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»Buntscheck! – Buntscheck!«

I

Die Vorräte schrumpften ein. Tüten und Säcke grinsten leer und hatten kaum noch etwas herzugeben. Man teilte miteinander, solange etwas da war; aber selbst beim Hans Olsen, bei dem doch alles so reichlich vorhanden gewesen, ging der Proviant auf die Neige. Bei den Mannsleuten war der Tabak so rar wie der Golddukaten. –

Der Sommer war auch schon vorgeschritten, so daß man bald ans Heuen denken mußte; kurz, es blieb kein andrer Ausweg: sie mußten jetzt zur Stadt.

Eines Sonntags also kamen die Männer zur Beratung zusammen. Eine Stadtreise war in jenen Tagen eine ernste Angelegenheit und mußte von Anfang bis Ende scharf durchdacht und genau geplant werden; die 70, 80 Meilen über unbewohntes Land waren eine eigne Sache – auf Hin- und Rückfahrt waren vier Tage mindestens zu rechnen, sogar mit Pferden. Schwieriger noch war es fast, in der Stadt auch wirklich alles Nötige zu erledigen; denn alles für das ganze kommende Vierteljahr mußte angeschafft werden, – Essen, Kleidung, Gerätschaft, soweit der Heller nur reichte. Und reichte er nicht, so mußten Auswege ersonnen werden. Noch war am Spring Creek niemand so weit, daß er etwas hätte feilbieten und in Waren oder Geld umsetzen können.

Ein paar von den Männern mußten daheim bleiben; so manches konnte geschehen! Es war seltsam damit: niemand erwähnte es, niemand sprach davon; und doch war wohl keiner in der kleinen Siedlung, der sich hier draußen vollkommen sicher gefühlt hätte. Ein unerklärliches, unbestimmbares Grauen konnte sie ohne jeden Anlaß plötzlich befallen, sich als Ruhelosigkeit über sie wälzen, sie bei allem Tun und Lassen übervorsichtig und -empfindlich machen. Die Mannsleut wurden unter diesem Druck schweigsam und arbeiteten ihn sich von der Seele. Die Weiber befreiten sich von ihm durch Plaudern; oft sprachen sie dann übereifrig und lärmend. Nur wenige waren sich der eigentlichen Ursache bewußt, niemand hätte seine Befürchtungen zugegeben.

Herre Gott! Mannes Macht war bisweilen wenig wert; das bekamen sie zu spüren! Ein rein ungeheuerliches Sturmwetter konnte aufziehen, – und so unbegreiflich jäh! Und die Sörine fürchtete sich so sehr vor den Stürmen. Erst vor einer Woche war Hans Olsens Zelt fortgerissen und die Sörine eingewickelt und mitgeschleppt worden, so daß sie fast erstickt wäre, obwohl der Hans Olsen das Seil über den Rücken gelegt und sich mit seiner ganzen Riesenkraft dagegengestemmt hatte. Er wurde mit weggefegt wie ein Flocken Wolle. Aber es war niemand zu Schaden gekommen.

Und dann die Indianer – die ›Indians‹, wie es den Leuten eingefallen war, die roten Kinder der weiten Steppe zu benennen. Die Kjersti fürchtete nicht den Sturm; der benahm sich doch auf Menschenart, – der skalpierte doch nicht die Leut! In ihr war die Angst vor den Indianern höchst lebendig.

– Einer lag da oben auf dem Quart vom Per Hansen, und wo die Toten lagen, erschienen wohl auch die Lebenden! Seit sie das gehört, starrte sie fast nur noch dort hinauf. – Übrigens war ihre Furcht begreiflich. Die Berichte von den Greueln des Jahres 62 hatten sie und der Syvert so oft gehört, daß sie sie auswendig konnten. Nach Filmore County, wo sie damals gewohnt, waren zwei Flüchtlinge von Norway Lake gekommen; die Erzählungen bauschten sich, während sie von Mund zu Mund wanderten, auf; als sie jetzt hier draußen, wo es kein Vergessen gab, in dem bangen Gemüt erwachten, nahmen sie phantastische Ausmaße an.

Tönset'n jedoch fürchtete sich vor ›dem Indian‹ keineswegs, – bewahre! Weshalb denn nur? Die seien doch zivilisiert und alles, beruhigte er die andern. Wenn der Per Hansen Tönset'n so reden hörte, dann grinste er ganz sonderbar: »Ja schau, du Syvert, der ›Indian‹, der ist jetzt in diesen zehn Jahren ein pikfeiner Herrenmann geworden, mit roter Zipfelmütze, Holzschuhen, Langpfeife und so. Keine Sache für einen Wilden, feines Benehmen zu lernen, wo es hier ringsherum von Menschen wimmelt!«

Bei den Tröndern östlich Sioux Creek hatte der Per Hansen nämlich vielerlei Bescheid bekommen; darunter auch den, daß unweit ein Ort sei, der soviel wie Flandreau heiße; westlich davon gehe eine Fährte nach Nebraska; zwischen den beiden Orten mache der rote Mann seine jährlichen Wanderungen. – Sehr wahrscheinlich, daß Per Hansens Quart mitten auf diesem Wege lag! – Nun, das werde sich zeigen, ehe noch der Sommer um war, und niemals lohnt es, den Hut zu lüften, ehe der Mann vor einem steht!

Die Männer sprachen in Gegenwart der Frauen nie von den Rothäuten. Aber der Ole und der Große-Hans hörten mit offenem Munde zu, bis er ihnen wässerte. Es gruselte sie jetzt zwar vor der Hügelkuppe; aber wegbleiben, – nein!

Die Kjersti hatte Angst vor den Indians, die Sörine fürchtete sich vor dem Sturm, und die arme Beret fand, ihr graue vor allem! – –

Das Ergebnis der Beratschlagung an jenem Sonntag entsprach der Lage der Dinge; es machte sich sozusagen ganz von selbst, daß der Hans Olsen, Tönset'n und der Henry Solum, die alle Pferde und Wagen hatten, fahren sollten, – drei Männer mit je einem Gespann, die mußten wohl alles das heimschaffen können, was die Anwohnerschaft imstande war, auf einmal zu kaufen.

Der Per Hansen war gründlich verstimmt, mürrisch und vergrätzt, ließ kaum ein Wort fallen; – übrigens hätte er auch nicht viel zu sagen gewußt. Es schien von vornherein ausgemacht, daß er, der keine Pferde hatte, zu Hause bleibe, – er und der jüngere Solumbub, sie sollten nach allem sehen, obwohl das nicht besonders gesagt wurde. Und das schien dem Per eine schäbige Aufgabe für einen Mann zu sein! Es war doch klar, daß er für solch eine Fahrt besser taugte als Tönset'n oder der Solumbub! Aber weder der Herrgott noch sonst wer wußte hier, was not tat! – Sie hätten es jedoch wissen müssen; darum hätte der eine oder andre ihm gern seine Pferde anbieten können. Aber Per Hansen war nicht der Mann, der sich aufdrängte. – Verdammt ärgerlich war es darum doch, daheim bei den Weibern zu hocken, während die andern auf Langfahrt zogen! – – Die Abenteuerlust brannte ihm im Blut.

Als die Männer am Montag in aller Frühe aufbrachen, war er so übelgelaunt, daß er gleichfalls bei Dämmerlicht aufstand, den Ole weckte und die Ochsen vor den Pflug spannte. An dem Tage brach er anderthalb Acre Neuland um und stellte damit – bei den damals verfügbaren Gerätschaften – den Rekord für die ganze Gegend auf. Als er Feierabend machte, das Stück abschritt und sah, was er ausgerichtet, kam ihm so frohe Laune, daß er sich ein Liedlein pfeifen mußte: Fürwahr! Beeilten sich die Kerle nicht, dann hatte er, bis sie heimkamen, die ganze Farm umgepflügt. Dann mochten sie sehen, wer am meisten taugte!–


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