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X

An dem Abend kehrte die Ruhe erst spät in Per Hansens Hütte ein; die Spannung wollte nicht weichen.

Der Große-Hans war nicht mit auf dem Hügel gewesen; aber der Ole hatte ihn, als er nach Hause kam, hinter der Hütte gesucht und erzählt, was der Sam gesagt und auch er selber meine, nämlich, daß der Indian bestimmt die Kühe geraubt habe! Und damit hatte er sich hinein und ins Bett begeben.

Der Vater und die Mutter waren bereits beim Auskleiden; der andre Bub kam immer noch nicht. Die Mutter ging ihn draußen suchen, rief seinen Namen und ging um die Gamme herum. Es war jetzt fast dunkel. Sie bekam Antwort vom Dachfirst; da oben saß der Bub und starrte in die Nacht. Sie mußte ihn erst hart anlassen und mit dem Vater drohen, ehe er schließlich heruntergerutscht kam, hineinschlich, sich die Kleider abstreifte und ins Bett kroch.

Als der Vater und die Mutter soeben am Einschlafen waren, kam ein entsetzliches Aufschluchzen aus dem Bett des Buben; darauf Stille, lautlose Stille; dann wieder ein riesenhaftes Schluchzen. – Die Mutter fragte hinüber, ob ihm denn schlecht sei? Und jetzt brach es erst richtig los. Er warf sich und krümmte sich und heulte, daß ihm der Atem verging. Die Mutter suchte ihn mit lieben Worten zu beruhigen, und das Unwetter im Dunkel schien sich besänftigen zu wollen. Aber da kam ein Kreischen, wie wenn ein Blasebalg sich mit Wind füllt, dann ein tränenersticktes Jammern: »Bunt-scheck! – Bu-hunt-scheck!«

»Nein, bleib du liegen, Beret! Ich stehe auf und nehme das Büblein!« Und der Per Hansen zog sich bereits die Hosen über; er wisperte, daß er kaum zu verstehen war.

»Komm einmal her, mein Hansel; will dir etwas erzählen!« Er hob den Buben auf, nahm eine Jacke von der Wand, wickelte ihn darin ein, und dann ging er mit ihm hinaus. Auf den Holzstoß, den sie vom Sioux River heimgefahren, setzte er sich mit ihm hin. Und da fingen sie dann an zu plaudern; zunächst der Vater allein; aber allmählich begann zwischen den Schluchzern auch der Große-Hans etwas einzuflechten. Der Wind blies ihnen die Regentropfen gerade ins Gesicht, fragte, ob sie toll seien, hier um diese Zeit des Tages zu sitzen, und vermochte doch nicht, sich ihre Beachtung zu erzwingen.

Des Vaters liebes, gemütliches Plaudern linderte des Großen-Hans Kummer.

»Ist auch gar zu verkehrt, daß wir nicht zwei Ponys haben! Sonst hättest du morgen mit mir nach den Kühen reiten müssen!«

Wußte denn der Vater, wo sie seien, kam es zwischen zwei Schluchzern.

»Aber freilich, das kannst du dir doch denken!«

Diese Versicherung veranlaßte den Großen-Hans, sich auf des Vaters Schoß zusammenzukuscheln und sich einem zuversichtlichen Behagen hinzugeben, das überaus guttat.

Hatte der Indian sie geholt?

»Aber bewahre, nein! – das waren redliche Indians, sag' ich dir! – Ja, das hast du doch selber gesehen?«

»Aber wo sind denn die Küh'?«

»Oh, die sind nur so weit vom Hof weggezackelt, daß sie nicht mehr haben heim kommen können. – Morgen in der Frühe reite ich nach ihnen.«

Nach dieser Zusicherung entstand eine lange Pause; der Große-Hans fühlte sich unerhört wohl und geborgen, das Schluchzen versiegte.

»Die Indians skalpieren keine Kühe, oder doch ?«

»Aber nein! Solche Barbaren sind die doch nicht!«

»Das sind auch bloß Menschen?«

»Gewiß, das sind auch bloß Menschen, siehst du!«

»Kühe wären auch nichts für Krieger!«

»Nein, das ist sicher und gewiß!–Noch dazu für Häuptlinge!«

Es war schon spät geworden; der Regen fiel noch immer. Der Vater meinte, jetzt müßten sie zusehen, ins Bett zu kommen. Aber dem Großen-Hans schien es gar zu gut zu gefallen.

»Reitest du zeitig morgen früh?«

»Ja, das werd' ich wohl.«

»Bleibst du lange?«

»Das hängt davon ab, wie weit weg ich muß.«

»Und es ist auch gar nicht gefährlich, wenn der Indian zurückkommt, während du weg bist, – ich kann doch mit ihm reden!«

»Und ob du das kannst! Nein, solange ich dich daheim weiß, hat es keine Gefahr!«

Der Per Hansen trug den Buben ins Bett.

Und jetzt war der Große-Hans gleich eingeschlafen. Aber mitten in der Nacht setzte er sich im Bette auf: »Jetzt komme ich, Buntscheck,« rief er, ringelte sich darauf auf dem Kissen zusammen und schlief weiter.


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