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III

Auf Neuland, das sie in diesen Tagen unter den Pflug gelegt hatten, waren die Buben mit Egge und Ochsen. Der Per Hansen wußte zwar noch nicht so recht, was er dort pflanzen werde. Er hatte sich eigentlich gedacht, das Stück bis zum nächsten Jahr brach liegen zu lassen; da war ihm aber heute plötzlich ein Gedanke gekommen, und er hatte die Buben geheißen zu eggen. – Jetzt ging er zu ihnen hinüber.

Der eine Bub saß auf der Egge und ließ die Hacken derb nachschleifen; der andere lenkte die Ochsen; nach jeder Runde wechselten sie sich ab. Ein großer Wettstreit war unter ihnen beiden entbrannt, wer am geradesten fahren könne; und das sollte durch die Hackenspur entschieden werden. Sie hielten, als der Vater herankam.

»Ist dieses Stück nicht vier Acres groß?« wollte der Ole wissen.

»So ungefähr,« gab der Vater düster zur Antwort.

Well, meinte lachend der Bub, wenn sie nun Kartoffeln auf das ganze Stück setzten und hundertundfünfzig Bushels pro Acre bekämen, so gebe das sechshundert Bushels, – berechnete er geschwind.

»Und dann verkaufen wir sie!« rief der Große-Hans begeistert.

»Schweig du stille!« puffte ihn der Ole zurecht. »Denn das hier habe ich ausgerechnet!« Und damit wandte er sich zum Vater: »Und wenn wir bloß dreißig Cents für den Bushel bekommen – ja, dann werden es akkurat einhundertundachtzig Dollar.« Der Ole guckte den Vater stolz an und setzte hinzu: »Ich finde, wir sollten sie sofort in die Erde bringen!« –

»Und wenn wir allein für die Kartoffeln soviel Geld bekommen, dann können wir doch gut die Schrotflinte kaufen ?¦« schlug der Große-Hans vor.

»Eilt euch lieber,« versetzte der Vater grimmig. »Und dir ist eine Hose über deinen Hintern nötiger als eine Flinte.«

Irgend etwas mußte der Per Hansen jetzt vornehmen, das fühlte er. Das Neulandstück lag vor ihm. Warum sollte er nicht dafür sorgen, daß jener Halunke, der Widersacher, noch ein wenig mehr zu tun bekam?

Er ging heim, öffnete die Erdmiete und machte sich daran, Kartoffeln herauszutragen und auf die Erde zu schütten. Als er alle entbehrlichen Vorräte hervorgeholt, fing er an, die Kartoffeln zu zerschneiden. – Da tat er zwar wohl wieder etwas Unsinniges, aber er konnte geradesogut den Scheffel mit einemmal vollschütten, – dann war er fertig und konnte einpacken! Denn es war doch wohl auch für Kartoffeln zu zeitig? –

Er und die Buben setzten also Kartoffeln und waren damit den Rest der Woche vollauf beschäftigt, und es reichte auch für das ganze Stück.

Am Sonntagmorgen stand der Per Hansen zur gewohnten Zeit auf, aß Frühstück und legte sich sofort wieder hin. – Das Gössel krabbelte zu ihm ins Bett und vollführte einen wüsten Lärm; es wollte ihn wach bekommen, weil es ihm etwas überaus Putziges erzählen müsse; es zauste ihn und kniff, wenn er nicht antworten wollte, und das, fand er, tat ihm so gut. – Die Beret las am Tisch in der Bibel. Sie sagte in diesen Tagen nicht viel. Und das schien ihm auch gut so zu sein. – Jetzt plagte er sich mit einem Gedanken; nämlich, wie es wäre, wenn er eine Fahrt nach Osten, nach Sioux, machte? – Es war freilich schon spät im Jahr, aber vielleicht trieben sich bei den Tröndern noch ein paar Säcke Weizen herum? Und bekäme er auch nur so viel Saat, daß sie selber für's kommende Jahr genug hätten? – Es war nur schon so elend spät; und jetzt war's die Zeit für's Pflügen. – Vielleicht war es doch am allergescheitesten, daß er nach Sioux Falls oder nach Worthington fuhr und zusah, sich dort für den Sommer Arbeit zu verschaffen? Dann mußten halt die Buben und die Beret daheim alles besorgen. Die mußten sich doch wohl zur Sommerszeit allein durchhelfen können?

Das Gössel rüttelte ihn und zerrte an ihm und tobte auf ihm, er solle etwas erzählen.

Plötzlich trampelte es draußen – jemand kam angerannt – da kam noch einer hinterher.

Der Ole riß die Tür auf mit gewaltigem Ruck, tat einen Hupf er und stand in der Mitte der Stube: – »Vater,« rief er keuchend, »der Weizen ist aufgegangen!« Er tat noch einen und stand neben dem Tisch. »Der Weizen sprießt, Mutter!«

Jetzt kam der Große-Hans nachgesetzt.

»Vater, er ist so lang, daß du's weißt!«

»Schweig du still, – ich kam zuerst!«

»Darum darf ich doch wohl auch noch etwas sagen!« –

Der Große-Hans hängte sich über das Fußende des Bettes.

»Der ist schon so lang, der Weizen – und der Hafer so lang! – Meinst du nicht, daß wir uns jetzt die Schrotflinte kaufen können!«

Der Per Hansen setzte das Kind auf die Erde, war mit einem Satz aus dem Bett und zur Tür hinaus – wortlos.

Oben am Ackerrand blieb er stehen. – Und er zitterte am ganzen Körper; die Augen standen voll Wasser, so daß er nicht recht sehen konnte.

Aber über den ganzen Acker hin standen zarte, grüne Pflänzlein, reckten sich und schleckten Sonne.

Der Große-Hans stand neben dem Vater, guckte ihn an, und er wurde ängstlich:

»Ist dir nicht gut?«

Keine Antwort.

»Weinst du?«

»Du Gimpel!« sagte der Per Hansen mit grober Stimme, er schneuzte sich. »Du bist solch ein ganz scheußlicher Gimpel!«

»Ist er denn etwa nicht schön?« fragte der Bub leise.

Auch darauf bekam er nicht Antwort – eine Weile nicht; aber dann sagte der Vater:

»Komm einmal her, Großer-Hans!«

Er legte dem Buben die Hand auf die Schulter.

»Was willst du gern einmal werden, wenn du erst groß bist?«

»Wenn ich groß bin? Oh, General, so einer wie der Grant!«

Der Per Hansen sah den Buben an, es gluckste in ihm mit leisen wunderlichen Lauten :

»Was meinst du zu Pastor? – Schau, den brauchen wir noch eher?«

»Oh,« willigte der Große-Hans männlich darein, »das könnte ich dann wohl auch immer noch werden! – Meinst du nicht, wir können uns jetzt die Schrotflinte kaufen?«

Der Per Hansen ging langsam heim, und sein Gang federte. Er trat in die Stube, ging zum Tisch, wo die Frau noch immer las, setzte sich dicht neben sie und sagte still:

»Du mußt uns jetzt ein Kapitel laut vorlesen!« Er räusperte sich: »Kommt her, ihr Buben, und setzt euch hübsch. Jetzt liest uns die Mutter vor!« –


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