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III

Der Beret graute vor der Stadtreise, die jetzt für den Per bevorstand; denn das bedeutete, daß er vielleicht eine ganze Woche fortblieb. Die Abende waren schon lang, die Nacht lastete schwer auf der Hütte, und es gab so viel, womit sie jetzt rang, – so viel, und immer mehr wurde es. Obwohl sie es nicht über sich gewann, mit ihm davon zu sprechen – weil er doch nicht helfen konnte – war es ihr leichter ums Herz, wenn sie ihn in der Nähe wußte; dann wagte das Entsetzen sich nicht heran. Und war er auch nur für eine Halbtagsschicht bei einem der Nachbarn, so kam bereits die Angst. Und jetzt blieb er vielleicht eine ganze Woche fort! –

Freilich, sie brauchten Vorräte für den Winter, die Kinder Bekleidung, er selbst bedurfte des einen und andern. Aber das alles wurde immer unwirklicher für sie: sie stand wie außerhalb; es ging sie im Grunde nichts an. – Aber davon sagte sie nichts: Herregott, was hätte es wohl genützt?

Sie half ihm bei den Vorbereitungen, als stände nichts Außerordentliches bevor. Fragte er sie, was er für sie oder das Haus einkaufen solle, so konnte sie mit einem abwesenden Gesichtsausdruck grübeln, als suche sie sich an Dinge zu erinnern, die ihr im Augenblick entfallen waren. Dann spaßte er mit ihr, sagte, sie dürfe nicht schüchtern sein, denn die Heller im Hause seien jetzt nicht mehr so rar. Doch er bekam entweder gar keine Antwort, oder sie äußerte sich so teilnahmslos, als ginge es sie nichts an. – Der Per Hansen sah seiner Frau forschend ins Gesicht und seufzte; oder er faßte sie auch um und schwenkte sie rund.

Übrigens war er jetzt anderweitig so beschäftigt, daß ihm an ihr nichts sonderlich auffiel. Diesmal sollte er doch mit auf Fahrt! Tönset'n hatte ihm Pferde und Wagen angeboten und wollte daheim nach allem sehen. Die Leute aus Sogn und Voss seien noch immer da, die brauchten ihn mit Rat und Tat. – Tönset'n war für sie Vorsehung und Vater zugleich.

Es gab diesmal für den Per Hansen vorher nicht wenig zu überdenken. Und gar so schlecht mit dem Geld stand es auch nicht. Die Iren hatten die Kartoffeln zu schätzen gewußt und waren gute Kunden gewesen. Und die Leute aus Sogn und Voss waren fast noch mehr hinter den Kartoffeln her; an die hatte er jetzt für über 10 Dollar verkauft. Kurz und gut, wie es auch gekommen sein mochte, jedenfalls hatte er jetzt mehr Cents, als da er im Sommer herkam.

Aber dafür war auch gar nicht abzusehen, was er alles nötig brauchte; er hatte sich eine lange Liste aufgestellt von Gegenständen, die er kaufen mußte, und eine noch längere von solchen, die er kaufen müßte, wofern die Heller reichten.

Er beredete jetzt viel mit den Buben, wenn die Mutter es nicht hörte, was sie alles in seiner Abwesenheit zu besorgen hätten. Der Ole bekam als der ältere die Verantwortung für die Außenwirtschaft; da waren die Ochsen und Indi, der Pony, und ›Buntscheck‹. Und dann das Holz! Er müsse vor allem gut mit dem Holz umgehen. – Der Große-Hans sollte der Mutter im Hause zur Hand sein; und schon für einen großen und tüchtigen Mann sei das ein schwerer Job – das verstehe er wohl?

Die Buben waren über diese Anordnungen keineswegs begeistert. Der Ole hatte sich starken Hoffnungen hingegeben, daß der Vater diesmal ihn mitnehmen werde und war, kaum daß von der Fahrt die Rede gewesen, hinterher, sich auf alle Weise nützlich zu machen. Auch der Große-Hans hatte heimlich erwartet, daß der Vater diesmal zu der Einsicht käme, wie ungemein praktisch es sei, gerade ihn mitzuhaben, der so behende und fix war. Und er und der Bruder hatten sich förmlich um die Aufträge des Vaters gebalgt. Die Enttäuschung war am bittersten für den Großen-Hans. Er sollte die Magd spielen, akkurat wie 'n Mädel! Er greinte und maulte und er raufte mit dem Bruder, aber es half nichts.

Der Vater hatte jedoch Verständnis; er nahm ihn mit in den Stall und redete lange und vertraulich mit ihm, gerad als wäre er ein alter Mann mit langem Bart am Kinn. »Schau, es ist mit der Mutter jetzt nicht so bestellt, daß wir sie alle beide allein lassen könnten,« erklärte der Vater kameradschaftlich; »wenn du fährst, muß halt ich daheim bleiben.«

Das konnte der Große-Hans doch wirklich nicht begreifen! Fehlte ihr denn etwas? Sie sah doch so gesund und rot aus im Gesicht. Aber vielleicht kam das daher, daß es jetzt kälter wurde?

»Oh, gesund ist sie, Großer-Hans, das ist es nicht, aber – « – der Vater flüsterte so seltsam: – es sei das beste, daß er es dem Bruder verschweige! »Es kommt vielleicht noch ein kleiner Großer-Hans um die Weihnachtszeit dazu, und für dies Stück Arbeit muß die Mutter freilich allein einstehen! – – Und jetzt verstehst du, warum wir sie nicht alle beide allein lassen können!«

Der Große-Hans bekam ganz verwunderte Augen. – Es sollte noch einer dazukommen, – noch einer? Er wagte nicht zu fragen; er hatte das Gesicht abgewandt und fühlte, daß er puterrot war. – – Aber jetzt wußte er mit einmal, was der Traum von neulich Nacht zu bedeuten gehabt. Da hatte er sowohl Joseph wie Benjamin um die Hütte spielen sehen; und dann war da außerdem noch so ein winziges Kerli dabeigewesen, von dem in der biblischen Geschichte nichts gesagt war!

O doch, – doch, er wolle schon auf die Mutter aufpassen! – Aber meine der Vater nicht, daß er in der Stadt eine Schrotflinte auftreiben könne? Als er, der Hans, letztes Mal bei den Sümpfen gewesen, hätten da noch viel, viel mehr Enten genistet. – Und die Iren seien gar nicht weit ab!

Well, der Vater wollte zusehen; er habe sich übrigens eine andere Art ausgedacht, die Enten zu erwischen; aber damit wolle er erst später herausrücken. –

Ja, der Per Hansen hatte zu überlegen! Im Keller lagen mehr Kartoffeln, als sie im Winter verzehren und im Frühjahr zur Saat gebrauchen konnten. Und jetzt sollte er mit Wagen und Pferd zur Stadt. Seltsam mußte es zugehen, wenn dort nicht Menschen wohnten, die Kartoffeln benötigten!

Jetzt war es bereits der zwölfte Oktober. Es gab schon Nachtfröste, und die Kartoffel ist gegen Kälte empfindlich. Freilich: seit der Erschaffung der Welt verstand es der Nordländer, sie wohlbehalten mit sich nach dem Lofot zu führen, und das mitten im Januar!

Der Per Hansen machte Pläne, beobachtete das Wetter, schnupperte und schmeckte an der Luft herum. Am Nachmittag vor der Abreise entschloß er sich: es waren mehr Kartoffeln da, als er verbrauchen konnte; froren die, so froren die, – er wollte es auf alle Fälle versuchen! Damit holte er sich Tönset'ns Wagen, tat eine dicke Unterschicht Heu hinein, fütterte die Seiten damit, und dann lud er die Kartoffeln auf. Oben drüber packte er zwei Säcke Kohlrüben, einen Sack Möhren und dazu einige der schönsten Melonen, die noch im Keller waren; diese verstaute er zwischen die Säcke, bedeckte alles gründlich, unten mit Heu und drüber mit Decken.

Früh am nächsten Morgen brachen sie auf – er und der Henry Solum und der Hans Olsen.


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