Johann Wolfgang von Goethe
Briefe an Charlotte Stein, Bd. 2
Johann Wolfgang von Goethe

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1430

[4. Juli]

Zwota Abends. 9 Uhr. Montags.

Nur noch sechs Stunden von dir entfernt wie freut es mich daß ein Postillon durchgeht der dir diesen Brief beym Aufstehn überliefern kann.

Wir kommen von Wunsiedel, haben die Fichtelberge bestiegen, es ist uns recht wohl gegangen, ich bin auch wieder ganz wohl. Wir wollen morgen zeitig abfahren und sind gegen Mittag bey dir. Mein Verlangen dich wieder zu sehen wächst mit iedem Augenbl. Lebe wohl. Knebel grüst. Grüse die Freunde. Ganz der deine.

G.

1431

Carlsbad d. 7 August 1785

Wie leer mir alles nach deiner Abreise war, kann ich dir nicht beschreiben und brauch es dir nicht zu sagen. Ich bin schon einigemal die Treppe in den 3 Rosen in Gedancken hinaufgegangen. Ich lebe so fort, trincke und bade über den andern Tag. Heute sind die Rheingr[äfinn] und die W[erthern] fort, sie waren recht gut und freundlich. Sie grüsen dich. Beyde ob sie schon sich herzlich lieb haben, hatten doch manches an einander auszusetzen und machten mir wechselsweise die Confidenz. Morgen geht die Brühl, und ich will bleiben solang die Fürstinn und ihr Gefolge da ist. Sie klagte mir gestern besonders über die Hypochondrie des Gr[afen] Stanislas und wie nötig er habe zerstreut zu werden, und daß nun alles weggehe und so weiter. Ich sagte ihr darauf daß wenn ich ihr und ihrer Gesellschafft nützlich seyn könnte ich gerne bleiben wollte. So will ich aushalten und so wird aus der zerstückten Badewirthschafft für mich ein Ganzes. Lebe wohl. Grüse Fritzen und Herders. Ich habe dich innig und einzig lieb. Nirgends finde ich eine Übereinstimmung wie mit dir. Lebe wohl.

G.

1432

Johanngeorgenstadt d. 18. Aug.1785.

Endlich hier sechs Stunden von Carlsbad, wieder auf dem Weege zu dir meine Geliebte, meine Freundinn einzige Sicherheit meines Lebens. Was ist alles andre, was iedes andre menschliche Geschöpf. Je mehr ich ihrer kennen lerne, ie mehr seh ich daß mir in der Welt nichts mehr zu suchen übrig bleibt, daß ich in dir alles gefunden habe.

d. 13ten ist die Fürstinn abgereist, wir haben noch sehr angenehme Stunden gehabt. Brühls gingen den 14ten und ich vorgestern, und sah mich in Joachimsthal um. Darbes hat uns noch viel Spas gemacht.

Wenn ich dich in Weimar gewusst hätte, wäre mir wenig Freude in allem gewesen, meine Seele sucht dich in Kochberg und eilt offt zu dir hinüber.

Edelsheim kam die letzten Tage, fast hätte ich mich bereden lassen zu bleiben. Denn in Staats und Wirthschafftssachen ist er zu Hause und in der Einsamkeit wo er niemand hat gesprächig und ausführlich, in zwey Tagen haben wir schon was rechts durchgeschwäzt.

Morgen geh ich nach Schneeberg, sehe mich unter der Erde um, wie ich hier auch gethan habe, dann will ich eilig nach Hause. Wenn ich dich träfe welche Freude.

1433

[Weimar, Mittwoch 24. August]

Es ist immer der liebste Augenblick meines Morgens wenn ich dir einen Grus schicke, einen von dir erhalte. Um Zwölf Uhr will ich dich abhohlen sey aber auch hübsch bereit.

24. Aug.85.

G.

1434

Einen guten Morgen meine Beste, bald wird mir es nicht mehr so wohl. Wenn ich allein seyn werde will ich recht fleisig seyn damit ich mir mehr Freyheit auf die Zukunft verschaffe.

G.

1435

[Mittwoch 31. August]

Noch einen guten Morgen meine Beste und dann sind die guten Tage lange für mich hin. Wenn ich von dir bin fühl ich so recht daß die ganze Freude meines Lebens auf dir ruht. Ein braunes längliches Buch mit Kupfern, Krystallisationen vorstellend liegt in deinem Mahlstübgen, schicke mir es. Lebe wohl ich sehe dich.

d. 31. Aug. 1785.

G.

1436

[Mittwoch 31. August?]

Da es scheint als ob unsre mündliche Unterhaltung sich nicht wieder bilden wolle, so nehme ich schrifftlich Abschied um dir nicht völlig fremd zu werden. Lebe wohl. Ich hoffe diese Reise soll Fritzen wohlthun.

G.

1437

[Donnerstags] d. 1. Sept. 1785.

Heute bin ich den ganzen Tag zu Hause geblieben, auch hab ich niemanden nichts zu sagen. Dir muß ich noch einige Worte hinschreiben. Ich bin in meine Vorderstuben gezogen um die Scene zu verändern, ich will solange da wohnen biß Camin und alles fertig ist und die Winter Einrichtung im Stande.

Verzeih daß ich gestern Abend nicht mit dir ging ich hatte meinen Zahn verbissen und wollte von dem Schmerz nichts mercken lassen, iezt ists wieder gut.

Das Mikroscop ist ganz fürtrefflich, und so bequem als möglich, du kannst alles auf alle Weise drunter bringen und ich habe es noch wenig geübt. Die dunckeln Obieckte besonders freun mich mit ihren natürlichen lebhafften Farben. Es wird uns grose Freude machen.

d. 3. Sept. früh.

Gestern habe ich mich herzlich deines Briefgens und Andenckens erfreut und heute sollst du auch von mir hören, du innigst und einzig geliebtes Wesen, ich mag doch sehen und seyn wie ich will gegen dir ist mir alles fremd.

Ich bin fleisig und packe auch nebenher meine Steine aus und bringe sie in Ordnung, und bin den ganzen Tag für mich. Heute ist des Herzogs Geburtstag und Ausstellung. Eben erhalte ich dein liebes Briefgen, mit den gelinden Vorwürfen. Du süse! laß dich nicht irre machen denn ich bin doch dein. Alles befestigt mich nur mehr an dich.

Könnte ich nur indessen meinen Wilhelm ausschreiben! das Buch wenigstens, ich habe das Werck sehr lieb, nicht wie es ist, sondern wie es werden kann.

Hier schick ich dir ein Gedicht zu meinem Geburtstage. Von Fritzen hab ich noch keine Nachricht. Lebe wohl. Ich bin immer in Gedancken und der beste Theil ist an dich gerichtet. Ich werde wohl nicht nach Ilmenau gehen sondern Voigts hinschicken.

Adieu. Behalte mich recht im Herzen. Bleibe wohl. und laß mich offt von dir hören.

G.

1438

[Montag] d. 5. Sept. Abends.

Ich war in Tiefurt unter den besten Menschen und wollte mir kein Stern scheinen, ich verlangte herein um mit dir zu bleiben.

Dieser Bote soll dir Fritzens Briefe bringen, kaum erwart ich es biß du siehst wie gut es ihm geht und wie er schon zu Hause ist. Ich habe eine recht elterliche Liebe zu ihm, denn ich habe die Blätter wohl sechsmal gelesen, und freue mich daran nicht weil sie schön und gut geschrieben sind, sondern am blosen Daseyn. Du wirst sehen was ihm die Reise gut thut.

Gestern Abend habe ich ein recht Psychologisches Kunststück gemacht. Die Herder war immer noch auf das hypochondrischte gespannt über alles was ihr im Carlsbad unangenemes begegnet war. Besonders von ihrer Hausgenossin. Ich lies mir alles erzählen und beichten, fremde Unarten und eigne Fehler, mit den kleinsten Umständen und Folgen und zuletzt absolvirte ich sie und machte ihr scherzhafft unter dieser Formel begreifflich, daß diese Dinge nun abgethan und in die Tiefe des Meeres geworfen seyen. Sie ward selbst lustig drüber und ist würcklich kurirt. Umständlicher erzähl ich dirs und es wird dich noch mehr ergötzen.

Wie freut es mich daß Fritz einen Fluss mit Schiffen, und Bäume gesehen hat die sich vor der Last der Früchte zur Erde biegen.

Wie lebst du? bist du wohl? Mein Gemüth ist bey dir und wünscht sehnlich deine Wiederkehr. Ich bin recht allein.

Sehr schöne Indianische Geschichten haben sich aufgethan.

Ich gehe nicht nach Ilmenau. Vogt mag allein reisen.

Prinz August ist lieb und gut, wir haben aber diesmal einander noch nichts abgewinnen können.

Der Herzog ist in seiner Meute glücklich. Ich gönn es ihm. Er schafft die Hofleute ab und die Hunde an, es ist immer dasselbe, viel Lärms um einen Hasen todt zu iagen. Adieu. Und ich brauche beynah soviel Umstände um einen Hasen zu erhalten. Nochmals lebwohl, und liebe.

G.

Stein hat Fritzens Briefe gesehn auch deine Mutter.

1439

[Donnerstag] d. 8. Sept. früh halb 4 Uhr.

Ein Bote vom Geh. R. v. Franckenb[erg] hat mich aufgeweckt ich kann und mag nicht wieder schlafen und will die stille Stunde benutzen dir zu schreiben.

Dein Brief hat mich herzlich gefreut, ich dencke doch du hast auch an Fritzens Briefen rechte Freude gehabt.

Ich gehe in meinen Sachen fort und muß leider Voigten allein nach Ilmenau reisen lassen, wo ich auch gern das schöne Wetter genossen hätte.

Neckers neues Werck macht mir viel Freude besonders da ich auch seine hefftigen Gegner lese. Wenn Stahl und Stein so zusammen kommen springt der Funcke hervor von dem man sein Licht anzünden kann wenn man klug ist. Überhaupt ist es in dieser Materie wie in allen: auf's thun kommt alles an.

Orientalische Erzählungen des Abt Blanchet und einige andre Schrifften machen mir ausser den Geschäfften gute Stunden. Zu Zeiten seh ich den Prinzen und unsere Fürsten wo es denn ganz gut ietzt leben ist. Die neue Einrichtung geht fort und beym Mittag essen leidet man erbärmlich in dem kleinen Zimmer. Wie Franckenb[ergs] da waren mussten sich 25 Menschen in der kleinen Stube behelfen, versteht sich die Aufwartung mit gerechnet.

So gehts meine L. wenn man nicht zur rechten Zeit ab und zu zuthun weis. Es wird noch mehr kommen.

Wie sehr du mir fehlst brauche ich nicht zu sagen. Ich habe niemand dem ich mich ganz eröffnen kann, und da Friz nicht da ist führe ich eine ganz neue Art von Leben, immer noch in meinen vordern Zimmern.

Mein Camin ist nicht gelungen. Es raucht und wird nun dran gepfuscht es zurechte zu bringen.

Die neue Brücke ist bald fertig, es giebt ein groses Werck.

An Wilh. ist auch geschrieben worden ob ich im November Wort halten werde weis ich noch nicht.

Liebe mich du bestes aller weiblichen Wesen das ich ie kennen gelernt behalte mich recht, recht einzig lieb und glaube daß ich dein bin und dein bleiben will und muß. Der Gedancke den Winter mit dir zu seyn kann alle trübe Tage heiter machen, und vielleicht wird es möglich dich in Kochberg zu besuchen.

Lebe wohl für diesmal.

Die Musick der Operette wird ausgeschrieben, ich bin recht neugierig sie im ganzen zu hören.

um sechs Uhr.

An dem schönen Morgen bin ich spazieren gegangen und ehe mein Tag weiter geht grüs ich dich noch meine Beste.

G.

Freytag d. 8ten S. Ich gehe nach Jena und [wün]sche dir wohl [z]u leben. Ich la[sse ....]


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