Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

V

Um die Mittagszeit hielten die drei Wagen ihren Einzug in Worthington. Der Ort hatte damals noch nichts Städtisches an sich; ein paar Dutzend Häuser standen, von denen die meisten Schuppen waren, die anderen Erdhütten, und alles trug durchaus das Gepräge des Vorläufigen. Der Ort machte den Eindruck eines Lagers, das heute hier aufgeschlagen war, morgen aber vielleicht darauf verfiel, Dutzende von Meilen weiter weg zu sein. – Aber ein paar Läden waren immerhin vorhanden, und das wichtigste von allem: die Eisenbahn, die Schlagader im Leben des Westens, hatte sich bereits herangewunden.

Der Per Hansen fuhr von Haus zu Haus, grinste freundlich und bot auf breitestem Nordländisch seine Kartoffeln an. – Das Glück erwartete ihn hier, schien's, nicht an der Schwelle, es ging träge mit dem Verkauf. Erst als er am anderen Ende der Stadt war, schloß er einen nennenswerten Handel ab.

Hier traf er nämlich auf eine Witwe mit zwei halberwachsenen Buben. Die Witwe war Dänin und betrieb einen kleinen Hühnerhof. – Gewiß, sie brauche allemal Kartoffeln, sowohl für sich, wie für die Jungen und die Hühner! Geld gebe es im Hause zwar nicht; aber Hühner, die habe sie. Wolle er vielleicht Kartoffeln gegen Hühner austauschen?

Das wollte der Per Hansen gern. Und er erwarb sich drei Junghühner für neun Kübel Kartoffeln.

Dieser Tausch ist höchst vorteilhaft, dachte er; die Hallinge sind braves Volk, aber die Dänen beinah noch besser. »Nimmst noch drei Kübel dazu, mein Schatz, für eine vierte Henne, gelt?« Die Witwe ging darauf ein, und der Per Hansen war von seinem trefflichen Handel überzeugt. – Auch die Witwe schien ausnehmend zufrieden.

Der Per Hansen wandte sich zum Gehen. Aber davon wollte die Witwe nichts wissen. Er müsse bleiben! Sie habe auf dem Herde einen alten Hahn, der schon seit heute früh koche und vielleicht bald mürbe sei. Wo genug sei für drei, finde sich Rat auch für den vierten!

Und in Per Hansens Mund gab es kein Nein.

Als der Per Hansen eintrat, war er fast noch überraschter über die Gamme als vorher über die Witwe. Das gemütlichste Heim, daß er je gesehen! Bloß eine Erdhütte, kleiner als seine eigene – aber aus jedem Winkel strahlte Behagen. Hier waren die Wände nicht schwarz wie bei ihm daheim; nein, weiß waren die, so leuchtend weiß, daß ein Gelb darin spiegelte. – Die reinste Märchenhütte!

Der Per Hansen vergaß ganz, sich zu setzen. »Nein, Mutter, guck jetzt nicht nach dem Essen! Erzähl lieber, wie du das so unvergleichlich schön hergerichtet hast! – Kannst du mir sagen: ist das Anstrich? Der ist dann wohl entsetzlich teuer?«

Das Gesicht da sah sie schräg mit so deutlichem Wohlgefallen und unverfälschter Bewunderung an, daß sie froh und herzlich darüber lachte und es seit Jahren zu kennen meinte.

Bewahre! Das sei ganz gewöhnlicher Kalk mit Wasser.

Die Witwe bereitete das Essen und erklärte ihm gleichzeitig, wie er's anfangen müsse. Und hier sei ein Norweger, der mit Holz- und Baumaterialien handle. Vielleicht, daß der Kalk gegen Kartoffeln eintausche? – Ja, und so und so müsse er den Kalk anrühren.

»Nein, glaubst du wirklich, Mutter, daß er Kartoffeln eintauscht?« rief der Per Hansen; er hätte die Witwe am liebsten ans Herz gedrückt. »Und das schwöre ich dir, Mutter, wär' ich dir rechtzeitig begegnet, da hätt' ich sicherlich um dich gefreit!«

Zwei Büblein mit roten Backen und blanken Augen, die genau aussahen wie die Mutter, kamen jetzt herein. Auch an denen konnte der Per Hansen sich gar nicht satt sehen; und jetzt fielen ihm die Melonen ein, und er holte die schönste und legte sie auf die Erde. – Und darauf verspeiste er den alten Hahn gemeinschaftlich mit ihr und den Buben und kam sich vor wie im Märchenland. Es war ja doch sonnenklar, daß das Glück noch immer neben ihm saß! – –

Ja, das Glück hielt an diesem Tage wirklich zum Per Hansen, daran war nicht zu zweifeln. Von der Witwe fuhr er stracks zu dem Mann, der mit Baumaterial handelte, und fragte, ob es anginge, etwas Waren für Kartoffeln und viele andere Leckerbissen einzutauschen. Der Mann trat herzu und besah sich die Fuhre. Oh, ausgeschlossen sei es gerade nicht, meinte er. Was wolle er denn dafür haben?

Da lachte der Per Hansen: »Eigentlich alles, was hier steht; aber ich will mich mit ein paar Säcken Kalk und ein paar Bretterenden begnügen. –Du hast doch wohl Kalk?«

Er bekam so viel Kalk, als er wollte, und mehr Bretter, als er erwartet, und obendrein als Zugabe Nägel. Die Bretter waren gehobelt; der Per Hansen ging mit ihnen um, als wären sie die Seiten eines kostbaren Buchs.

»Ja, meiner Treu! Das gibt ein schmuckes Boot für's Knäblein, – jetzt mag es kommen!« Und zum Mann gewendet, sagte er: »Zum Herbst kauf ich dir dein ganzes Lager ab; ich kann es brauchen und noch mehr dazu, sollst du wissen.«

Er mußte durchaus mit dem Mann noch eins schwätzen. War doch zu lustig, hier einen Norweger anzutreffen. – Der Per Hansen blieb noch lange bei dem Landsmann sitzen.

Mittlerweile hatten die Reisegenossen schon seit geraumer Zeit ihre Einkäufe abgeschlossen und Mittag gehalten und waren dabei, ihre Waren zu verstauen, als er endlich angefahren kam. – Da ging's mit allen dreien wieder in den Laden zurück. Da lag soviel und vielerlei. Und alles duftete ergötzlich, und nun gar der kräftige Whiskygeruch, der alles durchdrang. – Der Per Hansen trat von einem Fuß auf den andern und schnupperte und konnte gar nicht stille stehen.

»Nein, sapperment! Wer jetzt ein paar Heller übrig hätte! Aber es schadet nichts, zu wissen, wo die Dinge zu finden sind, wenn einmal die Münzen kommen, – was meint ihr, Kerle?«

Vor allen Dingen mußte er zuvörderst das mit der Egge und dem Pflug, die auf ihn gebucht standen, ins reine bringen. Der Solumbub machte den Dolmetscher.

Nach langem Feilschen wurde es schließlich, wie sich's der Per Hansen gewünscht: er zahlte 15 Dollar und der Rest blieb bis zum Herbst gegen 15% Verzinsung stehen.

Und jetzt hatte der Per Hansen freie Bahn für seine Einkäufe. Das erste, was er wollte, war Netzgarn! – Da wollten sich der Solumbub und auch der Hans Olsen schütteln vor Lachen; wolle er etwa in der Prärie Netze stricken? – Jawohl, Garn brauche er, vor allen anderen Dingen Garn. Als er schließlich eine Sorte fand, die ihm einigermaßen zusagte, kaufte er gleich mehrere Knäule. – Und ferner brauche er Schnüre, Schnüre zum Aufreihen des Netzes – selbstredend!

Den Kameraden schien es, als verjuxe er seine Heller. Bis zum Sioux River sei es weit und nur die notwendigsten Fahrten dorthin ausführbar.

»Verlange du nur die Schnur, du Henry!« gab der Per Hansen zur Antwort.

Darauf kamen die eigentlichen Einkäufe, die, um derentwillen er den langen Weg gefahren war. Zunächst aber noch ein paar Kleinigkeiten, über die er sich ganz leise und so verschämt zum Henry ausließ, daß der immer noch einmal fragen mußte. Also ein wenig Kaliko mit großen bunten Rosen darauf, etwas Band und feinen Zwirn und ein wenig feines weißes Baumwollzeug. Und dann durchaus Hoffmannstropfen und etwas Feinöl in einem Fläschlein! – War doch gar zu leidig, den Solumbuben bei solchen Dingen als Dolmetscher gebrauchen zu müssen, den Junggesellen, der noch rein gar nichts erlebt hatt'! – Und nun waren die Wirtschaftseinkäufe dran; als wichtigstes Mehl; sodann Stoff und Tabak, Streichhölzer und Petroleum; Kaffee und Sirup. Und Salz. Beim Salz kam den Kameraden wieder das schiere Staunen; denn der Per Hansen verlangte davon weit mehr, als die anderen alle zusammen, und grübelte noch, ob es nicht doch zu wenig sei.

Und jetzt war er fertig; denn das Geld war zu Ende. »Sollten wir uns wirklich auf dieser Fahrt nicht ein einziges Schlücklein gönnen?« meinte der Hans Olsen nachdenklich.

»Da sagtest du was Gescheites!« stimmte der Per Hansen schnell bei. »Und da hätt' ich auch beinah die drei Flaschen für den Syvert vergessen. Aber – die Kjersti darf davon beileibe nichts wissen; denkt mir daran, Kerle, wenn wir heimkommen; – soll wohl Schmieröl abgeben für seinen Kutter.«

Der Handelsmann gab, ehe er die Flaschen füllte, eine Runde. Der Henry nahm zwei Flaschen für sich und eine für den Bruder, der Hans Olsen hatte seine Riesenflasche mit, meinte aber, das sei doch sehr knapp, ließ sich noch eine kleinere geben und steckte die zu sich in die Tasche. Der Per Hansen nahm zwei für sich und drei für Tönset'n. – Nach dem Flaschenfüllen fand nun aber der Krämer, er habe mit diesen Männern einen so ansehnlichen Handel abgeschlossen, daß er getrost noch eine Runde spendieren könne, – schien braves Volk zu sein. Und ehe sie aufbrachen, mußten sie nach gutem altem Brauch noch ein ganz klein wenig gegenseitig beieinander kosten. Herr Gott, man kam doch auch nicht jeden Tag in die Stadt! – – Der Hans Olsen gebrauchte die Füße ungemein vorsichtig als er hinterher auf den Wagen kletterte und setzte sich überaus nachdrücklich auf den Kutschsitz; aber dafür saß er dann auch verläßlich.

Es war schon später Nachmittag, als sie sich endlich aufmachten. Neunzig lange Meilen dehnten sich vor ihnen; aber keiner schenkte dem einen Gedanken. Essen hatten sie reichlich mit, Obdach unterm Himmel, wo immer sie rasteten, und das Wetter war gut. Der Per Hansen fuhr an der Spitze und schnalzte unaufhörlich die Pferde an. Er blickte immer wieder zum Westhimmel auf, der bereits in kräftigem Abendrot aufstrahlte: Herre Gott, wie war hier draußen doch alles so herrlich! – – Ob es wohl anginge, die Nacht durchzufahren?

Als sie sich schließlich doch zum Lageraufschlagen entschlossen hatten, der Hans Olsen das Feuer zum Brennen gebracht und den Muskessel darübergehängt hatte, schnitzte der Per Hansen im Feuerschein Netznadeln Langer, flacher Holzstock mit gabelförmigen Enden zum Netzestricken. und dann ein rundes Strickholz.

Die Kameraden lachten ihn aus, erst schmeiße er sein Geld für Garn hinaus und dann vertändele er die Zeit mit solchem Kram!

»O ja,« lachte der Per Hansen dazu, »ein jeder schwätzt halt, wie er Verstand dazu hat!« und arbeitete, bis er fertig war. –


 << zurück weiter >>