Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XI

Kaum dämmerte der Tag, da schürte der Per Hansen schon das Feuer im Herd und setzte den Kaffeekessel über. Die Frau war wach. Er hieß sie liegenbleiben; sie stand jedoch schweigend auf, zog sich an und richtete das Essen für ihn. Ein Lämpchen brannte; das Tageslicht war noch zu schwach.

Er saß am Tisch, hatte zu essen begonnen; der Kaffee sollte auch gleich fertig sein; die Frau bereitete ihn am Herd. In ihrem Wesen lag Entschiedenheit; er fühlte es trotz ihres Schweigens.

Die Beret hatte die Nacht durchwacht und dies Bild vor den weitoffenen Augen nicht schwinden sehen: Unendliche grünblaue Stille ohne Zuflucht oder Versteck, flach, gedehnt und stumm. – Ein paar Kühe weideten auf ihr, – jawohl, ein paar Kühe, leibhaftig – und im nächsten Nu waren sie verschwunden!

Es hatte sie aus diesem Bild etwas Unheimliches angeweht. Sie hatte sich mit Befürchtungen und Ängsten gequält und damit ihr Entsetzen nur noch gesteigert – – und jetzt wollte er aufbrechen und Gott weiß wie lange wegbleiben, ohne daß sie wußte, wo er sich aufhielt! – – Gewiß war es der Indian gewesen; denn wer sollte es sonst gewesen sein? – Und er, der Per, stets so schnell zupackend und furchtlos und gleich mit ganzer Seele dabei!– – Der Schweiß brach ihr aus vor Angst um ihn. –

Und das wurde ihr klar: hier draußen war für Menschen kein Bleiben. – Jetzt war sie schon über sechs Wochen hier und sah nur die Gesichter der paar Menschen, die zu ihrer Schar gehörten. Tagereisenweit keine Hütte! – – Kam wirklich einmal jemand vorbei, so waren es Wilde, vor denen man sich fürchten mußte! – – Den Lebensbedarf mußte man sich vier Tage weit heranschaffen und dazu eine Ausrüstung vorbereiten wie zu einer Lofotfahrt.– – Und wenn plötzlich etwas zustieß, – ja, was würde dann geschehen?

Nein, hier war nicht Bleibens für Menschen. – Wenn die Kinder hier aufwuchsen, mußten sie dann nicht werden wie die roten Kinder der Öde, – oder gar noch schlimmer? – – Hier waren ja keine andern, sahen sie keine andern, kamen niemals andere vorbei! Niemals würde es hier anders werden!

Vielleicht war es eine Fügung gewesen, daß die Kühe verschwanden? Auch die andern mußten dann doch einsehen, daß Menschen hier nicht hausen konnten. – Vielleicht sah auch er es ein? – – Sie wußte nicht, ob sie geschlafen hatte, als der Mann sich zu regen begann. Ihr letzter Gedanke aus der durchwachten Nacht fiel ihr ein, und sie entsetzte sich davor, jetzt, wo das Lämplein in der Stube brannte. Nachts war es ihr als Glücksfall erschienen, wenn die Kühe unauffindbar blieben; jetzt erfüllte es sie mit Schrecken.

»Du ziehst doch nicht etwa allein davon?« fragte sie vom Herde her.

Er hatte ihr noch nichts von seinem Vorhaben gesagt.

»Werd' halt zusehen.«

»Bleibst du lange?«

»Oh, schau lieber erst nach mir aus, wenn ich komme. – Ich bleibe vielleicht über Nacht.«

Sie schenkte ihm jetzt schweigend den Kaffee ein.

»Wo reitest du hin?« fragte sie dann.

»Das weiß ich noch nicht akkurat genau; – es geht wohl nach Osten.«

»Ich finde es weder recht noch billig, – jetzt sag' ich's gerad heraus!« Sie ging mit dem Kessel wieder zum Herd. »Nein, es ist weder recht noch billig,« wiederholte sie noch nachdrücklicher.

Etwas in ihrer Stimme hakte sich in ihm fest. »Nein, nein,« sagte er kleinlaut; »aber wir können wohl nicht umhin, die Kuh wieder herzuschaffen.«

»Das müssen doch auch die andern. – Können die sich behelfen, geht es auch an für uns!« kam es erregt.

»Du weißt ja aber doch, Beret,« suchte er versöhnlich darzutun, »daß wir unbedingt nach dem Vieh suchen müssen. – Der Hans Olsen ist jetzt nicht abkömmlich wegen der Mahd; – und den andern traue ich eben nicht gar soviel zu, – hier ist nicht unter vielen zu wählen.«

»Scheint es denn dir recht,« fuhr sie auf, »daß ich mit den Kindern allein bin? Du fährst ins Weite hinaus, ich weiß nicht, bleibst du einen Tag oder eine Woche! – Warum können denn nicht der Sam und der Henry reiten? Auf die wartet niemand daheim!« Sie sah nicht auf; in ihren Worten lag aufgedämmte Leidenschaft.

Nein, jetzt war sie unbillig, fand der Per Hansen; aber sie verstand es wohl nicht besser! »Schau, ich meine halt, es ist zu keines Nutz und Frommen, wenn jene Burschen reiten.«

»Dann muß Tönset'n heran.«

Jetzt weinte sie, hörte er.

»Ja, der, gewiß – dann kämen die Kühe bestimmt zum Vorschein!« sagte er, und auch ihm war das Weinen nahe.

Sie stand jetzt am Fenster und sah schweigend in einen grauen Tag hinaus.

Der Per Hansen trank eilig den Kaffee, stülpte sich den Hut auf, ging zur Tür, öffnete und trat hinaus. – Er blieb stehen: Durfte er die Beret so zurücklassen? – Er konnte doch gar nicht begreifen, was seit kurzem über sie gekommen war. Sie hatte einen klareren Verstand als irgendein Mensch, den er kannte, und dann redete sie einsichtsloser daher als ein schlechterzogenes Kind? Was war bloß über sie gekommen, seit sie hier draußen waren? – – Nein, er durfte sie gewiß nicht so zurücklassen?

Aber er ging doch zum Holzstoß, nahm Sattel und Zügel und zäumte das Pferd, – zauderte dann wieder.


 << zurück weiter >>