Kurt Kluge
Der Herr Kortüm
Kurt Kluge

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Erste Probe

Die Festspieltage rückten näher. Leider war Klaus nicht wieder in Weimar gewesen. Er hatte kein Geld. Auch Herr Kortüm konnte nicht reisen. Die Einnahmen des Schottenhauses waren beklagenswert niedrig. Man schrieb sich also Briefe. Das soll der Mensch nicht tun. Mißverständnisse sind ganz unvermeidbar. Soeben war folgendes Schreiben des Dichters Friedrich Wingen bei dem Schulmeister Klaus Schart eingelaufen:

»Lieber Herr Schart, aus Euren Briefen werde ich beim besten Willen nicht gescheit. Wer ist eigentlich Herr Kortüm? Dieser Mann hat mir, ohne daß ich ihm den geringsten Anlaß dazu gegeben hätte, einen wirren und beleidigenden Brief geschrieben. In seinem Schreiben ist eigentlich nur von Eseln die Rede. Ja, er wagt auszusprechen, daß seiner Ansicht nach überhaupt nur Esel imstande wären, das Publikum ins Theater zu bringen. Ich verbitte mir solche Äußerungen. Sagen 75 Sie das diesem Herrn Kortüm! Die letzten Entscheidungen will ich doch lieber selber treffen. Sonnabend komme ich mit dem Mittagszug in Besenroda an. Sorgen Sie, daß ein paar Sänger und einige Musikanten auf dem Schottenhaus bereit stehen, denn wir müssen uns über die Akustik des Saales klar werden –«

»O weh«, sprach Klaus. »Was mag Herr Kortüm geschrieben haben?!« Er suchte Albrecht und fand ihn beim Schneeschippen auf dem Schulhofe. »Hören Sie, heute nachmittag –«

»Ich habe keine Zeit –«

»Heut nachmittag müssen Sie Ihren Kaffee und hinterher den kleinen Kümmel auf dem Schottenhaus trinken.«

Dieser geschickte Anfang verschaffte Klaus Gehör bei seinem Schuldiener, der eigentlich nicht zuhören wollte, denn der Groll Besenrodas gegen Klaus Schart, den Verhinderer des Maskenfestes, loderte auch in Albrechts Brust. »Was is'n?« fragte er etwas einsilbig und schippte.

»Um elf habe ich beim Begräbnis zu singen. Die Chorkinder sollen nun vom Friedhof gleich hinauf ins Schottenhaus. Ein Herr aus Weimar kommt heute zur Gesangsprobe. Die Kinder kriegen Kaffee und Kuchen, ich rede mit Herrn Kortüm. Bitte nehmen Sie meine Geige mit. Ich muß nämlich zum Bahnhof. Der Herr ist ja hier fremd. Und dann werden die Girlanden am Haus ausgemessen. Dazu ist ein zuverlässiger geschickter Mann nötig – 's ist kalt, aber ich sorge schon für Grog, Albrecht.«

»Mach ich.«

Das war gelungen. Klaus atmete auf. Seit dem Fehlschlag des Maskenfestes waren die Besenröder dickfellig. Klaus hatte ihnen Aufträge für die Theatervorbereitungen in Aussicht gestellt, aber die Aufträge kamen immer nicht. Ob denn wenigstens die Schauspieler viel Masken brauchten? hatten sie gefragt. – Nein, Schauspieler verstellen ihre eigenen Gesichter. – »Heute wird überall gespart. Was tät'n das nu ausmachen bei dem hohen Eintrittsgeld, wenn sie sich richtige Masken aufsetzten – aber nee . . .«

Klaus hatte es schwer. Nur auf Monich war Verlaß.

»Herr Monich, heute brauchen wir Musik oben. Die Akustik des Saales wird geprüft.«

»Müssen wir die Uniformen anhaben?«

»Nein, nein!«

»Dann geht's. Die Feuerwehr is nämlich nich so schnell zusammenzukriegen. Also schön, Herr Schart: wir nehmen zwei Posaunen, ein 76 Bombardon, drei andere Trompeten, dann 's Pfeifzeug un de Pauke. Langt das? 'n Schellenbaum lassen wir unten. Die Besetzung wie beim Chorschmaus.«

»Genau so. Schönen Dank, Herr Monich.«

Die Begräbnisfeier hatte Klaus genau berechnet. Gleich nach dem letzten Vers ging der Schulmeister, und sobald ihn die Hinterbliebenen nicht mehr sehen konnten, setzte er abkürzend in ein paar Sprüngen über verschneite Grabhügel und lief bergab auf den Bahnhof zu. Die Lokomotive, die dort draußen am Taleingang dampfte, zog den Dichter Wingen ins obere Ilmtal hinein. Wenn Klaus den Laufschritt aushielt, konnte er gleichzeitig mit dem Zug im Bahnhof einlaufen. Er dampfte wie die Lokomotive. Ein Besenröder mit einem schweren Bündel Glasröhren auf dem Rücken kam Schritt für Schritt den Berg herauf und sah erstaunt den Schulmeister den Berg hinabstieben: »Nu is er ganz verrückt geworden.«

Aber Klaus kam doch zu spät. Eben spritzte er um die Gänsegassenecke – die Lokomotive pfiff schon – da stieß er vor einen Weidenkorb. Lotte stand vor ihm, lachte ihn an und klappte ihren Korbdeckel auf: »Gefällt sie Ihnen? Ja? Es ist ja nur eine Probe zum Anhalten, ob's so paßt.«

Lotte hatte von der Winterluft rote Backen und klare Augen: »Ja«, sagte Klaus und sah sie an, »ja, wunderschön . . .«

»Blau paßt doch auch besser zu Buchsbaum als gelb. Nicht?«

»Blau ist selbstverständlich das einzig Mögliche!« Klaus zog ein Stück Girlande heraus. »Wie lang ist sie denn?«

»Fünf Meter. Nur erst das Stück über der Tür.«

Lotte ging mit dem Korb etwas zurück, damit Klaus die ganze Girlande begutachten konnte. Beinah so lang war die Girlande, wie die Straße breit war. Klaus stand hüben, Lotte drüben.

»Da denke ich nun, mein lieber Schmierendirektor holt mich in der Fremde wenigstens von der Bahn ab und zeigt mir den Weg – keine Ahnung! Der steht mit einer schönen Thüringerin auf der Straße und spannt Girlanden.« Wingen, gefolgt von seinem Diener Wenzel, welcher zwei dicke Mappen trug, war auch eben um die Ecke der Gänsegasse gebogen und wunderte sich.

»Entschuldigen Sie, Herr Wingen. Ich war eben auf dem Wege zur Bahn, aber –«

»Aber Sie blieben leider unterwegs hängen. Ich fürchte, Fräulein, so ganz ohne weiteres wäre ich auch nicht an Ihnen vorbeigekommen – Wingen ist mein Name.«

77 Das Mädchen stellte ruhig lächelnd den Korb in den Schnee und wickelte die Girlande auf. Wingen nahm den Korb und hielt ihn Lotte hin. Wenzel wollte zugreifen: »Danke, Wenzel. Passen Sie auf die Mappen auf. – So. Nun wird der Deckel zugeklappt.«

Lotte wollte ihren Korb nehmen.

»Wo kommt denn die Girlande hin?«

»Ins Schottenhaus.«

»Die auch?! Ich nämlich auch. Da paßt's ja« – Wingen hing sich den Weidenkorb über den Arm. Ehe sich Klaus in diese Rollenverteilung hineingefunden hatte – er war eben noch ein sehr unbelernter Intendant – wanderte Wingen neben Lotte schon bergauf. Als Lotte plötzlich hell auflachte, sah der Schulmeister sehr dumm aus und blickte dem Diener Wenzel fragend ins Gesicht.

Der Bälgetreter hatte die zwei Mappen auf die Straße gestellt und nahm eine Prise.

»Ich schnuppe nämlich.«

»Aha«, sagte Klaus geistesabwesend.

»Alle Bälgetreter schnuppen.«

»Das ist unglaublich!« – Klaus sah die beiden die schlechte Straße hinaufgehen.

»Wieso 'n? Sehn Sie, was 'n Bälgetreter is, der raucht nich.«

»Das geht doch nicht!« rief Klaus – Wingen und Lotte waren schon am Steinbruch.

»Je, das verstehn Sie nich. Sehn Se, im Dienst kann 'n Bälgetreter nu mal nich rauchen. Der Dampf zieht in de Kirche –«

»Aber das geht doch wirklich nicht!« – Wingen mit Lottes Girlandenkorb am Arm bog eben um die Ecke. Weg waren sie.

»Nee, das geht nich.« Wenzel nahm die Mappen auf: »Verdammig, sind die schwer. Gehn Sie auch da nauf?«

»Natürlich!!« schrie Klaus wütend.

Sie gingen. Wenzel, ein Bälgetreter und infolgedessen ein Kenner der menschlichen Natur, sah den Schulmeister von der Seite an: »Hm. Sie haben wohl dem Fräulein den Korb tragen woll'n?«

»Ach, den Lausekorb!«

»Na ja. Sehn Se, das kommt alles vom Dichten. Ich merke das auch beim Orgeln, wissen Se? Ein Dichter, der hat so eine plötzliche Natur.«

Klaus schwieg.

»Das is merkwürdig« – Wenzel geriet ins Nachdenken – »ich trage 78 seine Dichtungen oder was sonst für Papiergegenstände in den verdammigten Mappen hier sind, den Berg nauf. Un er, hä, er trägt 'n Blumenkörbchen 'n Berg nauf.«

Klaus war gereizt. »Blumenkörbchen«, wiederholte er. »Bin ich denn Luft?«

»Wo bleiben Sie denn, Herr Schart!« rief ihm Herr Kortüm entgegen. Wegen des Schnees trug Herr Kortüm ungeheure Stulpenstiefel, die bis an den oberen Abschluß der Beine reichten. Er hatte sie früher einmal von einem Forellenfischer in Besenroda unten gekauft. Herr Kortüm sah wie der fliegende Holländer darin aus. Die Schulkinder standen im Kreise um ihn herum und hatten ihre helle Freude an diesen Stiefeln.

Herr Kortüm hatte viel zu tun. Auf ihm lag wieder die ganze Verantwortung. Der Dichter war verschwunden. Wingen wollte wegen des Eselsbriefes in Ruhe ein Hühnchen mit dem Inhaber des Schottenhauses rupfen und hatte nach kurzer Vorstellung nur gesagt, daß es ihn fröre. Er bestellte sich im Saale einen Kaffee, nein, zwei Kaffees – den andern für Lotte. Die fror auch. Ihre Ohren waren ganz rot.

»Sie müssen sie reiben.«

»Die sind wie Glas in der Kälte.«

»Um Gottes willen!« rief Wingen. »Dann können sie ja erfrieren!« Er zog schnell die Handschuhe aus und legte seine warmen Hände an ihre Ohren: »Werden sie warm?«

Herr Kortüm konnte draußen im Schnee stehen. Ihm wärmte der Dichter nicht die Ohren. Monich schwebte auf einer Leiter links von der Türe, Schuldiener Albrecht rechts. Die hielten die Girlande. Herr Kortüm ließ sie einmal länger, einmal kürzer hängen und prüfte den Schwung.

»So bleibt sie hängen«, entschied Herr Kortüm.

»Wo ist denn Herr Wingen?« rief Klaus und suchte Lottes grünen Mantel.

»Der trinkt Kaffee!« schrien die Chorkinder.

»Meine Herren, lassen Sie uns auch den Kaffee nehmen«, sagte Herr Kortüm zornig und ging voran, wie das seine Gewohnheit war. Die Männer folgten, und die Kinder drängelten hinterher.

Der Geweihsaal hatte sich verändert. Am Nordende war das Theaterpodium aufgeschlagen. Der Vorhang fehlte noch, aber die Kulissen standen da: man erblickte eine Terrasse, Säulen, in der Ferne eine bunte Sommerlandschaft. Lotte stand mitten auf der Bühne und Wingen 79 erklärte ihr eifrig das Theaterstück: »Und in diesem Augenblick kommt der König selbst. Eine Laterne! schreit er« – Lotte hatte selbstvergessen die Hände zusammengelegt. Ihre Lippen waren ein wenig geöffnet. Sie las Wingen die Worte an den Augen ab.

»Sollen die Chorkinder nun unten im Saale singen oder auf der Bühne?« rief Klaus.

»Wie? Ach so. Oben natürlich. Dort die kleinen Stufen herauf. Langsam. Nicht alle auf einmal. Halt! Herr Schart, ich will doch lieber erst eine einzelne Stimme hören. Das ist wichtiger. Noch mal runter, ihr Bengels!« Wingen sprang vom Podium herab und lief ans Ende des Saales: »Bitte, Fräulein Lotte, sagen Sie mal was.«

»Aber –«

»Lauter bitte!«

»Aber ich weiß doch gar nicht –«

»Ich glaube, die Akustik ist gut. Nur noch einen Satz im Zusammenhang, bitte, Fräulein Lotte.«

Die Zuschauer starrten das Mädchen auf der Bühne an. Lotte dachte, sie müßte nun furchtbar verlegen werden – aber Wingen redete so selbstverständlich und sachlich: »Nein, sprechen Sie nicht zu mir her. Mehr dorthin, wo Herr Schart steht. Irgendwas.«

Lotte wurde rot, lachte und wunderte sich über die klingende Sopranstimme – bin ich das? – die da sprach: »Sieben Jahre hatte Hans bei seinem Herrn gedient, da sagte er zu ihm: Herr, meine Zeit ist um –«

»Eine herrliche Akustik!« rief Wingen. »Weiter!«

Aber Lotte kletterte schon die Holztreppe hinunter: »Das langt.«

Klaus starrte verdonnert die Marmorsäulen der Terrasse an: das muß doch ein Balkon sein. Die Bäume sind auch falsch. Dort standen Zypressen. Außerdem hat Konstanze eine Altstimme.

»Setzen Sie sich, Herr Schart«, sagte Herr Kortüm zu ihm. »Nehmen Sie Zucker?«

Im Kopfe des Schulmeisters kreiste es. Er wollte seine Gedanken sammeln und konnte es nicht in diesem Lärm. Jetzt polterten die Musikanten zur Tür herein. Wingen lachte: »Sie haben ja gleich ein ganzes Orchester bestellt, Herr Schart.«

Zuerst kam der Mann mit der großen Trommel, die er in schwarzes Wachstuch gepackt hatte. Dann erschien ein riesiger Baßgeigenkasten, es kamen Leute mit Trompeten, Flötenfutteralen. Herr Kortüm befahl, daß man Grog bringe. Die Stimmung bekam unbedingt etwas Festliches.

80 »Den Chor bitte, lieber Herr Schart«, sagte Wingen.

Die Kinder standen längst auf der Bühne, befühlten die Kulissen und guckten dahinter. Klaus schlug die Stimmgabel an. A, summte es leise. A–C. Und nun erklang das Landstreicherlied, Text von Friedrich Wingen. Lotte trank Kaffee, Wingen saß ihr gegenüber und malte mit einem abgebrannten Streichholz ein Zelt auf das Tischtuch . . . . »Und stellt ein Zelt ans Ende« – Schweigen. Alles blickte zu Wingen hin, der eben den Zelteingang schwarz ausgemalt hatte und versonnen Lotte anlächelte.

»Herr Wingen«, sagte Lotte mahnend.

Wingen schreckte hoch: »Ach so. Ja. Ausgezeichnet. Sehr schön, Herr Schart. Wir sind uns also über die Akustik klar –«

»Je, un die Musike?« fragte Monich.

»Die – natürlich! Haha. Also bitte.«

Jetzt aber erhob sich ein Schall, wie Wingen noch keinen gehört hatte. Der Saal war zu klein. Bombardon und Posaune und Trommel schmetterten vor die Wände, daß die Geweihe bebten. Die Kulissen schwankten leise, und die Sommerlandschaft blähte sich wie ein Segel. Wingen griff an seinen Leib, um den Magen zu schützen. Monich beruhigte ihn: »Das Haus is gut gebaut.« Lotte weinte fast. »Halt!« schrie Wingen, »die Kulissen« – da riß ein Bengel die Tür auf, daß sie krachend ans Gewände schlug: »Die Esel!! Die Esel, die Esel kommen!«

Mit eins erstarb die Musik. Die Bläser setzten ihre Tuben nicht erst auf den Fußboden, der Pauker ließ den Schlegel nicht fallen – die wilden Männer behielten ihr Mordgerät in den Händen, sprangen vom Podium herunter und stürzten nach der Tür. Das Geschrei der entfesselten Chorkinder war schon vor dem Fenster zu hören. Albrecht ließ den Grog stehen. Sogar Herr Kortüm ruderte mit den Armen, um in seinem Stiefelwerk rascher vorwärts zu kommen. Ehe Wingen auch nur begriffen hatte, was denn los sei, stand er mit Lotte allein in dem Saal. »Mein Gott, Lotte, war das ein Spuk?«

»Nein«, lachte das Mädchen. »Die Esel.«

»Ja, was hat's denn bei euch nur mit Eseln auf sich?! Ich bekomme Briefe, die von Eseln handeln. Esel, ruft einer, und ein gefüllter Saal wird leer, als wenn der Blitz eingeschlagen hätte –«

Lotte erklärte dem Dichter, was die Esel von Besenroda zu bedeuten haben.

»Seltsam«, sagte Wingen vor sich hin. »Da steht dieses Mädchen 81 hier, die Schönheit selber – kein Mensch scheint's zu merken. Ich, na, ich bin doch immerhin ein bekannter Schriftsteller, ich komme nach Besenroda – 's ist nicht mal jemand an der Bahn wegen unsereinem – und jetzt . . . Ja, es müssen wohl Esel kommen . . .«

Wingen und Lotte gingen auch hinaus. Weit und breit war kein Mensch mehr zu sehen, nur Herr Kortüm als letzter bog eben um die Ecke. Der konnte nicht so schnell in seinen Siebenmeilenstiefeln. Wingen schüttelte immer noch beleidigt den Kopf.

Als er aber mit Lotte ans Tanneneck kam, machte er große Augen: tief verschneit lag rings das Land, schweigend und ernst, und bunt und klingelnd wie ein Kinderspielzeug kamen da die steile Straße herauf sechs Eselein, nickten mit den Köpfen, schüttelten die langen Ohren und setzten zierlich ihre kleinen Hufe. Wingen schrieb Theaterstücke und sah scharf hin, wie etwas beschaffen sein müsse, um dem Publikum zu gefallen: dieses Stück gefiel bei Gott! Die Leute strahlten und riefen Kersch, dem Eseltreiber, zu: das, nee, das hätten sie denn doch nicht gedacht! Ganz Besenroda schien hinterher zu ziehn. Die Kinder jubelten, die Trompeter setzten ihr Messing an und bliesen das alte Postillonsignal – die Esel hielten einen Einzug, daß Wingen zu Lotte sagte: »Wenn ich mit meinem Stück nur halb so viel Beifall finde bei euch, will ich froh sein.«

»Sie sind aber auch wirklich niedlich«, sagte Lotte.

Niedlich? überlegte Wingen, sind sie nicht mehr? – Ruhig gingen die Tiere eins hinter dem andern durch den Höllenlärm, den die Menschen um sie herum aufführten – sie scheuten nicht. Sie kannten die Menschen: sie kamen aus einem Zirkus.

Nein, Schart«, sprach Wingen auf dem Weg zum Bahnhof, »das muß ich sagen: ihr bietet einem was, wenn man zu euch auf Besuch kommt – Menschenkinder!«

»Glauben Sie, daß es Frau Schröter bei uns gefallen wird?«

»Begeistert wird sie von euch sein! Sowas wie mit den Eseln, nein Schart, das kann kein Dichter dichten. Das kann nur –«

»Herr Kortüm machen –«

»Das kann nur das Leben selber leben. Und dabei ist es noch nicht einmal dumm.«

»Die Esel scheuen auch nicht, haben Sie es gemerkt? Konstanze braucht gar keine Angst zu haben, wenn sie heraufreitet.«

»Kon – – wer?«

82 »Frau Schröter, meine ich.«

»Mein lieber Chambertin, Konstanze Schröter ist eine von den Frauen, die noch nie Angst vor Eseln gehabt hat. Dazu ist sie schon zu lange beim Theater hienieden.«

 


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