe. »Ich hoffe«, sagte er, »Sie werden dies um so mehr entschuldigen, da bloße Anhänglichkeit für Sie mich dazu vermocht hat.

Ich geriet«, fuhr er sodann fort, »auf den Verdacht, der Brief« – den übrigens der Verfasser selbst gebracht hatte – »enthielte etwas Außerordentliches. Sonach guckte ich durch das Schlüsselloch, um zu sehen, was Sie machen würden. Als ich Sie Ihre Pistolen laden sah, rannte ich nach Whitehall und bat mir vom wachthabenden Offizier einige von seinen Leuten aus, um Sie zu arretieren. Allein Sie waren vor meiner Zurückkunft schon weggefahren. Darauf erkundigte ich mich, welchen Weg der Wagen genommen; und als ich in Erfahrung brachte, die Duelle gingen gemeiniglich hinter dem Montaguehause vor, führt ich die Wache dahin. Und nun dank ich Gott, Sie frisch und munter angetroffen zu haben.«

Ich sagte ihm, diesmal wolle ich ihm vergeben, wozu ihn bloß freundschaftliche Teilnahme bewogen habe, allein ich warnte ihn dabei in sehr ernsthaften Ausdrücken, mich ja künftig nicht wieder auf die Art ins Gerede zu bringen. Dann wandte ich mich zum Korporal, dankte ihm für seine Bemühung und gab ihm eine Krone, sie mit seinen Leuten zu vertrinken. Anbei versicherte ich ihm, unser Renkontre sei schon vor seiner Ankunft vorbei und wir ausgeglichen gewesen, wie er auch aus unserem Betragen habe wahrnehmen können. Wolle er davon noch einen weiteren Beweis, so dürfe er nur meine Pistolen untersuchen, und er würde finden, daß die eine abgeschossen sei. Allein dieser Mann wollte weder sich noch mir diese Mühe machen, nahm mein Geschenk mit vielen Bücklingen und Danksagungen an, gab mir meine Pistolen wieder und setzte mich unmittelbar in Freiheit.

Er war noch nicht hundert Schritte fort, als mein Freund Oregan mit ein paar Erzvogelscheuchen, der Kleidung nach, zu meinem Entsatze herbeikam, die er in der Gegend von Sankt Giles aufgerafft hatte. Der eine war mit einer Muskete ohne Schloß, der andere aber mit einem verrosteten, breiten Degen bewaffnet; allein ihr Anzug übertraf jede Beschreibung.

Als der kaiserliche Exleutnant vernahm, daß ich wieder frei sei, erklärte er mir die Ursache seiner schnellen Flucht und stellte mir sodann seine beiden Gefährten vor. Der eine war, wie er mir sagte, ein Rechtskonsulent namens Fitz-Clabber, dem man eben damals aufgegeben hatte, eine Geschichte der Könige von Munster aus irländischen Handschriften zusammenzutragen, und der andere sein Freund Gahagan, ein großer Politiker und tiefer Philosoph, der schon manches vortreffliche Projekt zum Besten seines Vaterlandes ausgearbeitet hatte. Allein, wie es schien, waren diese Gelehrten für ihre Geistesarbeiten gar schlecht belohnt worden; denn alle beide hatten sowenig ein ganzes Hemd als ein vollständiges Paar Beinkleider.

Ich dankte ihnen für ihre Bereitwilligkeit, mir beizustehen, sehr höflich; und nachdem ich ihnen meine Gegendienste angeboten hatte, wünschte ich ihnen einen guten Morgen und bat Oregan, mich nach Hause zu begleiten. Dort versah ich ihn aus meiner Garderobe mit anständigen Kleidern, die ihm so gut paßten und so viel Vergnügen machten, daß er mir ewige Dankbarkeit und Freundschaft schwor und mir auf mein Ersuchen alle seine Schicksale erzählte.

Den Nachmittag machte ich Melinde meine Aufwartung, die mich sehr höflich und ungezwungen empfing. Sie lachte herzlich über mein Abenteuer mit dem Irländer, dessen Wünsche ihr nicht unbekannt waren, da sie mehr als ein halbes Dutzend Liebesbriefe von ihm in Händen hatte, die sie mir zum Zeitvertreib zu lesen gab.

Nachdem wir uns auf Kosten diese armen Verehrers lustig gemacht, nahm ich die Gelegenheit wahr, da die Mutter sich auf einige Zeit entfernt hatte, und brachte meine Leidenschaft gegen sie zur Sprache. Ich schilderte sie ihr mit all dem Feuer und der Beredsamkeit, deren ich nur fähig war; ich schmeichelte, seufzte, tat Schwüre, flehte auf das dringendste – kurz, ich beging tausend Überspanntheiten, in der Hoffnung, einigen Eindruck auf ihr Herz zu machen. Allein sie hörte alles, was ich ihr sagte, an, ohne die mindeste Gemütsbewegung merken zu lassen; und ehe sie mich einer ernsthaften Antwort gewürdigt hatte, kam Gesellschaft. Nach dem Tee wurden, wie gewöhnlich, die Spieltische gebracht, und ich war so glücklich, Melindes Partner zu werden, wodurch ich, statt zu verlieren, fünf Guineen reinen Verdienst hatte.

Ich wurde bald mit vielen Leuten von gutem Ton bekannt und brachte meine Zeit in modischen Zerstreuungen zu, wie in Komödien, Opern, auf Maskenbällen, in Konzerten, Spielgesellschaften und Puppenspielen, und zwar hauptsächlich mit Melinde, der ich mit all der Emsigkeit und Beflissenheit, die mir meine Finanzspekulation und meine Erziehung als Pflicht auferlegten, den Hof machte. Ich ließ es weder an Aufmerksamkeit noch am Gelde fehlen, um ihrer Eitelkeit und ihrem Stolz zu frönen. Meine Nebenbuhler wurden eingeschüchtert, ja gar ausgestochen.

Bei all dem besorgte ich, dies teuere Geschöpf habe kein Herz mehr zu verlieren.

Zuletzt sah ich ein, daß ich nicht mehr imstande sein würde, die Kosten dieser Liebschaft länger zu bestreiten; deshalb beschloß ich, die Sache zu Ende zu bringen. Eines Abends daher, als wir ganz allein beisammen waren, beschwerte ich mich über ihre Gleichgültigkeit, beschrieb ihr mit Wärme die fürchterlichen Qualen der Ungewißheit, die mein liebesiecher Geist ausstehen müßte, und drang so ernstlich in sie, mir ihre Gedanken in Hinsicht auf den Ehestand und mich zu verraten, daß sie bei allen ihren Ränken einer deutlichen Erklärung nicht ausweichen konnte.

Mit ganz sorglosem Wesen versetzte sie nun, sie habe gegen meine Person nichts einzuwenden, und wäre ich imstande, ihrer Mutter über manches, worüber sie mich fragen würde, eine befriedigende Auskunft zu geben, so würde ich sie nicht ungeneigt finden, mir ihre Hand zu geben. Sie hätte den Entschluß gefaßt, in einer Sache von solchem Belange ohne den Rat und die Einwilligung ihrer Mutter nicht das geringste vorzunehmen.

Dies war gar keine behagliche Eröffnung für mich, der ich die Absicht gehabt hatte, erst ihre Neigung zu gewinnen und dann meine Eroberung durch eine heimliche Heirat sicherzustellen, wogegen sie, wie ich mir schmeichelte, nicht abgeneigt sein würde.

Doch um meine Sache nicht eher aufzugeben, als bis alle Hoffnung verloren war, machte ich der Mutter meine Aufwartung und hielt förmlich um ihre Tochter an. Die gute Frau, die sich sehr durch Lebensart auszeichnete, empfing mich mit vielem Gepränge und ungemeiner Höflichkeit und sagte, sie zweifelte nicht, daß ich in jeder Rücksicht eine Frau glücklich machen könne, allein als eine Mutter, der das Wohl ihrer Tochter am Herzen läge, müsse sie sich von meinen Glücksumständen unterrichten und fragen, was ich denn für meine Frau aussetzen wolle.

Hätte ich diese Erklärung nicht erwartet, so würde sie mich sehr außer Fassung gebracht haben; so aber erwiderte ich ohne Stocken, wiewohl ich kein allzu beträchtliches Vermögen hätte, so wäre ich doch von ansehnlicher Herkunft und Erziehung und auch imstande, meine Frau auf einem anständigen Fuße zu erhalten und ihr und ihren Kindern für immer ein gutes Wittum auszuwerfen. Die sorgsame Matrone schien an diesen Aufschlüssen kein sonderliches Behagen zu finden und merkte mit bedenklicher Gebärde an, es sei nicht nötig, ihrem Kinde etwas zu versichern, was ihm so bereits gehöre. Indessen könnte, wenn es mir gelegen wäre, ihr Anwalt mit dem meinigen über die Sache Rücksprache halten; unterdessen bat sie mich um die Gefälligkeit, ihr ein Verzeichnis von meinen Renten zur Durchsicht zuzustellen.

So betreten ich auch war, so konnte ich mich doch kaum erwehren, ihr bei dieser Zumutung gerade ins Gesicht zu lachen, weil sie eine bittere Satire auf meine Absichten enthielt. Ich gestand frank und frei, ich hätte keine Liegenschaften und wäre nicht eher imstande, die Summe, die ich besäße, genau anzugeben, als bis ich meine Angelegenheiten, die sich etwas verwickelt befänden, reguliert hätte. Doch würde ich Gelegenheit haben, sie darüber in kurzem zu befriedigen.

Nicht lange darauf nahm ich meinen Abschied und kehrte in sehr melancholischer Gemütsverfassung und in der vollen Überzeugung heim, daß von der Seite nichts mehr für mich zu erhoffen sei. Den folgenden Tag, als ich wieder hinging, um mich gegen die alte Dame völlig auszulassen, ward ich in jener Meinung bestätigt. Der Bediente sagte mir, weder die gnädige Frau noch das gnädige Fräulein wären zu Hause, wiewohl ich Melinde, als ich zur Tür hineinging, durch die Jalousien im Besuchszimmer gesehen hatte. Über diese Beschimpfung aufgebracht, erwiderte ich kein Wort, sondern ging fort und machte im Vorbeigehen Melinde eine Verbeugung, da sie, unstreitig in der Meinung, daß ich sie nicht wahrgenommen habe, ihre vorige Stellung behalten hatte.

Diese fehlgeschlagene Erwartung machte mich mehr Straps als meinetwegen unruhig, denn ich befand mich nicht in Gefahr, aus Liebe für Melinde zu sterben; vielmehr hatte während dieser Liebschaft das Andenken an meine reizende Narzissa mir beständig Gewissensvorwürfe verursacht; vielleicht war dieses sogar schuld, daß mein Projekt mißlang, weil es mich kälter in meinen Bewerbungen machte und mir meinen Plan als strafbar zeigte.

Jedoch mußte ich notwendig meinen Reisegefährten von allem unterrichten, was mir begegnet war. Diese Schuldigkeit erfüllte ich sonach, indem ich die übelste Laune annahm und ihm zuschwor, länger wolle ich nicht sein Packpferd sein, und von ihm verlangte, er solle die Verwaltung seiner Angelegenheit selbst wieder übernehmen. Diese List schlug an. Statt über das fehlgeschlagene Unternehmen zu murren, erschrak Strap über meinen vorgespiegelten Zorn ganz ausnehmend und bat um Gottes willen, ich möchte mich nur besänftigen. Zugleich machte er die Anmerkung, unser Verlust sei zwar groß, aber nicht unersetzlich; und wenn uns heute das Glück ›griesgramte‹, so könnte es uns morgen wieder ›zuschmunzeln‹.

Diese Tröstungen schienen mich zu beruhigen. Ich pries seine Gleichmütigkeit und versprach, aus dem Unfall Nutzen zu ziehen. Er seinerseits tat, als wäre er mit meinem Benehmen vollkommen zufrieden, und beschwor mich, in allen Stücken zu handeln, wie mir gut deuchte. Allein trotz dieser Selbstbeherrschung ward ich der Betrübnis seines Herzens inne, und sein Gesicht nahm von dem Tage an merklich an Länge zu.


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