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IV

Aber der Per Hansen war. in jener Nacht keineswegs schläfrig. Er lag völlig wach und sah in die Ferne. Trotz der nächtlichen Kühle schwitzte er bei den Gedanken, die sich ihm jetzt unwiderstehlich aufdrängten.

Und er hatte dazu allen Grund! Denn wie war das doch alles gekommen? – Übrigens war ihm nicht bloß heute abend so; es war ihm schon den ganzen Tag so gegangen und gestern abend und vorher auch, – er wurde gar nicht mehr damit fertig. Und jetzt überfielen sie ihn wieder mit neuer Gewalt, alle die Besorgnisse und Einwände der Frau, bevor sie sich auf diese Fahrt begeben hatten, die ausgesprochenen sowohl wie auch die, die keine Worte gefunden. Und gerade die letzten wurden, während sie hier im Ungewissen herumtappten, mit jedem Tage schlimmer. – Dumm war sie keineswegs, die Frau, – und um die Wahrheit zu sagen, so hatte sie reichlich soviel Witz wie andere Leut!

Nein, es war ihm nicht leicht ums Herz, dem Per Hansen! Aber das war's ihm in keiner Nacht gewesen, seit er neulich nachmittags diesseits Jackson das Pech gehabt; da hatte sich der größere Wagen in einem Moorloch festgefahren und war beim Herausziehen so rettungslos kaputt gewesen, daß er wieder nach Jackson zurückgemußt, um Reparaturwerkzeug zu holen. Damals war es ihm überflüssig und sinnlos vorgekommen, daß der ganze Auswandererzug volle vier Tage auf ihn warten solle, und er hatte nichts davon hören wollen; denn sie hätten bis zum Winter noch den Erdhüttenbau vor sich und müßten auch Neuland umbrechen, wollten sie dies Jahr noch Saat in die Erde bringen, – nein, keineswegs sollten sie auf ihn warten, – er wisse sich schon zu helfen! Und er hatte sich genau über Weg und Kurs und Rastplätze unterrichten lassen. Alles war ihm so überaus einfach erschienen, – damals. Und da waren die andern halt ihres Weges gezogen, sowohl Tönset'n, der landeskundig war, wie auch der Hans Olsen und die beiden Solumbuben. Die hatten Pferde und brauchbare Wagen, die kamen schnell vorwärts, die Kerle!

Hätte er doch auf den Hans Olsen, seinen alten Lofot-Gefährten, gehört, der durchaus hatte warten wollen! Aber – er hatte es also an jenem Tage nicht gekonnt.

Und neulich, da hatte er sich also verirrt; Nebel und Regenschauer bis weit in den Nachmittag hinein; er hatte nicht mehr gewußt, wo er tappte und taumelte. Da war er darauf verfallen, möglichst weit vorauszumarschieren, – um den Fragen der andern, die er doch nicht beantworten konnte, zu entgehen! –

Nur eines wußte er sicher: er hatte die Spur nicht; denn sonst hätte er doch irgendeinen verlassenen Lagerplatz finden müssen! – Und jetzt galt es bald das Leben, sie wieder aufzufinden. – Bis zum Stillen Ozean war es gewiß noch weit! Und bis dahin hielt der Wagen nimmer. – Wahrhaftig: es galt das Leben. Kaum noch Vorrat war in den Wagen. – Dem Per Hansen entrang sich ein schwerer Seufzer, den er nicht mehr rechtzeitig zu unterdrücken vermochte.

Ach ja, für den Hans Olsen war alles nicht so schlimm! Der war wohlhabend und hatte die Mittel, gleich im großen anzufangen, – hatte ein Weib, das keine Furcht kannte! – – Der Herrgott mochte wissen, ob die Fahrtgenossen sich jetzt östlich oder westlich von ihm befanden! – Und Tönset'n mit seiner Kjersti, die beide in Amerika groß geworden, die Sprache und alles kannten, waren mit bei denen. Und die Solumbuben, die sogar hier geboren waren. – Ja, denen konnt's freilich einerlei sein, wo sie heute nacht lagerten!

Aber er, der Neuankömmling, der nichts hatte und nichts kannte und mit den Seinen in dieser Grenzenlosigkeit umhertaperte! – – Die Beret hatte auch gar so wenig Lust zu dieser Fahrt gehabt, und sie war doch in mancher Hinsicht verständiger als er.

Wahrlich – er hatte sich bequem gebettet!

War ihm auch ganz unbegreiflich, warum er nicht die kurze Spanne Zeit in Filmore hatte warten wollen! Hätte sich ja dort Arbeit suchen können, bis die Frau vom Wochenbett genesen war, und zum nächsten Frühjahr hinausziehen können; – das war es gewiß, was sie gewollt, obwohl sie es nicht mit so vielen Worten gesagt hatte! –

Die Decke wurde so schwer und warm, daß er sie sich von der Brust zurückschlagen mußte.

Sonderbar auch, wie lange es heute abend dauerte, bis die Beret neben ihm zur Ruhe kam. Warum schlief sie jetzt nicht gleich ein? Sie wußte doch, daß ihnen auch morgen wieder ein mühevoller Tag bevorstand! –

Wenn bloß der verdammte Wagen nicht wieder zusammenkrachte!


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