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VIII

Die Tage verstrichen. Tage in Sonne gebadet, – – – Tage in öder Verlassenheit, – Tage von einer Kälte, die alles Leben erstarren ließ.

Jemand aber wurde das Tageslicht nicht gewahr, ob es nun grau war oder golden. Die Beret starrte auf den Lehmboden der Hütte, sah nichts als Nacht rundum. –

Nein, die Beret sah um sich nur Finsternis. Sie versuchte es zwar, die Sonne einzulassen, vermochte es aber nicht. Seit sie hier herausgekommen, hatte sich der Eindruck immer mehr in ihr verstärkt –:

Das war die Vergeltung!

Jetzt kam die Strafe, die Gott der Herr ihr zugemessen hatte. Jetzt mußte sie die Schale seines Zornes trinken. – Weit weg war sie gewandert, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang; aber der Arm seiner Macht reichte weiter. Nein, sie konnte nicht entfliehen, – jetzt kam die Vergeltung! –

In dieser Stille war so guter Anlaß, alles zu überdenken; seit dem Herbst hatte sie nichts anderes getan. Oh, – sie hatte viele Erinnerungen!

Sie hatte den Per Hansen genommen, weil sie nicht anders konnte, obwohl sie niemand dazu zwang. – – Sie war schwanger von ihm geworden auf ungeziemende Weise; dennoch hatte sie keiner zu der Heirat gedrängt; weder Vater, noch Mutter, noch Obrigkeit. Nur sie selber. – Die Eltern hatten sich mit aller Kraft der Heirat widersetzt, sogar noch, als schon das Kind – der Olamann – da war.

Niemals hatte es das geringste verschlagen, was die Eltern oder sonst jemand sagten; sie hatte nur noch Augen für den Per Hansen gehabt! – In seiner Gegenwart vergaß sie das Gebot des Vaters und der Mutter und ihre inständigen Bitten. – Er war für sie das Leben gewesen. Darum hatte sie sich ihm hingegeben, obwohl sie wußte, daß es in Sünden war; hatte sich ihm in wildester Freude gegeben.

O ja! Hier hatte sie Muße gehabt, sich dessen zu erinnern, wie die Eltern gebettelt und gedroht hatten, sie solle von ihm lassen! Alle ihre Worte holte sie jetzt hervor und überdachte sie. – Der Per Hansen sei ein wankelmütiger Geselle, hatten sie gesagt. Er trinke; er raufe; er sei wild und unbändig; zu jederlei Tollheit sei er zu haben; kein ehrbares Weib könne mit einem Mannsbild dieser Art glücklich werden. – Und er halte sich gewiß auch zu andern Weibern, wo er nur dazu kommen könne. – Von all dem andern wußte sie, daß es auf Wahrheit beruhe; nur nicht das letzte, – nein, das nicht! Sie allein von allen Frauen besaß sein Herz. Dieses Bewußtsein hatte für sie des Lebens Süße ausgemacht. – – Was kümmerte sie sich wohl um all das andere! Nichts wog dieses Eine auf! – 0 nein, sie wußte, für ihn war sie die Königstochter!

Jetzt erst wurde ihr klar, was die Eltern alles versucht hatten, um sie beide voneinander zu trennen, und alle die Opfer, die sie gewillt gewesen zu bringen. Damals verstand sie es nicht! – Ach, ihre herzensguten Eltern, von denen sie sich abgekehrt, um an ihm festzuhalten! Wie sie gelitten hatten! Das Kind, das sie und er in Sünden gezeugt, hatten sie zu sich nehmen wollen, ihm Namen und Erbe geben und es an Kindes Statt aufziehen. Ihre teuer erworbenen Ersparnisse hatten sie angreifen wollen, um sie, die Tochter, aus der Schande wegzuschicken, so lieb war sie ihnen gewesen! Aber sie hatte nur nein zu allem gesagt, was die Eltern bereit gewesen, ihr in Liebe zu opfern. – –

Gab es eine Schuld, größer als die ihre?

Doch wie hätte sie anders gekonnt ? Wo der Per Hansen war, blühte für sie der helle Sommer. Wie sollte wohl ein Mensch das eigene Leben aufgeben können, was sein Leben ausmachte? Hörte sie von einer verwegenen Fahrt durch Unwetter und Orkan, bei der er mit seinem und anderer Leben gespielt, wurden ihr die Wangen heiß und der Sinn leicht. So war der nun einmal, den ihr Herz sich erkoren! Und niemand tat es ihm gleich, sang es in ihr. Wenn sie dann in der Sommernacht auf dem Heidekrauthügel saß und er kam und ihr den Kopf in den Schoß legte, den störrischen Kopf, mit dem nur sie fertig zu werden wußte, dann empfand sie es so, als durchschritte sie die Pforte des Paradieses! – – Und hätte sie tausend Leben gehabt, sie hätte sie alle für eine solche Stunde weggeworfen, und wäre obendrein glücklich gewesen!

– O ja, sie erinnerte sich jetzt an all das von damals; hier draußen war es still, und die Erinnerungen kamen so leicht! –

Sie hatte niemals Genaueres darüber erfahren; aber sie wußte wohl, wer den Hans Olsen dazu vermocht, den alten Hof zu verlassen und nach Amerika zu ziehen; nur zu einem Menschen noch außer ihr sah der Per Hansen auf und hatte ihn lieb, – das war der Hans Olsen. – Sie hatte den Hans Olsen darum beneidet, gemeint, er nehme ihr etwas. Selbst an die Sörine, die die Gutherzigkeit selber war, hatte sie sich um dieser Ursache willen nicht so anzuschließen vermocht, wie sie es wohl nötig gehabt hätte – weder in Norwegen noch hier. – – Aber als der Per Hansen jenen Frühling aus dem Lofot heimgekommen war und mutwillig und wild damit um sich geworfen hatte, daß er jetzt nach Amerika durchbrenne, – ob sie gleich mit wolle, oder lieber warten und später nachkommen? Ja, da war in ihrem Munde kein Nein gewesen. Drei Kinder hatte sie gehabt und ein ordentliches Heim nach kleiner Leute Art, – und sie war aufgestanden, hatte die Kinder genommen und war von allem übrigen weggegangen, als sei es ein Nichts!

Wie die Mutter geweint hatte – – und der Vater getrauert, als sie abreisten! Immer war der Vater als Bettler zum Per Hansen gekommen und hatte ihm alle seine Habe angeboten, – Boot und Gerätschaft, Haus und Hof nach seinem Tode, – wenn der Per bloß sich in Norwegen zufriedengeben und ihnen die Tochter nicht wegnehmen wolle. Und dann hatte der Per Hansen alles bloß weggelacht! In der Unerschütterlichkeit seines Entschlusses war etwas gewesen, das sie mit warmen Wellen durchflutet hatte. Sie hatte damals gewiß ein zweifaches Leben geführt, hatte mit den Eltern getrauert und war mit dem Per Hansen fröhlich und guter Dinge gewesen. Er hatte in jenen Tagen gehaust wie ein Sturm, so mutwillig und toll, und so harthändig, wo er zugriff. Nein, hatte er gesagt, akkurat jetzt wollten sie den Ausflug unternehmen! Amerika, das sei ein Land, wo es ein armer Tropf zu etwas bringen könne. Das Endlein Weg sei doch auch nicht weiter lang; gefiel es ihnen nicht, kämen sie halt wieder zurück, sobald eine passende Westwindsbrise aufspringe. – – Da hatten sie alles verkauft, was sie sich mühsam zusammengescharrt, hatten alles hinter sich gelassen wie ein Paar verbrauchter Stiefel – Eltern und Heim, Vaterland und Volk! – Und sie war mit allem einverstanden gewesen und obendrein noch glücklich! – – –

Gab es irgendwo noch eine Sünde wie die ihre? –


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