Johann Wolfgang von Goethe
Briefe an Charlotte Stein, Bd. 2
Johann Wolfgang von Goethe

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1590

[Donnnstag 6. Juli]

Ich wünschte du könntest sehen wie du mir überall fehlst. Wem soll ich sagen was ich dencke? Wem soll ich meine Bemerckungen vertrauen. Der Erbprinz von Br[aunschweig] ist nun hier, gleicht sehr seiner Mutter und ist ein offnes, fröhliches, redliches Wesen. Der alte Herzog Ludwig ist auch angekommen, von dem mündlich. Noch lässt die reg[ierende] Herzoginn uns harren, übrigens ist alles munter. Der Herzog macht Pläne mit seiner Gemahlinn nach den Wochen nach Eisenach zu gehen u. s. w.

Und ich habe nun den nächsten Plan dich wieder zu sehen.

Mit Göschen bin ich wegen meiner Schrifften einig, in Einem Punckte hab ich nachgegeben, übrigens hat er zu allem ja gesagt, er wird auf einer Reise nach Wien durch Karlsbad kommen.

So mag denn das auch gehn. Herder hat den Werther recht sentirt und genau herausgefunden wo es mit der Composition nicht just ist. Wir hatten eine gute Scene, seine Frau wollte nichts auf das Buch kommen lassen und vertheidigte es aufs beste.

Wieland geht die Sachen auch fleisig durch und so wird es mir sehr leicht, wenigstens die vier ersten Bände in Ordnung zu bringen, die vier lezten werden mehr Mühe machen.

Du hast mir die Epigramme nicht abgeschrieben noch den Brief, vielleicht hast du sie mitgenommen.

Tina wird nicht liebenswürdiger, sie fängt an sich gehn zu lassen, und das will sie gar nicht kleiden, sie kennt weder Maas noch Ziel und wird gelegentlich höchst gemein und abgeschmackt. Mit Ernsten geht es nicht besser, Fritz dagegen ist lustig und wohl, hier ein Brief von ihm, er hat sich schon in meine Stube einquartirt.

Ich selbst bin schon nicht mehr hier, ich mag fast nichts mehr thun, ob ich gleich noch zu thun habe und sehne mich fort. Der Herzog ist noch unruhiger, und wenn die Fremden nicht wären, er verginge daß er solang aushalten muß.

Lebe wohl, liebe mich! Ich komme bald.

W. d. 6. Jul. 86.

G.

Da Fritz den Brief wieder aufgebrochen hat, kann ich dir auch noch ein Wort sagen. Wegen Carlen freut es mich sehr, er kommt dadurch in den Gang des Lebens und da er leicht ist wird er auch leicht durchkommen.

Ich habe mit Schwester und Schwägerinn zu Nacht gegessen, wir waren ganz allein und sie sehr freundlich und gut. Knebel mit den Engländern ist hier, sie thun ihm wohl.

Die Blumen haben mir wieder gar schöne Eigenschafften zu bemercken gegeben, bald wird es mir gar hell und licht über alles Lebendige. Ich habe Herdern neulich mit der Pflanze, deren Blume zuletzt fortfliegt, bey Tafel regalirt, und sie hat ihm viel Vergnügen gemacht. Lebe nun wohl meine Geliebteste. Da dieser Brief langsam geht, komm ich ihm wohl balde nach, ich freue mich herzlich dich wieder zu sehen. Leider werdet ihr übel Wetter haben, bey uns regnets täglich.

Grüse Franckenb[ergs] und Ziegesarn aufs beste.

1591

[Sonntag d. 9 Jul 86.]

Ich bin nun fast so überreif wie die fürstliche Frucht, und harre eben so meiner Erlösung; meine Geschäffte sind geschlossen und wenn ich nicht wieder von vorne anfangen will muß ich gehen; nun kommt dein Brief und vermehrt die Sehnsucht dich wiederzusehen. Heute hab ich Götz von Berl. durchgegangen, und Wielands und Herders Bemerckungen verglichen und mich über verschiedne Korreckturen decidirt. Hierbey liegt Herders Zettelgen womit er mir das Stück zurücksandte; ich fahre nun fort; was ich hier thue hab ich im Carlsbad zu gut und kann dort meine Gedancken zur Iphigenie wenden.

Die Schwester und Schwägerinn sind sehr artig, sie haben bey mir gegessen, ich habe ihnen gelesen und deine Gesundheit ist getruncken worden.

Wielands Frau hat eine Tochter gebohren, er hat die schöne Gräfin nicht zu Gevatter gebeten.

Der Herzog Ludwig bleibt biß zur Taufe die wir alle erwarten.

Nun ein Wort von des Afrikaner Einsiedels Negotiation! Er war bey der Werthern Bruder und hat freundschafftlich mit ihm getruncken. Dieser edle Bruder ist des Morgens düster, nachmittage betruncken und das Resultat der Unterhandlungen ist sehr natürlich und sehr sonderbar ausgefallen. Münchhausen erklärt: daß wenn seine Schwester von ihrem Manne ordentlich geschieden, mit ihrem Liebhaber ordentlich getraut seyn werde, er sie für seine Schwester erkennen und bey der Mutter auswürcken wolle daß sie auch als Tochter anerkannt und ihr das Erbtheil nicht entwendet werde. Für einen Truncknen ein sehr nüchterner Vorschlag.

Nun aber unsre Flüchtlinge! Wie abscheulich! – Zu sterben! nach Afrika zu gehen, den sonderbarsten Roman zu beginnen, um sich am Ende auf die gemeinste Weise scheiden und kopuliren zu lassen! Ich hab es höchst lustig gefunden. Es lässt sich in dieser Werckeltags Welt nichts auserordentliches zu Stande bringen.

Diese und andre Geschichten verlangt mich sehr dir zu erzählen, da ich nie recht schreibseelig bin. Diesmal sitz ich am Kamine und trotze der Kälte und Nässe. Ich bin von tausend Vorstellungen getrieben, beglückt und gepeinigt. Das Pflanzenreich raßt einmal wieder in meinem Gemüthe, ich kann es nicht einen Augenblick loswerden, mache aber auch schöne Fortschritte. Da ich meine alte Schrifften durchgehe, werden auch viel alte Übel rege. Es ist eine wunderbare Epoche für mich, in der du mir eben fehlst. Heut über acht Tage hoff ich nicht weit von dir zu seyn. Das schlimmste ist, ich habe in Jena noch drey Tage zu thun. Hätt ich die Verspätung unserer Hoffnungen ahnden können; so wäre ich indessen hinüber gegangen und hätte meine Sachen vollendet und wäre von hier gerade auf Carlsbad abgereist.

Auf alle Fälle kann's nicht länger als diese Woche dauern und ich bitte dich, mir wenn du diesen Brief erhälst ein Quartier in deinem Hause etwa vom 16ten an zu akkordiren, ich bringe Vogeln mit und brauche zwey Betten. Wenn ich in deiner Nähe bin ist mir's wohl. Wäre es in deinem Hause nicht; so sieh dich sonst um, du brauchst aber alsdenn nicht abzuschliesen.

Fritz ist sehr lustig, Ernst geduldig, mit seinem andern Fuße ists zweifelhafft, die Chirurgi behaupten es sey auch gut ihn aufzumachen, nur getrauten sie sich es nicht um der Vorwürfe willen. Ich verstehe nichts davon, und da mein Wunsch ihn im Carlsbad zu wissen nicht erfüllt worden; so habe ich für den armen Jungen keinen mehr zu thun. Seine Leidenskrafft geht über alle Begriffe. Voigt besucht ihn und schafft ihm Bücher, und wie er nur keine Schmerzen hat ist er lustig.

Der alte Herzog – daß ich doch ein Wort von ihm sage – ist eben von den Kindern dieser Welt, denen ich ihr Wesen gerne gönnen mag, ich will dir ihn recht mahlen wenn ich komme; Schade daß er nicht regierender Herr war. Denn ich sage immer wer sich mit der Administration abgiebt, ohne regierender Herr zu seyn, der muß entweder ein Philister oder ein Schelm oder ein Narr seyn. Diesen, wäre er Prinz von Oranien gewesen; hätten sie vergöttert; so war er des Prinzen v. Or. Verstand, nun haben sie ihn zum Teufel geschickt. Über diese Materie mach mich reden wenn ich zu dir komme; Zu schreiben ist's nicht, man sagt zu viel oder zu wenig. Und ich mögte dir doch gerne mancherley sagen und das bestimmteste.

Am meisten freut mich ietzo das Pflanzenwesen, das mich verfolgt; und das ists recht wie einem eine Sache zu eigen wird. Es zwingt sich mir alles auf, ich sinne nicht mehr drüber, es kommt mir alles entgegen und das ungeheure Reich simplificirt sich mir in der Seele, daß ich bald die schwerste Aufgabe gleich weglesen kann.

Wenn ich nur jemanden den Blick und die Freude mittheilen könnte, es ist aber nicht möglich. Und es ist kein Traum keine Phantasie; es ist ein Gewahrwerden der wesentlichen Form, mit der die Natur gleichsam nur immer spielt und spielend das manigfaltige Leben hervorbringt. Hätt ich Zeit in dem kurzen Lebensraum; so getraut ich mich es auf alle Reiche der Natur – auf ihr ganzes Reich – auszudehnen.

Nun lebe wohl Geliebteste einzige, der sich meine ganze Seele enthüllen und hingeben mag; ich freue mich deiner Liebe und rechne darauf, für alle künftige Zeiten. Ich bringe dir ein Geschenck in's Carlsbad mit das dich freuen wird, ich war recht glücklich es zu finden. Lebe wohl. Ich lasse den Brief noch auf weil ich vor Abgang der Post noch auf einen fürstl. Erben hoffe. Leb wohl.

d. 10. Jul. 86.

G.

Es ist zehn Uhr und noch alles wie es war.

Die Imhof giebt mir ihren Brief mit der Bedingung daß ich ihn nicht lese.

1592

[Mittwoch 12. und Freitag 14.Juli]

Mittwoch den 12ten Jul. Soweit sind wir und noch alles stille; es ist eine gute Geduldsprobe für uns alle. Stein hat die besten Hoffnungen und für Mutter und Kind sind wir ruhig. Sehr sonderbar ists mir daß ich durch diese Verzögerung gebunden werde, da ich aber einmal auf diese Entbindung wie auf einen Orackelspruch compromittirt habe; so soll mich nichts zur Unruhe, nichts ausser Fassung bringen. Es scheint ich werde gezwungen Lavatern zu erwarten, es kommen Briefe an ihn schon bey uns an. Wie gerne wär ich ihm auf seinem apostolischen Zug aus dem Wege gegangen, denn aus Verbindungen, die nicht bis in's innerste der Existenz gehn, kann nichts kluges werden. So wie ich dein bin, ists die alleinige Freude iemanden anzugehören; wenn ein Verhältniß nicht aufgehoben werden kann.

Was hab ich mit dem Verfasser des Pontius Pilatus zu thun, seiner übrigen Qualitäten unbeschadet. Wir wollens abwarten und unser Auge Licht seyn lassen.

Fritz setzt sich eben zu mir und läßt sich gekochte Kirschen mit einer recht süßen Sauce herrlich schmecken; er grüsst dich da er hört daß ich an dich schreibe und will auch ein Blatt beylegen. Es sind auch schöne Kirschen und Melonen angekommen, wie sehr wünscht ich sie dir. Ich will sie der Schwester schicken damit die sich erfreue die deine Abwesenheit so sehr fühlt.

Fritz freut sich sehr daß ich ihn an's Camin zu mir sitzen lasse, das nicht immer gestattet wird weil er unruhig ist und Unfug macht. So sitzen wir zusammen, die deinigen.

Freytag d. 14ten.

So geht ein Tag nach dem andern hin und Geburt stockt mit der Wiedergeburt. Diese Tage sind noch an Begebenheiten schwanger, der Himmel weis ob es gute Hoffnungen sind.

Im Vertrauen! – Herder ist sondirt worden ob er einen Ruf nach Hamburg an die Ober-Pfarrerstelle annähme. Er will es nicht ablehnen, und ich kann nichts dagegen sagen. Er verbessert sich nicht, aber er verändert sich doch, und seines Bleibens ist hier nicht. Laß niemanden nichts mercken, es ist auch noch entfernter Antrag. Ich verliere viel wenn er geht, denn ausser dir und ihm wäre ich hier allein.

Ich habe viele, viele Gedancken und bin ein wenig dunckel drum wirst du heute nicht mehr von mir hören.

Lebe wohl. Grüse die zu grüsenden. Ich mag gar nicht dran dencken wie viel Zeit von deiner Curzeit verstreicht. Richte dich ia ein, daß du mit mir noch bleiben kannst.

Ich höre ungerne auf, muß aber doch enden denn es wird späte. Leb wohl und liebe.

G.

1593

[Montag 17. Juli]

Montag d. 17 Jul. Nun weis bald kein Mensch mehr woran er ist und es bleibt uns nichts mehr übrig als die Vernunft gefangen zu nehmen. Deine Curzeit geht vorüber und ich muß auf eine schmälige Weise diese Tage hier verpassen. Ich habe auch fast nichts mehr zu sagen, denn ich dencke und thue kaum etwas und alle Empfindungen lösen sich in's allgemeine Warten auf. Ich will heute nach Jena gehn einige Sachen bey Seite zu schaffen. Knebel ist nicht recht wohl, ich habe lang nichts von ihm gehört.

Gestern erhielt ich deinen lieben Brief vom ... du wirst nun auch die meinigen haben, einen vom 6ten und einen vom 14ten.

Grüse Dr. Scherer recht vielmals und sage ihm es thue mir herzlich leid ihn wahrscheinlich nicht mehr zu finden. Grüse Franckenb[ergs] und Zigesar. Wegen des üblen Wetters hab ich dich sehr bedauert, wir konnten es schliesen denn es war hier eben so. Lebe wohl. Liebe mich du beste! Wie viel hab ich dir nicht zu sagen und zu erzählen. Leb wohl.

G.

1594

[Freitag 21. Juni]

Endlich meine liebe ist das Kindlein angekommen, ein Mägdlein und der Prophet gleich hinter drein. Die Götter wissen besser was uns gut ist, als wir es wissen, drum haben sie mich gezwungen ihn zu sehen. Davon sollst du viel hören. Er hat bey mir gewohnt. Kein herzlich, vertraulich Wort ist unter uns gewechselt worden und ich bin Haß und Liebe auf ewig los. Er hat sich in den wenigen Stunden mit seinen Vollkommenheiten und Eigenheiten so vor mir gezeigt, und meine Seele war wie ein Glas rein Wasser. Ich habe auch unter seine Existenz einen grosen Strich gemacht und weis nun was mir per Saldo von ihm übrig bleibt.

Montag denck ich von hier, Dienstag von Jena zu gehn; wenn es der Wille der Himmlischen ist, die seit einiger Zeit gewaltsam liebreich über mich gebieten und so wäre ich Donnerstag Abends bey dir. Wie lang wirst du mir bleiben?

Stein wird Morgen erwartet. Die Herzoginn ist wohl. Adieu meine beste. Grüse deinen Bruder danck ihm für seine Sorgfalt für mich. Ich habe seiner Frau gerathen ihm gerade zu die Confidenz von einer Thorheit zu machen die sie begangen hat, er soll es artig aufnehmen sag ihm. NB. Der Prophet hatte sehr auf dich gerechnet es hat ihn geschmerzt daß du seinen Netzen entgangen bist, es ist mir lieb und leid daß du ihn nicht gesehen hast. Liebe mich! mein Herz ist dein!

d. 21. Jul. 86.

G.

Ich mache den Brief wieder auf da ich deine lieben Zeilen vom 16ten erhalte. Wir erwarten Steinen in einigen Tagen und könnte wohl wegen Ernstens Transportirung Resolution gefasst werden. Nur stimmt leider Starcke selbst ietzt nicht mit ein, oder wenigstens verspricht er nicht viel davon. Der andre Fus ist nicht aufgemacht worden, aber es ist und bleibt ein trauriger Zustand. Wenn Stein kommt wird sich's zeigen, ich bin nun selbst irre und unentschlossen, so sehr ich vor sechs Wochen entschlossen und gewiß war.

Lebe wohl. Heute ist das Kind getauft worden. Herder hat schön gesprochen. Die Herzoginn ist wohl.

Grüse Falckenbergs und Zigesar.

1595

[Schneeberg, Mittwoch 16. August]

Ich muß für meine Geliebte einen Brief in Schneeberg lassen, denn sie wird ihn früher erhalten als wenn ich von Carlsbad schriebe. Hier habe ich viel interessantes gesehen, nur zuviel für die zwey Tage, und doch mag und will ich nicht länger, ich will von meinem Vorsatze nicht abgeleitet seyn.

Heute früh lies ich beym Einfahren in die Grube deinen Ring vom Finger, es fehlte mir immer etwas, so ist mir's auch da mir deine Gesellschafft fehlt und ich dir immer etwas zu sagen habe. In der Mineralogie kann ich ohne Chymie nicht einen Schritt weiter das weis ich lange und habe sie auch darum Beyseite gelegt, werde aber immer wieder hineingezogen und gerissen. Es ist mir recht bunt im Kopfe von den vielen Ideen der zwey Tage.

Du bist nun zu Hause und es regnet wie ausgiesend. Wenn die Geister nicht besondere Anstalten machen, kann ich morgen den Felsen von Neideck nicht zeichnen, worüber ich in sehr üblen Humor gerathen werde. Nun lebe wohl und liebe mich, eh ich von Carlsbad gehe schreib ich dir, ich bin dir herzlich nah. Du solltest immer mit mir seyn wir wollten gut leben.

Schneeberg d. 16. Aug.86.

G.

1596

[Karlsbad] Sonntags d. 20. früh.

Nur wenig Worte denn die Post geht und ich bin im dicktiren begriffen. Von Schneeberg, ob ich gleich halb sechs ausfuhr bin ich doch erst nach eilfen hier angelangt und habe den Weeg ganz abscheulich gefunden. Es regnete den ganzen Tag und den Turnfels habe ich ohne beyhülfe der Geister aus einer gegenüberstehenden Scheune gezeichnet. Ich habe viel Freude daß ich dir ihn schicken kann. Unglücklicher Weise war mein Papier zu klein und es geht also ein Rief durch die Zeichnung die dich aber doch freuen soll. Es ist ein recht interessanter Gegenstand. Nun hoffe ich sollen mehr folgen. Ich lasse mir ein grösser Portefeuille machen, das kleine ist zu sehr ausser meinem Format. Die Freude die ich hatte mit dir zu seyn und deine Liebe zu fühlen drucke ich nicht aus. Lebe wohl du erhälst noch bald Briefe von mir.

Die Prinzess ist angekommen, und der Obermarsch. Studnitz von Gotha. Sonst ist alles im Alten. Lebe wohl. Liebe mich damit ich mich des Lebens freue. Mit Werthern geths vorwärts.

G.

1597

Dienstag d. 22. Aug.86.

Nun muß ich auch meiner Liebsten schreiben, nachdem ich mein schweerstes Pensum geendigt habe. Die Erzählung am Schlusse Werthers ist verändert, gebe Gott daß sie gut gerathen sey, noch weis [niemand] nichts davon. Herder hat sie noch nicht gesehn. Kaum ist's physisch möglich daß ich vor meinem Geburtstag fertig werde, doch hoff ich noch, geht es; so erleb ich diesen Tag nicht hier.

Nun freu ich mich wenn du das alles gedruckt sehn wirst, ich dencke immer an dich bey allem was ich mache.

Hier siehts recht gut aus. Die Prinzess sieht niemand bey sich und stört niemanden. Der Herzog ist lustig und thut der Gesellschaft wohl; wäre er nicht manchmal roh gegen die Frauen, er wäre ganz unbezahlbar.

Ich lese alle Abende vor, und es ist ein recht schönes Publikum geblieben. Gestern haben die Vögel ein unsägliches Glück gemacht. Heute les' ich Iphigenien wieder, morgen noch etwas und übermorgen gehn Harrachs fort. Graf Carl ist hier, ein sehr braves Wesen.

Imhof hat den famosen Juden sehr, die schöne Gräfinn weniger glücklich gemahlt, ich freue mich noch über den Felsen und Thurm den du erhalten wirst.

Heute hofft ich auf Briefe von dir, sie kommen erst Freytags. Stein hat der Waldner närrisch geschrieben.

Die arme Waldner leidet, die Herder ist auch nicht ganz recht; aber das Menschenvolck ist auch darnach, sie wissen alle nicht was ihnen frommt.

Herders sind gar gut.

d. 23. Aug.

Gestern Abend ward Iphigenie gelesen und gut sentirt. Dem Herzog wards wunderlich dabey zu Muthe. Jetzt da sie in Verse geschnitten ist macht sie mir neue Freude, man sieht auch eher was noch Verbesserung bedarf. Ich arbeite dran und dencke morgen fertig zu werden. Auf alle Fälle muß ich noch eine Woche bleiben, dann wird aber auch alles so sanfte endigen und die Früchte reif abfallen.

Und dann werde ich in der freyen Welt mit dir leben, und in glücklicher Einsamkeit, ohne Nahmen und Stand, der Erde näher kommen aus der wir genommen sind.

Lebe wohl. Freytags hoff ich einen Brief von dir. Grüse Fritzen und Stein, Ernst und die Imhof. Ich habe dich herzlich lieb und das Leben wird mir erst werth durch dich.

Der alte König soll todt seyn. Das müßt ihr nun schon gewiß wissen wenns wahr ist. Adieu.

G.

1598

[Sonntag 27. August]

Meiner lieben schicke ich durch Wagnern den Umriß und die kleine Zeichnung an der ich weiter nichts gemacht habe. Mehr soll folgen und noch mehr, sobald ich meine vier Bände eingesiegelt habe. Morgen geht der Herzog über Töplitz und so weiter, ich dencke die Tour wird länger als er sich sie vorsetzt. Wenns ihm nur wohl dabey ist, er war zuletzt noch recht vergnügt.

Ich bleibe noch acht Tage und solang hab ich noch zu thun; Herder hilft mir treulich, noch wird an Iphigenien viel gethan. Es macht sich und ich hoffe es soll leidlich werden.

Liebe mich und grüse die deinigen. Deinen Brief habe ich nach acht Tagen erhalten. Ich dancke dir. Brauchen sie Ernsten den Magensafft? bestehe doch drauf, und laß einmal wo möglich ein Conseil mit Lodern halten. Grüse Fritzen ich dancke ihm seinen Brief. Eh ich von hier weg gehe schreib ich dir noch und hoffentlich mit freyer Seele, daß alles abgethan ist. Adieu.

d. 27. Aug.86.

G.

1599

[Mittwoch] d. 30. Aug.

Nun geht es mit mir zu Ende meine Liebste, Sonntag d. 3ten S[eptember] denck ich von hier wegzugehn. Die übrige Gesellschafft bleibt wohl noch bis d. 11ten und dann geht alles miteinander. Sie haben meinen Geburtstag gefeyert, die Waldner soll dir alles erzählen wie es war und die Gedichte und Geschencke mitbringen; du hebst mir sie auf bis ich wiederkomme. Die Asseburg hat im Nahmen der Vögel, als Papagey, eine recht artige Gratulation gemacht, die einen guten Ton hat und überhaupt wohl gerathen ist.

Sonst sind wir fleisig, Herder hilft treulich und bis den Sonnabend ist alles fertig; mir wird recht wohl seyn wenn ich im Wagen sitze. Zuletzt wards zu toll, das Pensum war zu gros. An der Iphigenie ist viel geändert worden. Sie wird noch einmal abgeschrieben. Ich bin recht wohl, die andern meist auch. Die Waldner hat bessere Hoffnung.

Wann werd ich nun wieder von dir hören. Ich bin mit ganzem Gemüthe dein und freue mich des Lebens nur in dir. Von hieraus schreib ich dir noch einmal. Grüse Fritzen und die deinen.

G.

1600

[Freitag 1. September]

Nun noch ein Lebewohl von Carlsbad aus, die Waldner soll dir dieses mitbringen; von allem was sie erzählen kann sag ich nichts; das wiederhohl ich dir aber daß ich dich herzlich liebe, daß unsre letzte Fahrt nach Schneeberg mich recht glücklich gemacht hat und daß deine Versichrung: daß dir wieder Freude zu meiner Liebe aufgeht, mir ganz allein Freude ins Leben bringen kann. Ich habe bisher im Stillen gar mancherley getragen, und nichts so sehnlich gewünscht als daß unser Verhältniß sich so herstellen möge, daß keine Gewalt ihm was anhaben könne. Sonst mag ich nicht in deiner Nähe wohnen und ich will lieber in der Einsamkeit der Welt bleiben, in die ich ietzt hinausgehe. Wenn meine Rechnung nicht trügt; kannst du Ende September ein Röllgen Zeichnungen von mir haben, die du aber niemanden auf der Welt zeigen mußt. Du sollst alsdann erfahren wohin du mir schreiben kannst. Lebe wohl! Gieb Fritzen inliegendes. Grüse Ernsten, Steinen, die Schwester und laß niemand mercken daß ich länger aussenbleibe. Liebe mich, und sage mirs damit ich mich des Lebens freuen könne.

d. 1. Sept. 86.

G.

Die vier ersten Bande recht auszuputzen hat noch viele Mühe gemacht; sogar Iphigenien nehm ich noch auf die Reise mit. Herder hat sehr treulich geholfen, und über das Ende Werthers ist die Sache auch entschieden. Nachdem es Herder einige Tage mit sich herumgetragen hatte, ward dem Neuen der Vorzug eingeräumt. Ich wünsche daß dir die Verändrung gefallen und das Publicum mich nicht schelten möge. Liebe mich herzlich und mit Freude mein ganz Gemüth ist dein. Du hörst bald von mir, Adieu.

1601

[Sonnabend 2. September]

Morgen Sonntags d. 3ten Sept geh ich von hier ab, niemand weiß es noch, niemand vermuthet meine Abreise so nah. Ich muß machen daß ich fortkomme, es wird sonst zu spät im Jahr.

Die Gesellschaft ist noch recht artig hier, die Lanthieri gar gut und brav. Sonst geh ich nicht aus, und habe mich der Prinzess nur Einmal präsentirt. Der Herdern hab ich die Philinen Silhouette recht ernstlich gezeigt und sie sehr neugierig gemacht. Verrathe es ja nicht.

Wenn du ein Packet oder eine Rolle von mir erhälst; so mache sie nicht in Gegenwart andrer auf, sondern verschließ dich in dein Kämmerlein. Vogel bringt dir noch ein Päckgen mit, von dem gilt es noch nicht.

Nachts eilfe.

Endlich, endlich bin ich fertig und doch nicht fertig denn eigentlich hätte ich noch acht Tage hier zu thun, aber ich will fort und sage auch dir noch einmal Adieu! Lebe wohl du süses Herz! ich bin dein.

d. 2. Sept. 86.

G.


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