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III

Sie blieben beisammen, bis der Abend im Osten der Widde zu blauen begann. Das Gespräch wandte sich ernsten Dingen zu: wie sie sich künftig einrichten wollten, was die Zukunft ihnen wohl bringen werde, wie der Boden zu bearbeiten sei; vor allem aber sprachen sie von dem Reich, das sie im Begriffe waren, zu gründen. – – Niemand sagte es, aber alle fühlten: es war jetzt etwas im Werden! –

Als der Abend über ihnen war, versiegte die Unterhaltung. Eine seltsame Stimmung umhüllte sie alle, wehte mit der Brise heran, entströmte der Macht des Ungezähmten, des Unendlichen rundum; sie entquoll dem Boden, auf dem sie saßen.

Die Stimmung schuf ein dumpfes, schwer deutbares Ahnen. So mancherlei konnte hier draußen geschehen, – ach ja, Gott helfe ihnen allen – so mancherlei!

Weit war es bis zu den Menschen, – kläglich weit!

Die Gesichter waren ernst; aber aus den meisten leuchtete solche Kraft, daß der Ernst nicht sonderlich Oberhand gewann. –

Der Per Hansen war der erste, der die Stimmung abzuschütteln vermochte. Er sprang auf und schudderte sich, wie einer, den's friert.

»Ist dir kalt?« fragte die Beret; sie war ihm jetzt wieder herzlicher zugetan; – sie wähnte, sie allein habe das Wunderliche gefühlt.

»Aber nein! Nur glaube ich, wir sind alle miteinander drauf und dran, den gesunden Menschenverstand zu verlieren. Sitzen hier und schmausen am hellichten Sommertag, als wär's die Weihnachtszeit! – Komm, Alte, jetzt fahren wir heim zu uns!«

Alle standen auf.

»Ja, tu jetzt, wie es dir recht scheint, Per Hansen,« meinte Hans Olsen, »nimm den Quart oder nimm ihn auch nicht. Aber nach allem, was ich sehe, kannst du einen bessern kaum finden, – pflügbar jeder Fußbreit bis zur Hügelkuppe. Wasser für Volk und Vieh hast du auch. – Und dann kommt noch hinzu, daß ich, komme ich zwischen dich und den Syvert zu sitzen, nicht über die Nachbarn klagen kann. – Doch so weit kennst du mich wohl, daß du um deswillen den Quart nicht zu nehmen brauchtest. – Aber – nimmst du ihn doch, so müssen wir einen von den Solumbuben mit dir nach Sioux Falls schicken, je eher, je besser, damit du das Land sofort belegst. So müssen wir es alle halten, – der eine wie der andere. Es können, bis der Schnee fällt, noch viele Westfahrer kommen, und wir fünf müssen beieinander bleiben! – Ja, das ist also mein Rat.«

»Ja, und der ist,« fiel Tönset'n ein, »dafür, daß er aus einem so großen und dicken Schädel kommt, keineswegs schlecht. Hier kommt, Gott strafe mich, noch ehe der Sommer vorbei ist, so viel Volk vorüber, daß es kaum mehr Bleibens ist! Dann denkt daran, Kerle: das hat der Syvert vorausgesagt! – Und du, Per Hansen, mußt noch morgigen Tags nach Sioux Falls; und kann keiner von den Solumbuben mit, um für dich zu reden, dann kann ich's.«

Der Per Hansen hatte wieder dasselbe gute Gefühl wie heute nachmittag, daß die Dinge sich für ihn gleichsam von selber ordneten, und ihm wurde so wohl zumute! Diese große Strecke schönen Landes, die er hier vor sich sah, die sollte ihm gehören dürfen. Und gute Leute und getreue Nachbarn sowohl im Süden wie im Norden, – Leut, die für ihn sorgten und ihm nur helfen wollten!

Er fragte leise lächelnd: »Habt ihr seit eurer Ankunft hier etwa Zeichen von lebenden Wesen entdeckt?«

»Nein, Kind,« versicherte Tönset'n, »weder von Waldriesen noch von Indianern! Ich war hier der allererste, siehst du! Aber niemand kann wissen, wann die Lawine losrückt, – nach den Reden, die die Leute im Osten diesen Winter geführt haben. Und zudem ist das Landzuweisungsbüro für diese Gegenden jetzt nach Sioux Falls verlegt worden. Die Regierung tut das nicht ohne Absicht, könnt ihr begreifen!« Tönset'n redete mit überlegener Sicherheit.

Per Hansens Lachen klang jetzt froher: »Ich sehe jetzt, Syvert: es geht durchaus nicht an, daß du bloß Bäcker bist; wir müssen dich in ein höheres Amt befördern. – – Aber jetzt will ich mir das Kaisertum anschauen, das ihr für mich beiseite gestellt habt. – Komm du mit den Fuhren nach, du Ola!«

Er machte sich auf den Weg, und die beiden andern mußten tüchtig ausschreiten, um mitzukommen.

»Es ist hoch gelegen,« sagte der Per Hansen, als sie sich eine Weile umgesehen hatten. »Herrliche Aussicht hier oben!« Sie standen endlich auf dem höchsten Punkt des Höhenzuges. Nach allen Seiten Weite. Und schön war's in der Abenddämmerung. –

Plötzlich fing der Per Hansen an vorsichtig zu gehen; er witterte eifrig, blieb vor einer kleinen Erhöhung des Erdbodens stehen, sah scharf hin, sagte dann ernst:

»Hier liegen also Menschen! Hier ist ein Grabmal.«

Die beiden andern waren so verblüfft, daß sie es zuerst nicht wahrhaben wollten.

Der Hans Olsen hob ein Steinchen auf und drehte es zwischen den Fingern: »Das ist einmal ein sonderbarer Stein! Der sieht aus wie bearbeitet! Schau ihn dir an, du Syvert.«

Tönset'ns rotes Gesicht wurde lang und nachdenklich. »Gott strafe mich, ich glaube fast, hier sind Indianer gewesen! – – Vertrackt!«

»Das sind sie wohl,« nickte der Per Hansen gelassen und setzte trocken hinzu: »Aber das brauchen wir nicht gerad auf dem Kirchenhügel öffentlich anzukündigen! – Es gehört nur wenig dazu, gewisse Leute zu ängstigen.«

Er stieg hinunter und rief dem Ole zu, er könne dort haltmachen, wandte sich dann zum Hans Olsen und bat, ihm die Grenze seines Grundstücks zu zeigen. »Ich sehe keinen Nutzen darin, daß wir unsere Hütten weiter als gerade nötig voneinander ab bauen. – Es kann den Weibern bisweilen die Zeit lang genug werden.«

Tönset'n schaukelte heim; – sein Gang schien ein gut Teil beschwerter, als da er am Nachmittag bergan stieg.


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