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IV

In jenem Sommer ereignete sich viel; die Gedanken derer, die bisher in diesen Gegenden sowenig Menschengesichter gesehen hatten, wurden durch mancherlei von der Werkeltagsarbeit abgelenkt.

Ende Mai kamen die Iren mit vielen Genossen und siedelten längs der westlichen Sümpfe, wo sie für ihr Vieh reichliche Tränke fanden.

Anfang Juni kamen die Leute aus Sogn und Voss mit aller ihrer Habe und ihrem ganzen Vermögen; und sie brachten viele andre Neusiedler mit; sie dehnten sich nach Osten und Süden, so daß sie den Weg zur Stadt kürzer machten. – Man werde wohl auf Wasseradern stoßen, meinten sie, und der Boden sei trefflich, hier wie dort. Die eine Gamme nach der andern hob den Kopf über die Prärie, und jede mehrte das Heimatgefühl.

Unter den Leuten aus Sogn und Voss war viel braves Volk. Tönset'n wurde es niemals müde, daran zu erinnern, daß sie Norweger seien, ›jede einzige Schnauz‹! –

Unter denen vom Sognefjord war ein stattlicher, blonder, gutaussehender Mann, etwas großschnäuzig zwar von Wesen. Jedes seiner Vorhaben hatte etwas Anmaßendes, als seien Fehlgriffe ausgeschlossen, und es konnte einem oft leid werden, seinem Wortschwall zuzuhören. Er hatte aus Norwegen eine schöne Erbschaft erhalten, viel Waldland in Ost-Minnesota gerodet und es sehr vorteilhaft wiederverkauft; und das Gerücht wollte wahrhaben, daß er mindestens 3000 Dollar wert sei; er bestritt das auch durchaus nicht. Dieser Mann hatte eine große Familie und hieß Torkel Tallaksen.

Alle Westfahrer dieses Jahres begnügten sich mit Gammen; nur Tallaksen hatte sich's anders gedacht. Er setzte vier Pferde vor den Pflug, brach dafür, daß es das erste Jahr war, ein mächtiges Stück Neuland auf und säte es ein mit mitgebrachtem Korn. Es verlautete bald, daß er sich mit großen Plänen trage; gleich nach der Ackerbestellung beabsichtigte er, aus Worthington Baumaterial anzufahren; er wolle bereits diesen Sommer sowohl Wohnhaus wie Stall bauen.

Es wurde im Settlement viel darüber gesprochen. Wenn Tallaksens Absichten im Beisein des Per Hansen erörtert wurden, schwieg der dazu, paßte aber genau auf. Als sie eines Tages beim Per Hansen Mittag aßen, kam Tallaksen herein und fragte, ob er, wenn er Material hole, die Ochsen und den Per Hansen nach Osten mithaben könne. Er wolle auch die andern Nachbarn bitten; sie seien hier jetzt schon so lange ansässig und mit Acker und Wirtschaft so gut in Gang gekommen, daß sie wohl einem Neusiedler Hilfe angedeihen lassen könnten. Übrigens brauche er noch ein paar Mann dazu; er wolle viel holen und alles auf einmal heimbringen. Bezahlt werden könnten sie entweder in Arbeit oder Geld; aber er für seinen Teil ziehe es vor, in barem Gelde zu bezahlen, dann sei er die Sache quitt. – Der Acker stehe hier übrigens schön, sie bekämen dies Jahr eine mächtige Ernte; wie groß das Stück sei? So? Nicht größer? Nun, es wirtschafte sich wohl auch nicht leicht allein mit Ochsen! – Der Per Hansen habe sich da eine recht ansehnliche Gamme zurechtgebaut! Nun ja, Gamme bleibe nun einmal Gamme, von der Sorte Behausung habe er jetzt genug! – Ja, könne er also auf ihn rechnen?

Tallaksen schwaderte daher, als bäte er bloß um ein Streichholz.

Denke er jetzt ans Bauen? fragte der Per Hansen gelassen.

Natürlich! Solle er hierbleiben, dann wolle er's anständig haben! – Und jetzt verbreitete er sich eingehend über seine Pläne. Es mache zwar viel Arbeit, bis alles zusammengegebracht sei; aber er beabsichtige, sich Leute zu mieten, damit er sich bald allen Ernstes an die Prärie machen könne; er wolle noch einen Quart Land dazu kaufen; falle die Ernte einigermaßen gut aus, nehme er vielleicht auch zwei, drei, vier; aber zunächst wolle er ein anständiges Haus. Das Anstreichen müsse bis zum Herbst warten.

Die Worte troffen ihm nur so vom Munde, so daß ein anderer schwer ein Wort einfügen konnte.

Der Per Hansen stand vom Tische auf; er atmete heftig:

»Also du willst anstreichen?« unterbrach er ihn.

»Selbstverständlich! Hier kann man die Häuser nicht ohne Anstrich lassen, und ohne Farbe machen sie auch nichts her.«

Die Beret blickte Tallaksen treuherzig an, vergaß sich und fragte, ob es wirklich wahr sei, daß er derartige Häuser jetzt sogleich bauen wolle? – Und sie setzte erfreut hinzu, es werde überaus artig sein, wieder einmal ein richtiges Haus zu sehen, »dann wird es hier wohl auch anders werden!« Tallaksen lachte. Das waren doch die rarsten Käuze, an die er noch geraten war! Da schwätzte er sich heiser, und doch begriffen sie nicht den Tüttel! Nun, ihm konnt's gleich sein. Er erhob sich, um zu gehen: »Ja, dann machst du also mit?«

Der Per Hansen antwortete nicht sogleich, und als die Antwort kam, lautete sie ganz anders als erwartet.

»Ich meine nun das,« sagte der Per Hansen, »daß du vom verkehrten Ende anfängst,« – er schnappte nach Luft ... »Wenn du jetzt die Gelder, die du in die Gebäude zu stecken gedenkst, in Vieh und Pferden und Geräten anlegst und dir Arbeit leihst dies Jahr und später, dann kann keine Menschenseele in dieser Gegend es mit dir aufnehmen; – in drei – vier Jahren sitzt du dann hier unter uns wie ein König, obwohl wir einen andern lieber gesehen hätten. – Aber das sag ich dir jetzt« – Per Hansens Worte klangen sehr machtvoll –: »Beginnst du von dem anderen Ende, dann wetteifern wir sowohl um den Mantel wie um die Krone, obwohl ich nichts habe als meine Hose und meine Ochsen!«

Tallaksen lachte wieder und antwortete langsam und nachsichtig: »Es braucht einer doch nicht in einer Gopher Prärie-Eichhörnchen.-Höhle zu wohnen; auch hier in dem Westen muß doch einmal Gesittung einziehen, weißt du!«

Da juckte es den Per Hansen; er faßte in die Tasche nach einem Streichholz, zog es hervor, warf es aber weg.

»Die, glaube ich, lernen wir auch, selbst wenn du wieder dahin zurückfährst, woher du gekommen bist ... Und jetzt will ich dir eins sagen: es ist weit klüger, in einer Gopher-Höhle anzufangen, als dort zu enden! Und vielleicht ohne Schuld!«

Ehe Tallaksen noch antworten konnte, dachte die Beret laut; die Worte fielen langsam und grübelnd, – es trat eine kurze Stille danach ein:

»Deine Frau freut sich gewiß ... Wände, die alle Unbill ausschließen – ein Fußboden, den man zum Festtag scheuern kann ... Nein, Menschen können nicht wie Tiere hausen. – Und sind sie erst zu Tieren geworden, dann mag es wohl gleich sein, wie sie wohnen –.«

Tallaksen mußte sich die Frau näher begucken, – bei der also, schien's, mußt' einer in diesem Hause den Verstand suchen.

»Das ist sicher und gewiß,« sagte er. »Aber jetzt soll das anders werden, – jetzt sollen hier Häuser herkommen, die man von weither sehen kann und erkennen, daß hier Menschen wohnen!« Dann kam er auf etwas anderes zu sprechen:

»Du könntest vielleicht meiner Frau dabei helfen, ein paar Teppiche zu weben? – Sie sprach von Teppichen und Läufern und muß sie wohl bekommen – die schonen auch die Fußböden.«

»Dafür könnte wohl Rat werden,« sagte die Beret ruhig. »Es kann wohl einer dem andern mit etwas behilflich sein, auch wenn man's nicht selber bekommen kann ... es wird eine artige Arbeit.«

Der Per Hansen kramte nach einem neuen Zündholz und guckte die Frau an; er strich es an und hielt es, bis es ausgebrannt war. Er merkte nicht, was er tat, so sehr mußte er sie anschauen; es sauste ihm vor den Ohren, gesprochene Worte schwebten in der Luft; er griff nach ihnen, – erhaschte sie nicht mehr; das, was die Beret gesagt, verscheuchte sie. Er setzte sich auf die große Lade. Das Gesicht war blaß.

Well, meinte Tallaksen versöhnlich, er beabsichtige nach Verlauf eines Tages zu starten, und da komme er wohl mit? »Du brauchst auch einmal Hilfe beim Anfahren, wenn du erst in die Höhe gekommen bist – mächtigen Ernteertrag bekommst du, wenig Acker hast du. – Ja ja, dann erwarte ich dich also.«

Es wurde wieder still, Tallaksen harrte der Antwort.

»Du wirst gewiß lange warten müssen!«

Der Per Hansen sprang auf und rannte zur Gamme hinaus.

– Er rief die Ochsen barsch heran, spannte sie vor den Pflug und pflügte, bis es zu dunkel wurde. Als er endlich wieder ausgespannt hatte, ging er zaudernd und schleppend, verspürte gar keine Lust, heimzugehen. Was hatte er dort wohl zu schaffen? Die Gamme und alles darin lag in große Finsternis gehüllt.

Vielleicht verhielt es sich wirklich so, – vielleicht hatte sie recht: es war alles, alles nur verkehrt, und er taugte zu nichts?

– Es durchzuckte ihn: da hast du den Dank für all dein Mühen und Streben: Du schaffst nichts! – Daß sie sich aber nicht schämte, daß sie es fertigbrachte, sich vor diesem aufgeblasenen Wichtigpeter darüber auszulassen! Hatte sie denn alle Scham verloren? – Der Teufel hole es alles! –

Tallaksens großartig geplante Stadtreise kam nicht zustande.

Als Tönset'n erfuhr, daß der Per Hansen nicht mitmachen wolle, da legte er auch keinen Wert mehr darauf; und wenn von den beiden keiner mitfuhr, dann wollten die Solumbuben auch nicht. Und da wäre nur der Hans Olsen und der Germund Dahl sogleich zu haben gewesen, und die reichten nicht aus, um einen ganzen Herrenhof heimzuholen. Tallaksen äußerte darüber, er glaube nicht, daß sich auf Gottes grüner Erde größere Querköpfe fänden als diese Nordländer; und sähen sie auch einen Mann im Elend krepieren, sie würden keine Hand ausstrecken! –

Und so kam es dahin, daß er für diesen Sommer seine Pläne, zu bauen, aufgab, und bald stand eine neue Gamme da und guckte vom östlichen Bachufer herüber.


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