Johann Wolfgang von Goethe
Briefe an Charlotte Stein, Bd. 2
Johann Wolfgang von Goethe

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1710

[Freitag 22. Januar 1808]

Dürft ich, liebe Freundinn, bitten die Angelegenheit wegen der Zeuge zu beschleunigen. Die Mädchen quälen mich unbarmherzig um ihre Röcke.

Nun noch eine Bitte. Möchten Sie mir das Portrait Durchl. der Herzoginn auf kurze Zeit borgen? Ich würde ein ander Bild an den Platz geben. Jemand der unsre theure Fürstinn innig verehrt, möchte eine Miniaturkopie davon machen.

Heute Abend hoffe ich Sie zu sehen.

d. 22. Jan. 1808.

G.

1711

[Sonntag 7. Februar]

Die prosaischen Aufsätze des mitkommenden Heftes werden Sie mit Vergnügen lesen. Die poetischen empfehlen sich vielleicht nicht so sehr. Ich hoffe bald mündl. Ihre Gedancken darüber zu vernehmen. Mit den besten Wünschen!

d. 7. Feb. 1808.

G.

1712

Herzlich lassen Sie Sich dancken für den Antheil an meinem Befinden! Es geht ganz leidl.

Dr Luther wartet auf und hofft freundlichen Empfang.

G.

1713

Mit vielem Danck sende den Brief zurück. Am Monument soll sogleich angefangen werden.

Mit mir will es nicht recht fort! Ich wollte ich könnte auch einen Bildhauer bestellen der mich restaurirte. Gedencken Sie mein!

G.

Nach Berlin geben Sie ja wohl gelegentlich Nachricht daß der Wechsel angekommen.

1714

[Dienstag 16. Februar]

Zu Hause muß ich stecken und das Fest dieser Tage versäumen, nicht ganz ohne Schuld; doch das kommt am Ende auf eins hinaus. Könnten Sie mir sagen wie es Morgen früh werden möchte? Bey mir die verehrte Gesellschaft zu empfangen darf ich wohl unternehmen. Bitte um ein Wort. Möchten Sie wohl gelegentlich bey der Erbprinzess Hoheit ein entschuldigendes Wort ein Wort der Anhänglichkeit für mich verwenden?

d. 16. Febr. 1808

G.

1715

[Dienstag 22. Februar]

Da ich heute noch nicht auszugehen wage wünschte ich zu erfahren was ich wegen Morgen frühe hoffen darf. Attila steht mit seinem Heer in Parade die Honneurs zu machen. Mögen Sie mich heute früh bey der lieben Prinzess entschuldigen bald soll alles hoffe ich wieder im Gange seyn. Ein Wort von Ihrem Befinden.

d. 23. Febr. 1808.

G.

1716

[Dienstag 23. Februar]

So will ich denn auch Morgen der lieben Gegenwart entbehren und mich vorbereiten nächsten Dienstag mit einigem, wills Gott, erfreulichem aufzuwarten.

G.

1717

[Dienstag 1. März]

Auch heute noch muß ich schriftlich erscheinen und bitten mich bey unsrer theuren Prinzess zu entschuldigen.

Könnte ich erfahren wie es morgen werden wird so wäre es mir sehr angenehm. Der Hunnenkönig harrt vor den Thoren von Rom. Ich aber noch viel ungedultiger auf ein baldig Wiedersehen.

d. 1. März 1808

G.

1718

[Dienstag 8. März]

Verzeihen Sie wenn ich ein Bischen stumpf bin. Manchmal komm ich mir vor wie eine magische Auster über die seltsame Wellen weggehen.

Morgen frühe hat Attila schon wieder gezäumt und gesattelt.

Dem armen Herrn der Welt wird es schlecht ergehen. Geh es uns leidl.

G.

1719

Ganz gewiß, und es würde freundl. seyn wenn die Zuhörerinnen des ersten Ackts gegenwärtig wären.

Nicht wahr der Albrecht Dürer spricht gut an?

G.

1720

Indem ich für den Caffee zum schönsten dancke; so muß ich sogleich aufrichtig bekennen daß Sie mich durch Ihr Billet recht tief beleidigen, indem Sie meine redlichen, treuen heiligen Worte von heute früh so grad an der Quelle parodiren und trüben.

Frage man doch nicht mehr warum Fremde sich zurückziehen und eine Scheu haben sich mitzutheilen. Es gehe Ihnen Wohl.

G.

1721

Wie sehr ich als ein starrer Deutscher von der Spanischen Anmuth entfernt bin, fühl ich diesmal, da ich unsrem Mißverständniß gern auf Calderonische Art nachgeholfen hätte. Es will aber nicht gehen und ich muß also nur gerade zu, in sofern ich Recht habe um Nachsicht, in sofern ich Unrecht habe um Verzeihung bitten. Warum mögen uns doch die Freundinnen so gerne necken und warum sind wir so ernst und so empfindlich! Alles Gute.

G.

1722

[Sonntag 27. März]

Für das Überschickte bin in meinem und im Nahmen des Liebesgesellen höchlich danckbar. Wegen der galvanischen Versuche habe ich mir es anders ausgedacht. Wir können es bequemer haben, wenn wir diesmal den Berg zu den Prophetenkindern kommen lassen. Glauben Sie daß es angenehm sey; so will ich veranstalten daß Dr Seebeck Mittwoch d. 6 Aprill die Versuche in meinem Hause vorlege und vortrage.

d. 27. März 1808

G.

1723

[Montag 4. April]

August empfielt sich zum allerschönsten die angenehme Gabe hat ihn so sehr erfreut als überrascht. Fahre er wohl!

Nun werden die wundersamen Metalle ins Haus kommen und sich für nächsten Mittwoch kunstmäßig zusammenschichten. Hoffentl. habe ich Morgen frühe das Vergnügen Sie zu sehen. Mögen Sie heut Abend die Comödie besuchen; so bitte ich um Nachricht.

d. 4. Apr. 1808

G.

1724

[Sonnabend 9. April]

Morgen gedencke ich nach Jena zu gehen und bis nach den Feyertagen daselbst zu bleiben.

Erhalten Sie mir ein freundliches Andencken und empfehlen mich meinen hohen Gönnerinnen und Freundinnen.

d. 9. Apr. 1808.

G.

1725

[Mittwoch 13. April]

Meine Reise nach Jena habe ich verschoben und pflege mich hier im Stillen.

Von August mögen Sie ja wohl lesen wie es ihm geht.

Bald komme ich nach Ihrem Befinden zu fragen.

d. 13. Apr. 1808.

G.

1726

[Karlsbad, Montag 16. Mai]

Hier auf einem Blättchen, wie man sonst nur von Hause zu Hause schreibt, ein Wort aus der Ferne! Wir sind glücklich in Carlsbad angelangt, mit günstigem Wetter auf schlechten Wegen. Hier fängt das Frühjahr erst an. Es sieht aus ohngefähr wie bey uns vor 3 Wochen. Ich befinde mich sehr wohl. Zugleich folgt ein Pfund Stecknadeln. Es kostet 2 rh. 12 gr. gut Geld. Nicht daß ich Ihnen die fehlende Kleinigkeit anrechnen wollte, es ist nur zur Nachricht, wenn durch Andre Bestellungen hieher gemacht würden. Der Messingdraht ist so theuer. Man zieht das Erz nicht mehr in die Länge, da man es zu Canonen so nöthig hat. Ich wünsche recht wohl zu leben und bitte mich überall bestens zu empfehlen. Ich hoffe bald mehr sagen zu können.

Carlsbad den 16. May 1808.

Goethe.

1727

[Sonntag 12. Juni]

Durch einen rückkehrenden Kutscher will ich eilig nur ein paar Worte schreiben und für den Brief, so wie auch für das darin enthaltene Blümchen dancken, welches ganz das Ansehn eines Veilchens gewonnen hatte. Ich werde mir bald mehr einbilden als der heilige Antonius, der den Fischen predigte, wenn die Blumen zu meiner Rede so freundlich ihre Öhrchen herleihen. Ich thue mein möglichstes, um zunächst wieder ein so liebenswürdiges Auditorium unterhalten zu können. Vielleicht schicke ich bald etwas, damit mein Andenken aufgefrischt werde. Empfehlen Sie mich an allen guten Tagen und Stunden, besonders Dienstags in der Frühe. Mir geht es sehr wohl, nur wird das Spaziergehn durch das üble Wetter, der Fleiß durch zudringende Gesellschaft abgehalten.

Doch ist der Tag lang genug und es geschieht immer etwas. Einen Brief von meinem August aus Heidelberg an mich wird man Ihnen zuschicken; nehmen Sie ihn freundlich auf. Für heute nicht mehr als das beste Lebewohl.

Carlsbad den 12. Junii 1808

G.

1728

[Sonnabend 2. Juli]

Von Zeit zu Zeit begrüßt mich ein gutes Wort der Freunde und Freundinnen, welches jederzeit hier eine angenehme Erscheinung ist; und so war Ihr Brief, abgeschickt den 25., verehrte Freundinn, mir herzlich willkommen.

Carlsbad wo sich bisher die Curgäste nur einzeln und Partieenweise unterhielten, fängt an sich recht zu füllen und die Durchlauchtigen Sterne werden nun bald die übrigen himmlischen Chöre um sich versammeln. Bälle, Concerte und was dergleichen mehr ist, werden lebhafter werden als bisher.

Die Ziegesarsche Familie, mit der ich viel zusammengelebt, ist nun auf Franzenbrunn. Es ist uns überhaupt, besonders aber auch unserer Bequemlichkeit angemessen, mit Personen umzugehen, die wir schon lange kennen. Frühere Verhältnisse, indem sie Vertrauen geben, machen die Unterhaltung schneller interessant und zusammenhängend.

Der Kriegsrath ist so freundlich gewesen mir durch einen Schlesier, seinen Collegen, Gipsabgüsse von sehr interessanten Medaillen zu schicken. Danken Sie ihm dafür aufs beste. Was er wegen der Künstler, die sie verfertigt, zu wissen wünscht, werde ich ihm schreiben, sobald ich wieder nach Hause zu meiner Sammlung und zu Hofrath Meyern komme, der diese Dinge sehr durchstudirt hat.

Frau von Stael in Weimar kann ich mir recht gut denken. Hier höre ich manches von ihrem Aufenthalte in Wien. Es ist eben immer dasselbe. Sie treibt ihr Wesen ohne viel nach andern zu fragen. Sie wirkt, erregt wo nicht Bewunderung, doch Verwunderung, mißfällt besonders den Frauen, und läßt einen üblen Leumund hinter sich, der ihr aber auch weiter nicht schadet: denn wenn sie wieder kommt, geht alles wieder von vorn an. Was Knebel von ihr sagen wird, darauf bin ich sehr neugierig. Es ist mir lieb, dass er sie näher gesehen hat.

Da ich eben Gelegenheit finde ein Packet wegzusenden, so schicke ich Pandorens Wiederkunft bis zu einem Abschnitte. Eigentlich sollte dieser Theil Pandorens Abschied heißen und wenn es mir so viel Mühe macht, sie wieder herbey zu hohlen, als es mir machte sie fortzuschaffen, so weiß ich nicht wann wir sie wieder sehen werden.

Communiciren Sie dieses Bändchen unserer lieben Prinzeß mit meinen besten Empfehlungen. Ich freue mich schon wieder auf die Zeit, da ich dergleichen werde vorlesen, und anderes mittheilen können. An kleinen Erzählungen war ich bisher fleißig.

Fräulein Gore empfehlen Sie mich vielmals. Mein Capuziner-Garten steht freylich jetzt sehr einsam. Sagen Sie ihr, daß ich Hoffnung habe das Tagebuch der Sicilianischen Reise von Frankfurt zu erhalten, wo es unter den Krausischen Sachen hingekommen. Es wird mir sehr angenehm seyn, es zu erhalten, indem ich dadurch in den Stand gesetzt werde das unternommene freundschaftliche Denkmal desto besser und ausführlicher aufzustellen.

Leben Sie recht wohl und lassen Sie mich bald wieder etwas hören.

Carlsbad den 2. July 1808

G.

1729

[Dienstag 16. August]

Der Schluß Ihres Briefes, theuerste Freundinn, stach freylich gegen den wohlwollenden Anfang desselben nur allzusehr ab. Mit herzlichem Bedauern vernehm' ich den Unfall, der unsern lieben abermals betrifft. Es ist manchmal als wenn das was wir Schicksal nennen gerade an guten und verständigen Menschen seine Tücken ausübte, da es so viele Narren und Bösewichter ganz bequem hinschlendern läßt. Fromme Leute mögen das auslegen wie sie wollen und dadrinn eine prüfende Weisheit finden; uns andern kann es nur verdrüßlich und ärgerlich seyn. Grüßen Sie ihn schönstens und versichern ihn meiner aufrichtigsten Theilnahme.

Haben Sie Dank, daß Sie meine scheidende Pandora so gut aufgenommen. Ich wünsche der Wiederkehrenden zu seiner Zeit dasselbe Glück. Daß Sie einzelne Stellen ausgezeichnet hat mir viel Vergnügen gemacht. Das Ganze kann nur auf den Leser gleichsam geheimnißvoll wirken. Er fühlt diese Wirkung im Ganzen, ohne sie deutlich aussprechen zu können, aber sein Behagen und Mißbehagen, seine Theilnahme oder Abneigung entspringt daher. Das Einzelne hingegen was er sich auswählen mag, gehört eigentlich sein und ist dasjenige was ihm persönlich convenirt. Daher der Künstler, dem freylich um die Form und um den Sinn des Ganzen zu thun seyn muß, doch auch sehr zufrieden seyn kann, wenn die einzelnen Theile, auf die er eigentlich den Fleiß verwendet, mit Bequemlichkeit und Vergnügen aufgenommen werden.

Ich habe mein Leben indessen hier so fortgeführt, bin zufrieden und fleißig gewesen, und so sehr ich mich vor Bekanntschaften gehütet, manche neue und genugsam interessante gemacht.

Alle meine wissenschaftlichen literarischen und poetischen Unternehmungen sind um etwas zugerückt. Gezeichnet und sogar gemalt ist worden. Ich befinde mich wohl und kann mit diesem Sommer sehr zufrieden seyn.

Alle Zustände der Gesellschaft von der größten Einsamkeit bis zum größten Lärm und Drängen und jetzt wieder bis zur Einsamkeit habe ich erlebt. So ein Bade-Sommer ist wirklich ein Gleichniß eines Menschenlebens.

Mit der Witterung war es eben so. Die schönsten Maytage, Regen, Hitze und wieder Nässe, Herbstverkündende Nebelabende mit den schönsten Mondnächten, das alles geht zwar überall uns über dem Haupt weg; allein in diesen Gebirgen und Felsklüften empfindet man doch jedes bedeutender, weil es sich an solchen Gegenständen charakteristischer ausspricht. Die Hitze wird gleich zum Glutofen und ein Regenguß zur Sündfluth.

Wenn Sie alle wieder zusammen sind, so gedenken Sie mein. Empfehlen Sie mich den Fürstlichen Damen und sämmtlichen Freundinnen. Ich bleibe zwar noch einige Zeit auswärts, werde aber meinen hiesigen Aufenthalt bald verlassen und nach Franzenbrunn gehen; doch darf ich mir keine Briefe mehr erbitten, weil ich nicht weiß, wie und wo sie mich treffen, da die Posten hierher gar zu langsam gehen. Und somit will ich mich für dießmal schönstens empfohlen haben.

Carlsbad d. 16. August 1808

G.


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