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II

Als er am nächsten Morgen heraufkam, um das letzte Stück fertig zu eggen, war der Himmel wolkig und die Luft feucht; alles Milde war gewichen; es wehte ein rauher, kalter Wind.

Kaum war er mit dem Rücken Hafer fertig, da fing es auch schon an zu regnen. In den Regen mischten sich Schneefetzen; sie verdichteten sich bald zu Schlackwetter. Dann ging es in Schnee über – Schnee, der sich zu dichtem Gestöber zusammendrängte, und bald stand die ganze Prärie in tobenden Wirbeln. Es wurde daraus ein Blizzard, der fast so schlimm war wie der, den sie im Winter erlebt hatten.

Das Wetter hielt den ganzen Tag und die ganze Nacht an; aber früh im Morgengrauen klarte es auf und eine beißende Kälte trat ein.

In dieser Nacht tat der Per Hansen kein Auge zu. Er war altbefahrener Seegast, war nicht Landmann, und er hatte Grund wachzuliegen. – Jetzt war alles Saatgut vergeudet, hinausgeschmissen, weil er ja immer zu hitzig war! Da lagen jetzt Weizen und Hafer, erstickten bei solch einem Wetter, oder froren zu Kiesel. – Über den Hafer hätte er noch nicht viel Worte verloren, aber der Weizen! Der Weizen!! Fünfundzwanzig Bushel kostbaren Weizens hatte er weggeworfen, alle Arbeit umsonst gemacht; und dabei nirgendwo Saatkorn mehr aufzutreiben!

Als er am nächsten Morgen herauskam, erblickte er eine Schneeschicht von einem Fuß Dicke über den Feldern und fühlte eine Kälte, die ihm die Haut vom Gesicht ätzen wollte: All das Gute und Lichte, in dem er hier herumgegangen, war von harter Hand weggerissen – er hätte sich plötzlich in den Schnee und die Kälte setzen mögen und laut losheulen.

Er ging wieder hinein, legte sich aufs Bett – nein, er wolle kein Frühstück. Als er liegen blieb und auch nicht zu Mittag essen wollte, kam die Beret und fragte, was ihm denn fehle, – sei ihm denn schlecht ?

Er kehrte das Gesicht zur Wand; er antwortete ihr unlustig: – Die sollten nur ruhig essen, die dazu imstand waren; – das mit ihm gehe schon vorüber. – – Als sie ihm eine Schüssel warme Suppe ans Bett brachte, wies er sie zurecht, wie ein ungezogenes Kind, das einem Gram macht: Könne sie ihn denn nicht in Frieden lassen? Wenn er gesagt habe, er wolle nichts, dann sei das ja wohl klar und deutlich! – Die sollten nur essen, die es vermochten. –

Die Sonne kam hervor, kraftbebende, leuchtende Sonne; aber sie taute nicht viel auf – die Kälte war noch zu gewaltig.

Der Per Hansen blieb liegen. Der Sonnenschein und die weißen Wände blendeten ihn; er hatte eine schier unüberwindliche Lust, alles zum Teufel zu wünschen. – Da war er mit dem Säen fertig geworden und hatte so sicher gemeint, es sei seines Lebens größter Wurf ... und kaum war das letzte Korn in der Erde, da stiegen auch schon die Kräfte des Himmels herab und riefen ›nein‹!– Ja, ja, so war's! – – Der Große-Hans hatte letzten Sonntag der Mutter laut vorgelesen; und darauf konnte der Vater sich noch gut besinnen. Was der Bub da gelesen, hatte sich so häßlich angehört, daß er gemeint hatte, so etwas könne in der Bibel nicht stehen; da war er an den Tisch gegangen, um sich selbst zu überzeugen ... Und da hatte der Große-Hans ihm vorgelesen, mit besonderm Nachdruck auf jedem Wort:

»Da sagte der Herr zu dem Widersacher: Von wannen kommst du? Und der Widersacher antwortete dem Herrn: Vom Durchstreifen der Erde und vom Hinundhergehen auf ihr.«

Jetzt standen diese Worte lebendig vor ihm; er murmelte sie vor sich hin.

Er wälzte sich auf seiner Lagerstatt – sah wieder den Balken hinter der Stalltür ... Falls der Geselle hinter ihm aus war, dann machte er am besten sogleich Schluß! – Er schwitzte, daß er durchnäßt war, – der Balken winkte ihn geradezu zu sich heran! –

Der Schnee verschwand wie ein Hauch; er lag einen einzigen Tag, wurde gegen Abend mürbe und verging in der nächsten Sonne. Und nennenswerte Feuchtigkeit hinterließ er nicht, – nach ein paar Tagen war es trockner als zuvor in diesem Jahr. – Die Sonne schien, die Sonne flutete den ganzen lieben langen Tag, und die Sonne hinterließ am Abend so viel Wärme, daß die Nächte lau waren und geradeso zu Leben erwachten wie der Tag; Schönwetterabende zogen herauf, die Tote aus den Gräbern hätten locken können.

Aber Per Hansens Saat, die lag oben im Acker, verdorben von Schnee und Frost, – die feinen, wundersamen Körner, die sowenig vertrugen ... Ja ja, so war's! –

Eines Tages war er draußen, wußte nicht recht, was er anfangen sollte: und da fiel sein Auge auf Tönset'n, der jetzt angefangen hatte zu säen. Wie jemand, der sein Todesurteil erwartet, ging er, um mit Tönset'n zu sprechen. Der ist uralter Amerikaner, dachte der Per Hansen bitter, und versteht sich darauf, über einen armen Neusiedler den Stab zu brechen.

Aber Tönset'n hatte heute sehr viel zu tun, der hatte keine Zeit zum Plaudern.

Der Per Hansen gewann es nicht über sich, von seinem Elend zu erzählen, und begann vom andern Ende:

Der Syvert bekomme es doch arg schön und gleichmäßig zurecht. –

Tönset'n spuckte ergiebig.

So? Finde das der Per? – Tönset'ns Arm beschrieb Bogen durch die Luft. Goldkörner flogen aus seiner Hand, träufelten durch den Sonnenschein herab, legten sich stille zum Träumen. – Das war so wunderschön! – Aber der Per Hansen sah, daß Tönset'n es besser machte als er.

Der Per Hansen begann, neben Tönset'n auf und ab zu schreiten: »Ich sehe jetzt ein, ich hätte warten sollen und dich bitten, mir zu helfen.«

»Ja, da siehst du's, hitziges Kind holt sich für den eigenen Hintern die Rute heran! So geht es halt immer!«

Und Tönset'n bewegte sich im Gleichschritt weiter, schwenkte den Arm und zeigte dem Nachbar, wie leckeres Säen zu vollführen war ... Die Goldkörner flogen, wurden besonnt und legten sich.

Der Per Hansen machte plötzlich kehrt und ging davon.

Tönset'n besann sich wenigstens soweit, daß er innehielt und ihm nachrief:

»Wolltest du etwas von mir, Per Hansen?«

»O nein, keineswegs!«

»Ja schau, ich habe halt viel zu beschicken.«

»Das sehe ich,« sagte der Per Hansen und ging. Ging zum eigenen Acker hinauf; der lag da schwarzbraun und leblos und grinste ihn an.

Er legte sich auf die Knie und grub in die Erde, nahm das erste Korn, das er fand, und legte es auf die Handfläche, drehte es mit dem Zeigefinger hin und her. – Das Körnlein war dunkel von klebriger Erde. Die Erde strich er vorsichtig ab; aber der mattgelbe Glanz, in dem er das Märchen gesehen, der war verschwunden. Das Körnlein lag in der Hand blaß, weißgrau, schmutzig, – so tot, wie nur möglich ... Der Per Hansen ließ es fallen und grub nach dem nächsten. Mit dem war es ebenso; aber es war geschwollen und im Begriff aufzubrechen. »Das ist also vom Frost gesprengt!« murmelte er laut und heftig. Er stand auf und sah über den Acker:

»Und der Widersacher antwortete dem Herrn und sagte: Vom Durchstreifen der Erde und vom Hinundhergehen auf ihr.«

– – Ach ja, es fehlt wohl nicht daran, daß der den Weg hergefunden hat, dachte der Per. Mög's ihm höllisch versalzen werden!


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