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VIII

Zwei Tage später traf das große Mißgeschick ein. Und nach Art rechter Mißgeschicke überkam es sie mitten im schönsten Wohlergehen, als niemand Unheil ahnte.

Es war um die Vesperzeit. Der Hans Olsen war beim Heuen; die neue Maschine klirrte und dröhnte über die Prärie, schnitt das Gras so fein und so dicht überm Boden, daß es eine Wonne war zuzuschauen. Ja, das war freilich etwas anderes, als mit einer Sichel auf Felsgrund zu hämmern! – Alle Mannsleut waren beim Start zugegen gewesen; und der Per Hansen war mit dem festen Entschluß heimgegangen, sich zum Winter mindestens noch eine Kuh zu beschaffen, und sollte er sie stehlen müssen. –

Der Per Hansen legte heute die letzte Hand ans Dach. Die Buben halfen; auch die Beret machte sich ab und zu dabei nützlich. Der Vater plauderte mit den Buben und sie mit ihm; bisweilen schwätzten sie so laut und lachten so ausgelassen, daß das Gössel durchaus zu ihnen aufs Dach hinaufkrabbeln wollte. Etwas weiter weg war der Pony angepflöckt; der war bald so zahm, daß sie ihn frei laufen lassen konnten; denn die Buben verhätschelten ihn, wann und wo sie nur konnten!

Tönset'n brach Neuland auf und ließ sich vom Sam dabei helfen. Der Syvert schaffte jetzt an seinem Acker, daß es verschlug, das sah der Per Hansen wohl. Abwarten, Vater Syvert! – Aber nein, heute mochte er sich nicht sputen. Ab und zu rief er der Beret hinunter, sie müsse einmal schauen, ob es auch dicht werde. Darauf war er zu seiner Kurzweil gekommen; es war halt so lustig, ihre Stimme aus der Stube herauf zu hören; sie sprach stets so leise; aber sollten sie überm Dach etwas verstehen, mußte sie tüchtig laut sprechen! – Es schien ihr jetzt hier draußen schon besser zu gefallen.

Der Henry Solum grub beim Bach einen Brunnen.

Ein jeder war bei seiner Arbeit; die Freude an rüstigem Tun regte sich in der kleinen Siedlung. –

Und dann war es da, – plötzlich!

Die Kjersti entdeckte es. Zur Vesper war sie mit einem Schluck Kaffee und einem Bissen draußen bei den Männern gewesen – seit der Städtereise waren sie mit allem reichlich versehen. Als sie wieder in die Hütte wollte, fiel ihr ein, daß sie Tüpfel, die Kuh, beim Heimkommen weder drüben noch beim Hause gesehen. Die Kuh war doch wohl da? – Sie ging ein Stück und sah sich um. Und sie strengte die Augen an, daß sie tränten, und das Herz pochte; aber die Kuh war auf der ganzen weiten Prärie nicht zu erblicken. Auch von den andern Kühen nicht eine!

Schnurstracks lief sie zur Sörine und rief, in die Hütte stürmend:

»Kannst du mir sagen, wo deine Kuh ist?«

»Kuh?« Mehr vermochte die Sörine beim Anblick des aufgeregten Gesichtes vor ihr nicht vorzubringen.

»Das ist akkurat, was ich dich frage, Sörrina! – Nein, o nein!«

»Du schreckst mir die Seele aus dem Leib! Die Kuh ist doch wohl, wo sie immer ist?«

Beide Frauen eilten vor die Tür.

Und richtig: weit und breit keine Kuh!

»Durchgebrannt sind sie!« kam es verzweifelt von der Kjersti.

»Aber sie sind doch nicht stracks in den Boden gesunken, soviel ich weiß!«

»Wo sind sie aber dann!« jammerte die Kjersti.

»Wir müssen sogleich die Männer benachrichtigen.« Entschlossen rannte die Sörine zu ihrem Mann aufs Feld.

Der Hans Olsen hielt die Pferde an, als er die beiden Frauen hintereinander angelaufen kommen sah.

»Die Rinder? Pö, ist das alles?« Nein, von denen habe er nichts gesehen; die seien gewiß nicht weit weg. – Er saß so hochgemut auf der neuen Maschine, die so prächtig ging, daß er auch nicht daran dachte, sich schrecken zu lassen. »Ist doch arg, wie stutzig die Weiber sind! Du lieber Himmel – die Rinder kommen schon zur Melkzeit ans Tageslicht!«

»Wir müssen sogleich auf die Suche!« Die Sörine sagte das so bestimmt, daß auch er sich bequemen mußte, Umschau zu halten. – – Nirgends ein Vieh zu sehen! Jetzt wurde es auch ihm bedenklich; er stieg herunter, spannte aus, warf sich auf das eine der beiden Pferde und ritt den Hügel hinauf. »Wir müssen auch den Per Hansen benachrichtigen!« entschied die Sörine. Sie war jetzt ärgerlich und ängstlich zugleich.

Auch bei dem Per Hansen hatte sich bisher niemand um die Kühe gekümmert; jeden Tag waren sie sich selbst überlassen gewesen, immer in Sichtweite geblieben, und, wenn es Abend wurde, pünktlich zum Melken heimgekommen.

Der Per Hansen ließ sich ebensowenig aus dem Gleichgewicht bringen: die Rinder taten sich gewiß irgendwo am Bache gütlich und kamen zur Melkzeit schon herauf.

Jetzt aber kam der Hans Olsen geritten und berichtete ernstlich beunruhigt, daß auf der ganzen weiten Prärie nichts Lebendiges zu erblicken sei.

Da kamen auch dem Per Hansen Bedenken; er und die Buben kletterten vom Dach herunter.

»Nimm den Pony, du Ola, und reit' an den Bach; erst aufwärts, dann abwärts. Siehst du unterwegs nichts, mußt du Tönset'n und die Solumbuben benachrichtigen.«

Der Per Hansen blieb einstweilen bei der Meinung, die Kühe kämen zu ihrer Zeit zurück. Es schien heute früh Abend zu werden; waren die Kühe bis dahin nicht sichtbar, mußten die Männer zusammenkommen und beraten; die Biester waren doch wohl nicht vom Erdboden verschlungen.


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