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II

Der Per Hansen und die Buben tummelten sich in den Tagen vor Winters Anbruch. Sie stürmten von Märchen zu Märchen. Rast gab es keine, weder tags noch bei Nacht. Die Beret schaute ihnen nach, wenn sie davonfuhren; und waren sie zurückzuerwarten, so ging sie mit dem Gössel auf dem Arm vor die Tür nach ihnen ausspähen und hatte auf dem Herd etwas Warmes bereit. Die froren jetzt gewiß, arme Mannsleut! – –

Wenn sie dann um den Tisch saßen und das Gespräch von Begebenheit zu Begebenheit hüpfte, dann vermochte die Mutter nicht zu folgen. Die frohe Lebendigkeit und der lachende Lärm der drei scheuchte ihre eigenen schweren Gedanken nur noch tiefer ins Dunkle hinein.

Und doch mußte sie einräumen, daß der Per Hansen sich auf ganz besondere Künste verstand. Niemals werde sie begreifen, wo er das alles gelernt. Da waren zum Beispiel die Wände, auf die er so strahlend stolz war und die der Große-Hans niemals müde wurde zu bewundern.

An die Wände hatte er sich gleich gemacht, nachdem er die Kartoffeln zu den Hallingen gefahren hatte. Den Kalk hatte er nach der Vorschrift gemischt und auf die Wände geschmiert und das in doppelter und dreifacher Lage. Jetzt leuchtete es im Innern der Gamme, daß einem fast die Augen weh taten. Solange noch nicht Schnee lag, hatte die Beret gefunden, es sei artig, in solcher Stube zu wohnen; als es aber draußen, soweit das Auge sah und der Gedanke reichte, weiß und nichts als weiß wurde, da meinte sie, es sei doch verkehrt gewesen, daß er's getan. Jetzt schmerzten die Augen draußen und drinnen. Der dunkle Lehmboden wurde zu dem einzigen, auf dem der Blick verweilen und ausruhen konnte. Die Beret sah jetzt stets zur Erde, wenn sie sich drinnen aufhielt.

– Darüber etwas zu sagen, ihm die Freude zu nehmen, nein, das brachte sie nicht fertig. – – Und es konnte ihr ja auch gleich sein. Sie hielt es wohl noch aus die kurze Frist, die ihr gegeben! –

Die vielen Fische aber, die der Per Hansen mit beiden Buben von einem großen Ausflug zum Sioux River mit heimbrachte, bereiteten ihr uneingeschränkte Freude. Und der Per Hansen hatte bei der Gelegenheit gleich bei den Tröndern vielerlei Merkwürdiges erörtert und manche wichtige Aufklärung erhalten. – Jetzt lagen längs der ganzen Hüttenwand gefrorene Fische, und der Per Hansen bewies der Beret, welch eine segensvolle Fügung Gottes es sei, daß der Schnee endlich da war. Du lieber Himmelt wäre der jetzt nicht gekommen, hätte er ihn geradezu holen müssen! Jetzt hätten sie den ganzen Winter über frische Fische.«

»Hei, Alte,« lachte er, wenn sie darüber klagte, daß es, seit der Schnee gekommen, so öde geworden sei. »Du kannst doch wohl begreifen, daß wir ohne den Schnee nicht aus noch ein gewußt hätten! – Hei, weiß und schmuck draußen wie drinnen! Möcht' wissen, ob man nicht auch mit dem Fußboden etwas anstellen könnt'?«

Und jetzt kam es auch an den Tag, was der Per Hansen sich gedacht hatte, als er die Unmenge Salz gekauft: er salzte Fische ein in alle irgend entbehrlichen Gefäße.

Für die Buben jedoch war die Entenjagd mit dem Netz das herrlichste von allen Abenteuern. Während der Große-Hans und der Bruder bloß immer davon geschwätzt, hatte der Vater sich alle Mittel ausgedacht. Narrten die Enten ihn auf die eine Weise, dann übertölpelte er sie auf eine andere – ins Garn mußten sie. – Drei Nächte hatten die drei an den westlichen Sümpfen zugebracht und sich mit all dem Unrat, den Vögel hinterlassen, und den Unbilden der Wildnis und des Wetters herumgeschlagen. Bei Tageshelle kamen sie wieder heim, naß wie Krähen, verklammt am ganzen Körper und blaugefroren im Gesicht. Aber einen Fang hatten sie gemacht! – Kaum brach der Abend herein, so ging es wieder los.

Die Beret bat so bekümmert mit Worten und Gebärden, sie möchten doch nicht wieder hinaus; sie täten sich Schaden auf die Weise. Was sollten sie wohl mit all dem Geflügel? Sie könnten das gar nicht alles aufessen! – – Da mußten die Buben lachen. Das klang akkurat, als hörten sie die Sofie reden; die Weiberleut waren wohl alle gleich unverständig. Hatte man so etwas gehört – keine Enten mehr fangen!

Und der Vater lachte auch und scherzte mit der Mutter. O doch, sie müßten die Nahrung hereinholen, die ihnen gerad vor der Hüttentür lag. Vielleicht friere es schon heute nacht? – »Wart bloß ab, bis die Enten gerupft sind, dann gibt's ein feines Federbett sowohl für dich wie für Klein-Per!« – Der Per Hansen sagte das mit ganz weicher Stimme. – »Und im übrigen gibt es auch auf des Königs Tafel keinen größeren Leckerbissen als solche Enten!«

Aber er überzeugte sie nicht. »Wir haben's nicht vonnöten!« sagte sie kleinlaut und schwieg.

Die Dämmerung kam, die Mannsleut fuhren davon, und sie blieb mit dem Kind allein. –

Und dann war der Winter gekommen; die Sümpfe froren zu und mit dem Entenfang war's für dies Jahr vorbei.

Und jetzt hatte der Per Hansen Zeit, sich ein wenig zu strecken und zu verschnaufen.

»Ja, jetzt meine ich fast, wir tragen den Nachbarn ein wenig Suppenfleisch hin,« sagte er. »Diesmal soll's etwas anderes geben als Dachsbrühe!« – –

In der kleinen Siedlung waren alle in den Tagen vor Winters Kommen emsig bei der Arbeit. Sie ahnten sein Nahen und daß es am besten sei, sich zu seinem Empfang zu rüsten. Sowohl der Hans Olsen, wie Tönset'n und die Solumbuben waren zum Sioux River nach Holz gefahren, zweimal sogar, und waren in der letzten Zeit wenig daheim gewesen. – Man besuchte sich gegenseitig nur selten; jeder war zu sehr beschäftigt. Übrigens suchten sie den Per Hansen überhaupt nicht allzuoft auf. Es war so sonderbar mit der Frau dort im Haus: wenig sagte sie; bisweilen empfanden sie es, als kämen sie ungelegen; sie ließ Worte fallen, über die sie sich wundern mußten.

An dem Tage aber, als die Buben die Enten in alle Hütten brachten und stolz auf die mitgebrachten Herrlichkeiten daneben standen und Dinge verlauten ließen, die sich wie Märchen anhörten, da gingen die Leute zum Per Hansen hinüber, um zu hören, wie er sich beim Vogelfang verhalten habe. Denn damit wollten die Buben nicht heraus, soviel man auch nachforschte. Die Solumbuben waren die ersten, Tönset'n und die Kjersti ließen nicht lange auf sich warten; zuletzt kam auch der Hans Olsen und sein Weib.

Als sie aber erst in der Hütte standen, vergaßen sie die Entenjagd und starrten bloß die Wände auf und ab.

Nein, o nein, was war denn das! Hatten sie etwa Schnee an die Wände gekleistert? – Der Sam schien das wirklich zu glauben und tupfte daran. – »Was ist es denn aber sonst? Doch nicht Farbe? – Du große Welt, wie schmuck das ist!«

Der Per Hansen saß dabei, sog an der Pfeife und genoß seinen Triumph; er hatte, schien es ihm, die Nachbarn noch nie so lieb gehabt, wie zu dieser Stunde. – – Die Beret ging still umher und hörte zu, hatte heiße Backen und war ein wenig verlegen, – um keinen Preis der Welt hätte sie das mit den Wänden jetzt ungetan gewünscht!

Die Sörine lächelte hübsch und lieb und ging zur Beret und sagte warm: »Jetzt ist's doch richtig schmuck in deiner Stube. Sollst sehen, du wirst hier noch gedeihen,« und half ihr bei der Hausarbeit.

Die Kjersti aber klopfte sich die Schenkel: da könnt' einer sehen, was sie und die Sörfina für mäßige Männer bekommen hätten! Warum falle denn denen nicht etwas so Artiges ein? Warum saß denn nur dem Per Hansen der Kopf an der rechten Stelle? – Ihr Mann schnappte auch richtig ein; er müsse sie denn doch daran erinnern, daß er es gleichsam gewesen, der die Landsleute aus den Westfjorden eingefangen habe! »Auch weiß ich nicht, was diese Schrulle vom Per Hansen für einen Zweck haben kann; hier ist es, Gott strafe mich, bald so fein, daß man nicht mehr ausspucken darf!« Und Tönset'n bedachte die Beret mit vorwurfsvollen Blicken; denn des Per Hansen Größenwahnsinn, der schrieb sich selbstverständlich von ihr her, die sich niemals dazu bequemen konnte, wie andre Leut zu sein.

Die Solumbuben hatten ihre helle Freude an den Wänden. Heirateten sie einmal, wollten sie's akkurat ebenso machen.

Der Hans Olsen sog an der Pfeife und spendierte nicht viel Worte. Er fand das alles bloß so sonderbar. Er fügte bedächtig die Einzelheiten zusammen, ohne sich einen Reim daraus machen zu können: Sah das dem Per Hansen ähnlich? Ihm, der sich bei jeder erdenklichen Gelegenheit Rat bei ihm zu holen pflegte? Der tat jetzt alles allein? Wenn der wußte, wie eine schwarze Erdwand mit so geringen Kosten weiß und schön zu machen sei, warum hatte er es dann für sich behalten? Hier draußen gab es wahrhaftig nicht allzuviel Behaglichkeit, so daß alle vorhandene und erreichbare allen zugänglich gemacht werden mußte. – Das große derbe Gesicht blickte ernst. Er mußte den Per Hansen immer wieder ansehen: Nein, das war noch das gleiche gute Gesicht, das man gern neben sich wußte! Das war wohl auch nur wieder so ein Schabernack, wie er ihn ständig im Kopf trug. – – Als die beiden eine Weile später vor der Tür dem fallenden Schnee zusahen, da meinte der Hans Olsen ruhig:

»Du hast's jetzt bei dir drinnen gar schmuck, Per Hansen; aber der, der deine Außenwände herrichtet, der macht das nun gleichwohl mindestens ebensogut. – Dünke dich nicht groß um deiner eigenen Findigkeit willen!«

»Ach Dreck, Hans Olsen,« lachte der Per Hansen, »was faselst du da! Komm jetzt und such ein paar Enten für die Sörrina aus!«


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