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VI

Und eines schönen Tages riß dem Per Hansen die Geduld. Er geriet in einen Zorn, der ihn selber erschreckte, streckte die Hand aus, faßte etwas, und es zerbrach unter dem Griff.

Einer der Solumbuben gab den Anlaß. – Der Henry kam eines Vormittags herüber, trat in die Hütte und schwätzte lange, als läge nichts weiter vor. Der Per Hansen freute sich über den Besuch und nötigte ihn zum Bleiben. – Als der Henry sich endlich zum Gehen erhob, fragte er den Per Hansen, ob er ihre Kuh nicht bis zur Frühjahrsbestellung in Kost nehmen wolle. Die Kuh werde im Januar kalben, er also dabei nichts verlieren; Heu sei mehr als genug vorhanden. Der Henry fragte zaudernd und ohne aufzublicken; es war geradezu, als schäme er sich, sein Begehren vorzubringen.

Der Per Hansen zwinkerte mit den Augen; das war so hübsch von dem Henry! Mehr an die Beret und die Kinder zu denken als an sich selbst! Das war so hübsch, daß er es kaum begriff. – Nein, keineswegs könne er solch ein Angebot annehmen! Freilich sei es bei ihnen nicht flott bestellt mit der Milch; aber sie hätten gelernt, sich auch ohne sie gut zu behelfen. Sie äßen halt Suppe statt Mus, und da ginge es. – Nein, er wolle den Solumbuben den Tropfen Milch nicht nehmen, da sie ihn einmal hätten!

Der Henry schaute verlegen zu Boden, wußte augenscheinlich nicht, wie er sich seines Auftrags entledigen solle.

Oh, so war es eigentlich auch nicht gemeint gewesen, sagte er. Er und der Bruder hätten sich einen Schlitten gezimmert; den gedachten sie jetzt zu probieren. – Die Kuh könne nicht zurückbleiben, wenn sie fuhren.

Da lachten Per Hansens Augen; er beugte sich über den Tisch, redete eifrig und geschwind: Nein, blas' es der Kuckuck! Wollten sie etwa nach Sioux River? Wie? Ja, denn die Fahrt, die wollte er grausam gern mit ihnen mitmachen! Könnten sie nicht ein wenig auf ihn warten, bis er fertig sei? – Er warf einen geschwinden Blick auf die Frau.

Es sei auch nicht akkurat das, gestand der Henry und wurde noch verlegener. Die Eltern lebten allein im Osten von Minnesota – – und da hätten er und der Sam davon geredet, daß es vielleicht das beste für sie beide sei, sich nach Osten zu trollen und mit den alten Leuten Weihnachten zu feiern. – Es sei hier so einsam für sie – und jetzt ohnehin schwärzester Winter. Sie wollten zurückkommen, sobald es im Frühjahr wegsam geworden. – – Wolle er ihnen den Dienst erweisen, die Kuh zu übernehmen?

Erst war es, als erloschen in Per Hansens Gesicht alle Lichter; dann aber entzündeten sich mit einmal mehrere zugleich, und es fauchte und zischte aus ihnen.

»Dann nimm du nur dein altes Kuhgerippe mit, du Henry! Wir wollen deine Milch nicht!« Es zuckte um Pers Mund.

Well, meinte der Henry ruhig, nehme der Per es auf die Weise, müsse er sich wohl bei anderen umtun; aufnötigen wolle er niemandem die Kuh! Fand sich kein anderer Ausweg, müsse sie geschlachtet werden; denn mitnehmen könnten sie sie unmöglich. Und damit ging er.

Und jetzt war das Unwetter losgebrochen. – Die Buben saßen am Tisch, jeder mit einem Stück Kohle; sie zeichneten Ponys und Indianer auf die Tischplatte; die vom Großen-Hans sollten mit denen vom Ole Krieg führen; die Buben waren so in ihr Spiel vertieft, daß sie kaum merkten, was in der Stube vorging. – Die Beret flickte beim Herd und hatte das Gössel neben sich; das Kind versuchte sich an einem kleinen Läppchen mit Nadel und Faden. – – Der Per Hansen stand am Fenster und sah hinaus.

Da sagte die Beret in ihrer stillen Weise und ohne aufzusehen, sie finde es nicht so sonderbar, daß die Solumbuben weg wollten. Wozu sollten sie hier in der Wüstenei bleiben?

Es war, als hätte jemand plötzlich den Per Hansen gestochen, so fuhr er herum und blitzte die Frau mit harten, funkelnden Augen an.

Nein, sagte er schneidend, wenn diese Kerls Männer und nicht bloß verdammte Läuse wären, fänden sie sich freilich etwas zu tun!

Es trat Stille ein nach diesem Ausfall; er ließ sich schwer auf die Bank fallen. – Aber dann brauste er wieder auf:

Pö, zu tun, – zwei kräftige Mannsleut! – Da lag die leckerste Schlittenbahn vor ihnen, die man sich wünschen könne. Wären die beiden erwachsene Burschen und nicht die reinen Säuglinge, machten sie sich jetzt daran, Zimmerholz zum Hausbau anzufahren! Wenn er nicht hier gerad wie ein altes Weib zu sitzen genötigt wäre, hätte er jetzt genug Zimmerholz daheim zu dem prächtigsten Herrenhof und vielleicht sogar angefangen zu bauen! Sei sie wirklich der Meinung, hier sei nichts zu schaffen?

Die Worte rasselten in dem Stüblein wie eine Feile in einem Sägeblatt.

Wieder trat Stille ein. Er stand auf und steckte sich die Pfeife in den Mund, zündete aber nicht an; er wußte nicht, was er tat.

Sie war's, die das Schweigen wieder brach, und obwohl die Frage ganz ruhig klang, schnitt sie tiefer ein als sein Ausfall:

Warum tue er es denn nicht? fragte sie.

Brauche sie das zu fragen? schäumte er. Sei sie etwa in dem Zustand, daß er das Haus verlassen könne?

O, sie sei doch wohl in keinem schlechteren oder besseren Zustand, als in den er sie gebracht, antwortete sie. Und jetzt sprach auch aus ihren Worten Hitze. – Aber ihretwegen dürfe er nicht daheimsitzen, setzte sie noch hinzu.

Da schlug der Per Hansen mit der Faust auf den Tisch, daß es krachte. Die Buben bekamen es mit der Angst, rückten weg, – sie hatten ihn noch nie so gesehen; er sah aus, als könne er im nächsten Nu nach der Mutter schlagen. Das Gössel warf ihre Näharbeit der Mutter in den Schoß, steckte die Hand in den Mund und schrie wie am Spieß.

»Du schwätzest gerad, wie du Verstand dazu hast, – – – ja, weiß Gott!«

Er sah eine Mütze irgendwo an der Wand, griff sie, rannte zur Tür und fuhr zur Stube hinaus.

An dem Tage hielt er sich die ganze Zeit draußen auf. – Aber ehe es Abend wurde, hatte er für jeden der Buben ein Paar Skier hergestellt; die waren zwar recht klobig, aber nicht schlechter, als daß sie sich brauchen ließen. Die Buben rissen vor Freude die Augen auf, wagten aber noch nicht, dem Vater in die Nähe zu kommen. – – – Als er endlich am Abend hereinkam, stand das Essen bereits auf dem Tisch. – Die Beret hatte sich gelegt.

Sobald er gegessen, sagte er den Buben, er habe heute abend beim Olsen etwas zu besorgen; er wisse nicht, wann er heimkomme; bleibe er lange, sollten sie sich legen. – Nein, sie dürften nicht mit!

Er warf einen Blick auf das Bett und ging.

Beim Hans Olsen rief er die Sörine zu sich vor die Tür und bat, sie unter vier Augen sprechen zu dürfen; und jetzt war er verschämt und sonderbar, versuchte es hinter Scherz zu verbergen; aber es wollte nicht recht gelingen. – – – Er bat die Sörine inständig, ob sie nicht so freundlich sein wolle und nach der Beret sehen, – ja, es sei das beste, sie täte es sogleich!

Stehe denn etwas bevor? wollte die Sörine wissen.

Nein, nicht akkurat auf die Weise; – obwohl es jetzt gewiß an der Zeit sei. Aber die Sörine könne glauben, es sei fürwahr nicht so kurzweilig für die Beret, die allein sitze und nicht zur Tür hinauskönne. Weder sehe sie Leut, noch höre sie Leut!

O ja, sie ginge gern hinüber!

Könne sie nicht sogleich gehen ?

Sei es denn so erschrecklich eilig? Dann sei es das beste, daß er sogleich auch die Kjersti hole, – denn den Job wolle sie nicht allein übernehmen!

Nein nein. – Nein, darum handle es sich nicht!

Die Sörine zog sich an, kam wieder heraus und war bereit. – Er begleitete sie ein Stück des Wegs.

Wolle er denn mit? blieb sie stehen, um zu fragen.

Nein, das gerade auch nicht; er habe heute abend noch viel mit dem Hans Olsen zu bereden. – Es sei nur das, daß sie sich so gut auf alles verstehe, und deshalb müsse sie gut nach der Beret sehen. – Und sie dürfe sich diesmal nicht beeilen!

Sörines gutes, verständiges Gesicht schaute ihm gerade in die Augen: »Ich kann hören, daß du heut abend recht sehr in Angst um dein Weib bist, Per Hansen. Das ist hübsch von dir, will ich dir sagen!«

»Gott segne dich inniglich für deine Worte, Sörine!«

Der Per Hansen fühlte sich wie wiedergeboren, vermochte aber nicht aufzublicken. »Ich will dir etwas sagen, Sörrina! Ich bin nicht halb so bange um ihretwillen, als um meiner selbst willen. –Heute hätte ich beinahe Hand an sie gelegt; ja, solch ein feines Mannsbild bin ich, – jetzt weißt du's! – Und jetzt geh!«

»Dafür verdientest du eine Tracht Prügel, Per Hansen!« lachte sie, war aber gleich wieder ernst: »O ja, das Leben kann einen jeden von uns einmal hart ankommen. – Jetzt laufe ich gleich hinüber. Du brauchst dich heut abend nicht zu sputen. Bedürfen wir deiner, schicke ich den Ole.«

Der Per Hansen blieb im Winterabend stehen und sah der davoneilenden Gestalt nach, bis sie verschwand – – Nein, solch ein Prachtmensch! Die könnte dreist sowohl Pastor wie Seelsorger sein, die Frau!


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