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VIII

Der Juli näherte sich seinem Ende.

Die Äcker beim Spring Creek standen so schön, daß es eine Herzenslust war, sie anzuschauen. Jetzt waren Köpfe auf die langen Halme gekommen – Körner wölbten sich unter der Haut, lagen dicht gepackt in grünen Reihen. Mit jedem Tag wurden die Ähren schwerer, wiegten sich in der Brise und legten sich schräg, sobald sie nachließ ... Sie umschlossen soviel träumendes und verborgenes Leben, – Leben, das erwachen wollte.

Der Per Hansen führte sich wie ein wohlgebautes Boot zwischen Sturzseen: solange der Kiel noch stand, ging es mit ihm gut. – Er sah, wie die Frau jeden Abend das Fenster verhängte; es nagte an ihm; er war ängstlich um sie besorgt, bisweilen auch erbittert und sagte ihr's dann. Aber wenn er wieder anschaute, was da alles für ihn wuchs, auf den Wiesen wie auf dem Acker, an Vieh und an Menschen, dann ward er fröhlich und vergaß der Frau. – Er hatte mehr Ackerland als die meisten, und es war gar kein Zweifel, daß bei ihm alles am besten stand! – Die Beret, die Arme, war zwar bei weitem nicht so, wie ein gesunder Mensch sein muß; aber das war wohl alles nicht schlimmer, als daß es sich mit der Zeit einrenkte! – Ob er kurzerhand zugriff und sich schon zum Winter ein schickliches Haus schaffte ? Er mußte ohnehin einmal mit dem Königshof beginnen! Der Norweger in Worthington war ein braver Mann, der gab ihm schon Kredit, wenn er hübsch mit ihm sprach. Für das nächste Frühjahr plante er bei den Indianern einen großen Wurf, da wollte er ihnen ihr gesamtes Lager an Fellen abnehmen! – Und bekam er es fertig, den Königshof zu bauen, wie er ihn sich entworfen hatte, dann war es so gut wie ausgemacht, daß sie, die Beret, sich wieder erholte, – so ein vernünftiger Mensch wie die! –

Alles, was er dies Jahr gesät und gepflanzt hatte, blühte wie ein Garten; die Kartoffeln wuchsen, daß er es geradezu hören konnte. Jetzt kamen bereits jeden einzelnen Tag neue Kartoffeln auf den Tisch; bei den andern setzten sie gerade erst Blüten an. Auch der Hafer stand schön. Der Weizen aber setzte allem die Krone auf. Die Nachbarn, sowohl die vom östlichen Bachufer wie auch die andern, kamen, um den zu besichtigen und freuten sich über den Anblick; sogar die Iren. Die redeten viel und geschwind, was er nicht verstand. Aber sie freuten sich, das konnte er ihnen ansehen.

Und jetzt sparte sogar Tönset'n nicht mit Lob und Preis, weil der Per Hansen so vorbedacht gewesen, zeitig zu säen; jetzt konnten sie alles ›Reaping‹ Maschinenmähen. beim Per erledigen, bevor sie bei den andern anfangen mußten. Das Vollgefühl seiner Wichtigkeit taute dem Alten aus allen Ritzen. Selbstredend, daß es ihm oblag, alles Reaping für die Neusiedler zu besorgen! Den Solumbuben fiel die Aufgabe zu, den Neulingen jenen Handgriff beim Garbenbinden beizubringen. Hier war, meiner Seel', bald viel zu organisieren! – Tönset'n trabte ständig umher; er unterzog die Mähmaschine einer gründlichen Musterung, lief zum Per Hansen, um nachzusehen, ob nicht dessen Acker bald in Angriff genommen werden könne, und war es soweit gediehen, dann fand er, er müsse bei der Gelegenheit geschwind einmal zu den Solumbuben, um zu hören, was sie als Alt-Amerikaner zu dem allen meinten, – es sei bös, so große Verantwortung allein zu tragen! –

Aber nun verhielt es sich diesmal mit dem Per Hansen so, daß er, dem sonst nichts schnell genug ging, fand, es eile ja gar nicht; er zog jeden Abend zum Acker hinauf, um zu ›obsalvieren‹, wurde jedoch mit jedem Male bedächtiger. – »Nein, komm du auch einmal mit und schau dir an, wie fein der Weizen steht,« sagte er zur Frau. Und dann ging sie mit und sagte, er stehe hübsch – übrigens wirklich ausnehmend hübsch! Aber dann fiel ihr gewöhnlich etwas ein, was sie im Hause zu besorgen vergessen. Sie nahm sich selten die Zeit, auf ihn zu warten.

Wie gesagt, ihm schien es mit der Harvest Getreideernte. keineswegs zu eilen: Ließ Tönset'n diese Saite anklingen, dann meinte der Per Hansen, sie sollten die Ähren doch noch ein wenig faulenzen lassen. »Wirst damit schon fertig, Syvert; wir wissen doch alle, daß du beim Reaping deinesgleichen nicht hast in ganz Dakota Territory!«

Tönset'n hüstelte: »Meinst du nicht eigentlich: Minnesota?«

»Richtig, gewiß, – sagte ich das nicht?«

Da lachten sie beide und kabbelten sich in aller Freundschaft wie Buben.

Aber dann kam Tönset'n eines Vormittags hinüber, strotzend von erregtem Entschluß: heute müßten sie anfangen, – kein andrer Ausweg, keine Ausrede! Er komme gerade vom Hans Olsen, und jetzt fingen schockschwerenot auch dort die Spitzen an zu gilben; sie müßten hier unverzüglich heran!

»Das hat doch keine so brennende Eile, Syvert; nein, laß sie sich noch die Nacht über ausfaulenzen!«

Tönset'n war auf dem Ohr völlig ertaubt; er fuchtelte mit den Armen und stampfte umher: »Aber Menschenskind, begreifst du denn nicht! Wir haben hier achtzig Acres, und alles soll ich allein besorgen! Und vielleicht muß ich auch noch den Leuten aus Sogn bei ihren Äckern helfen, – ungewiß, was sie von solchen Dingen verstehen.«

»Das macht sich schon alles,« lachte der Per Hansen, »fasse dich nur in Geduld, du Syvert!«

Da wurde Tönset'n aber fuchsteufelswild: »Ich will dir eins sagen: von den Dingen hast du keinen blauen Dunst, Gevatter; stehst hier gerad wie die Kuh vorm neuen Tor! Wär' es nicht wegen des Gottesglückes, daß alles bei dir so zeitig kommt, würden wir niemals mit allem fertig, – wir müssen heran, und zwar noch heute!«

»Wie du befiehlst, Kapitän!«

»Dann benachrichtige ich also den Hans Olsen, und du läufst nach den Solumbuben!«

»Wollen wir – hm – ganz Dakota Territory bei meinem Acker anstellen?«

»Per Hansen, so nimm doch Verstand an!« rief Tönset'n, »du und der Hans Olsen, ihr beiden allein werdet im ganzen Leben nicht mit dem Binden hinter mir fertig, – ihr könnt ja doch noch nicht einmal binden! Tu, wie ich dich's geheißen habe, und hol die Burschen!«

Tönset'n stapfte davon, als gelte es Land und Reich. – Es war traurig, mit Leuten zu tun zu haben, die rein gar nichts verstanden! –

Gleich nach Tisch waren sie alle am Weizenacker versammelt; die Männer und die Weiber und die Kinder, – die Beret hatte die beiden Kleinsten mit. Tönset'n redete und erklärte und kommandierte, so daß sich schließlich bei allen eine Art Feststimmung entwickelte. Nur in ihm, der für alles die Verantwortung trug', sah es keineswegs festlich aus. Die andern lachten und scherzten, als sollten sie an einem Sonntagmorgen den Brautmarsch zur Kirche antreten. Und es war nicht ganz abzuleugnen, daß sie auch mit Tönset'n ihren Spaß trieben, – und dann lachte die Kjersti, daß es trillerte. Tönset'n jedoch hatte heute Wichtigeres im Kopf als Faxen, – jetzt sah einer so recht, in wem hier eigentlich der Verstand steckte! Er lag unter der Maschine auf dem Boden und unterwarf sie einer letzten Prüfung, beklopfte sie sodann mit einer stattlichen Zange von allen Seiten, fand hier ein Loch und dort eins, das noch geschmiert werden mußte, – wo war jetzt bloß das Schmieröl? – Was standen sie da alle und hielten Maulaffen feil? Konnten sie nicht kommen und helfen?

Endlich war es soweit, daß die Pferde vorgespannt werden durften; er ergriff die Zügel und turnte auf den Sitz hinauf.

»Ja, jetzt denn in Gottes Namen!«

Zu mehr hatte er nicht Zeit; die Mücken stachen, die Pferde waren unruhig, und es gab gar soviel zu beachten! Er schwenkte zum Ackerrand.

Und jetzt begann die erste Harvest am Spring Creek.

Mächtig dröhnte die Maschine über die Flur, bis sie zu fressen bekam. – Die Pferde gingen schnell, die Maschine schnappte ganze Maulvoll in sich hinein, surrte und schnurrte und schrie nach mehr.

Tönset'n legte die erste Runde Korn um; er war so darauf versessen, gerade und schmuck zu schneiden und nur das allernötigste am Rande stehenzulassen, daß er für andres weder Ohr noch Augen hatte. – Erst nach der vierten Runde hielt er die Pferde an und fragte den Henry auf Englisch, was er dazu meine. Und wie gehe es mit den Neulingen, würde er ihnen jenen Handgriff beibringen können? – Well, die Kjersti sei in alten Tagen eine tüchtige Binderin gewesen, die müsse ihm halt beim Unterricht helfen! – Sodann aber wandte er sich majestätisch im Sitz und brüllte dem Per Hansen auf Norwegisch zu:

»Ich glaub, meiner Seel, dieser dein Weizen gibt vierzig Bushels auf den Acre! – Ja, für fünfunddreißig also garantiere ich dir!«

»Fahr zu, Vater Syvert! Siehst du denn nicht, daß hier eine ganze Armee Leute auf dich wartet!«

Das Garbenbinden war mehr Arbeit als Kunst, und es bedurfte keiner langen Übung, es zu erlernen; wenn sich so viele wie hier darin teilten, war es das reine Vergnügen. Ein jeder wollte es einmal versuchen; sogar die Beret legte den Säugling aufs Feld und tat mit. Aber da kam die Kjersti und redete mit ihr: das sei nicht mehr Arbeit, als die Mannsleut gut allein bewältigen könnten, – du lieber Gott – fünf erwachsene Männer um dieses Feld, und dazu zwei Buben! Jetzt wollten sie mit der Sörrina zusammen heimgehen und den Vesperkaffee herrichten; täten sie alle drei ihre Vorräte zusammen, so reiche es; dann kämen sie mit dem Kaffee auf den Acker, – das sei so lustig, – und damit sei den Männern besser geholfen. –

Der Per Hansen band seinen eigenen Weizen!

Die Hände wurden feucht vom Saft; der war so fein und weich wie Öl. – Mit jeder Garbe hob der Per den Kopf höher, und er merkte in sich eine Kraft, wie er sie bisher nicht gekannt. Jetzt war das Dasein eine Lust! Einen kühnen Wurf hatte er getan; dafür hielt er jetzt das Glück in den Händen. – Er lächelte: O nein, er mußte gewiß behutsamer verfahren; etliche Ähren waren bereits sehr reif und konnten leicht streuen.

Er richtete sich auf und fuhr sich mit den feuchten Händen übers Gesicht. – Merkwürdig, wie leicht ihm heute der Körper war ! –

Die Männer arbeiteten, bis der Tau so stark fiel, daß sie aufhören mußten. Die Sonne war längst in die Prärie gesunken; nur eine tiefe Röte war noch geblieben.

Tönset'n war jetzt müde und steif, aber er ließ sich das nicht etwa merken.

In Per Hansens Gamme warteten volle Schüsseln Brei auf die Schnitter. Die beiden andern Hausmütter hatten inzwischen daheim bei sich die Wirtschaft besorgt; jetzt gingen sie der Beret zur Hand.

Die Männer setzten sich zu Tisch.

Der Per Hansen kramte in der Truhe. »Wartet noch ein wenig mit dem Tischgebet!« plauderte er in die Truhe hinein. »Ich möchte auch gern dabei sein!«

Er trat hinzu und schüttelte eine Flasche hinter Tönset'ns Kopf.

»Hast du schon je solch absonderliches Geräusch gehört, du Syvert? Ist es nicht rein, als locke es?«

Und es gab für alle ein Schnäpslein, ehe sie sich in die volle Schüssel hineingruben.

»Hä, hä!« räusperte sich Tönset'n nach dem Schnaps. »Sollst sehen, du wirst bereits im ersten Jahre ein reicher Mann, – ausnehmend guter Weizen!«

»Ja, das sage du lieber von dir. Und sollten du und die Kjersti nicht Socken genug haben, eure Taler darin zu sammeln, so wendet euch getrost an uns, wir helfen euch gern damit aus!«

»Ja reich werden wir alle!« beteuerte der Tönset'n. »Und der Sam müßte eigentlich jene Trönder-Dirn, die an den Ufern des Sioux auf ihn wartet, zur Hochzeit holen, – gelt?«

»Yes, Sir!« meinte der Sam dazu. »Aber, du Kjersti, hüte dich, den Syvert auf die Hochzeit zu lassen!«

»Warum denn wohl?« fragte sie treuherzig.

»Nein, schau, er wird so wild, wenn er mit den Trönderbäuerinnen zu tun bekommt!«

»Du bist ein Ochs, du Sam!« sagte Tönset'n verdrießlich und legte den Löffel weg.


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