Johann Wolfgang von Goethe
Briefe an Charlotte Stein, Bd. 2
Johann Wolfgang von Goethe

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1270

Sonntags d. 13 früh.

Auch mit der Post die heute Nacht angekommen habe ich nichts von meiner Lotte erhalten, so sehnlich ich es gewünscht.

Hier schicke ich die versprochnen Sachen und einen lustigen Brief von der Göchhausen dazu.

Behalte mich lieb.

Stein freut sich über deine Wirthschafftlichkeit und ist gar gut gegen mich.

Die Frau von Lengefeld ist hier durch, ich habe sie nicht gesehn.

Ich muß schliesen. Denn ein Bote nimmt dieses Packet mit. Adieu l. Lotte, schreibe mir doch bald schreibe mir immer.

G.

1271

Montags d. 14. Jun.

Ich fange wieder einen Brief an und was habe ich dir zu sagen als daß es mir immer schmerzlicher wird von dir entfernt zu seyn, daß ich vergebens meinen Geist der sich an diese Richtung so sehr gewöhnt hat nur auf Augenblicke wegzuwenden suche. Noch habe ich keine fröhliche Empfindung gehabt seit ich hier bin und sie wird mir auch erst bey deinem Anblick wieder werden du lieber Innbegriff meines Schicksals.

Wenn ich mir auch vornehme dich nicht mit meiner monotonen Leidenschafft zu unterhalten; so fliest es mir widerwillen aus der Feder.

Abends.

Heute hat uns Fr. v. Herda nach Creutzburg auf die Saline beordert, wäre es schön Wetter gewesen so hätten wir ihr dancken müssen, da aber starcker Regen einfiel; so ward der guten Frau die beste Mühe mit Undanck belohnt.

Gestern war der Herzog von Gotha und Prinz August hier. Letzterer trug den Namen Charlotte von den Haaren seiner Schwägerinn in einer Nadel an der Krause, ich wollte du erlaubtest mir so auch den deinen zu tragen noch lieber in einem Ringe.

Ich habe den Prinzen in der Antichambre so laut lachen gemacht daß alles sich verwunderte. Es war nicht sowohl ein bon mot, als es ward ein's und es lässt sich nicht wieder erzählen.

Mich freute es herzlich ihn so lachen zu sehn. Da es mir beynahe geht wie Carlin, der selbst traurig andern Freude machte.

Ich werde hier nicht froh. Berge und Felsen, Wälder und Wolcken vermögen nichts über mich da du mir fehlst. Wie beneid ich dich daß du mich so sehr, und so viel ruhiger und glücklicher lieben kannst.

An Wilhelm habe ich hier und da eingeschaltet und am Style gekünstelt daß er recht natürlich werde und habe nun den Schluß des Buchs recht gegenwärtig. Wenn ich wieder zu dir komme wollen wir es schliesen. Ich habe Liebe zu dem Wercklein weil ich dencke es macht dir Freude.

Nun gute Nacht. Fritz hat an meine Mutter geschrieben, und er räth mir gar sehr an sie zu besuchen er kann nicht begreifen daß ich so viel zu thun habe.

den 15 Jun.

Es geht ein Husar nach Weimar dem ich dieses Blat mitgebe und darum nichts hinzufüge. Lebe wohl. Du hörst bald wieder von mir.

G.

1272

d 17 Juni. 84.

Gestern den 16en erhielt ich erst deinen liebsten Brief der bis zum 13ten geht. Du wirst nun gewiß auch Briefe von mir haben. Auf einem beyliegenden Zettelgen schreibe ich dir was ich abgeschickt habe.

Da ich die Memoires de Voltaire eben erhalte muß ich dir sie gleich schicken, und es verlangt mich nach schnellerer Nachricht von dir. Ich will einen Boten absenden damit ich gewiß weis daß mein Packt bald in deine Hände kommt.

Wie einsam ich bin werden dir meine Briefe gesagt haben. Ich esse nicht bey Hofe, sehe wenig Menschen, gehe allein spazieren und an iedem schönen Plaz wünscht ich mit dir zu seyn. Ich kann mir nun nicht helfen daß ich dich lieber habe als mir gut ist desto besser wird mir seyn wenn ich dich wiedersehe.

Meine Nähe zu dir fühl ich immer, deine Gegenwart verläßt mich nie. Durch dich habe ich einen Maasstab für alle Frauens ia für alle Menschen, durch deine Liebe ein Maasstab für alles Schicksal. Nicht daß sie mir die übrige Welt verdunckelt, sie macht mir vielmehr die übrige Welt recht klar, ich sehe recht deutl. wie die Menschen sind was sie sinnen wünschen, treiben und geniesen, ich gönne iedem das seinige und freue mich heimlich in der Vergleichung, einen so unzerstörlichen Schatz zu besitzen.

Dir geht es in der Wirthschafft, wie mir manchmal in Geschäfften, man sieht nur die Sachen nicht weil man die Augen nicht hinwenden mag und sobald man die Verhältnisse recht klar sieht haben die Dinge auch bald ein Interesse. Denn der Mensch mag immer gerne mitwürcken, und der Gute gern ordnen, zurechtlegen und die stille Herrschafft des rechten befördern.

Den Elephantenschädel nehm ich mit nach Weimar.

Meine Felsen Spekulationen gehen sehr gut. Ich sehe gar viel mehr als andre die mich manchmal begleiten und auch auf diese Sachen aufmercksam sind, weil ich einige Grundgeseze der Bildung entdeckt habe, die ich als ein Geheimniß behalte und deswegen die Gegenstände leichter beurtheilen kan.

An Wilhelm habe ich nicht weiter geschrieben. Manchmal geh ich das geschriebne durch und arbeite es aus, manchmal bereit ich das folgende. Wenn ich wieder dicktiren kann soll dieses Buch bald fertig seyn.

Unendlich werden dich die Memoires unterhalten. Uns andern die zum Erbtheil keine politische Macht erhalten haben, die nicht geschaffen sind um Reichthümer zu erwerben, ist nichts willkommner als was die Gewalt des Geistes ausbreitet und befestigt. Nun schweig ich auch ganz stille von dem Büchlein um zu hören was andre drüber sagen.

Wenn du es gelesen schick es doch gleich an Herdern mit Bitte es noch geheim zu halten.

Fritz ist glücklich und gut. Er wird ohne es zu mercken in die Welt hineingeführt und wird damit bekannt seyn ohne es zu wissen. Er spielt noch mit allem, gestern lies ich ihn Suppliquen lesen und sie mir referiren. Er wollte sich zu Todte lachen, und gar nicht glauben daß Menschen so übel dran seyn könnten wie es die bittenden vorstellten.

Adieu du tausendmal Geliebte.

1273

Freytags d. 18en Jun 84.

Ich bin stille und ruhig in Hoffnung daß ich Sonntags gewiß Nachricht von dir haben werde. Mein glücklicher Abgesannter ist in dem Augenblicke da ich dieses schreibe bey dir.

Unsre Angelegenheiten gehn noch leidlich und ich könnte bald Hoffnung fassen zu entwischen. Lieber will ich mich auf diesen Monat gar resigniren, denn gegen das Ende giebts doch allerley das man nicht mit Ungeduld und Übereilung thun muß.

Das Wetter das den Landwirthen angenehmer als uns Spaziergängern ist hält uns zu Hause und ich kan meinen Untersuchungen nicht folgen wie ich will.

Jedermann beruft mich über meine Einsamkeit, sie ist iedermann ein Rätzel und niemand weis mit welcher köstlichen Unsichtbaren ich mich unterhalte.

Von der Niebeckerischen Erbschafft schrieb ich dir neulich es ist gewiß daß sie 1 Million Livres beträgt.

Das Tableau de Paris hat mein Verlangen diese Stadt zu sehen vermehrt und vermindert.

Sonnabends d. 19ten.

Mein Bote ist nun schon wieder von dir weg, und wieder auf dem Weege zu mir. Mit welchem Verlangen ich ihn erwarte!

Merck hat einen Brief an die Herzoginn Mutter über Campern geschrieben davon ich dir einen Theil durch Fritzen habe kopiren lassen.

Gestern Abend habe ich auf der Wartburg einer Luft und Wolckenscene beygewohnt, wovon ich noch keinen Begriff hatte daß so etwas möglich sey. Mit Worten ist auch nicht der kleinste Theil davon zu beschreiben. Mein sehnlichster Wunsch wenn mir so etwas guts begegnet ist nur daß du gegenwärtig seyn mögest.

Für heute nimm hiermit vorlieb. Ich wollte diesen Posttag nicht vorüber gehen lassen.

Ich habe auch einen Brief von Merck früher als der Herzoginn hier schick ich ihn dir.

Lebe wohl du beste. Ich lebe für dich und mein beständiger fortdauernder Wunsch ist dir zu leben dir Freude zu machen, dir zu nützen, dein zu seyn.

G.

1274

d. 20ten Juni 84.

Wieder ein Tag den ich in deinem Nahmen anfange. Ich habe heute Briefe von Tiefurt und von Herders erhalten, diese sind gar lieb und gut gegen mich. Sie stehen mit deinem Bruder übel, ich sehne mich auch um ihrentwillen sehr nach Hause.

In wenigen Stunden erwarte ich meinen Boten zurück, wie wird mich eine Zeile von dir erfreuen!

Die Bechtolsh[eim] ist wieder besser und gleich wieder so munter und genüglich wie du sie kennst. Sie erzählt mir was die Leute von mir sagen. Frau von Lichtenstein in G[otha] hat ihr versichert: Qu'elle m'avoit trouvé entierement changé, que ie n'etois pas seulement presentable partout, mais meme aimable.

Es ist mir als wenn ich dir diese Aneckdote schon einmal geschrieben hätte. Ich dencke so viel an dich und was ich dir schreiben will daß es in meinem Gedächtniß zusammen fliest. Du siehst wenigstens daraus wie angelegen mir ist dir zu sagen daß die Menschen deine Wahl in ihrer Sprache nicht misbilligen. Ach ich weis von alle dem nichts, fühle nichts als daß du mich liebst.

– Mein Bote ist glücklich wieder zurück, und hat mir so viel von dir mitgebracht! Wie erfreut bin ich, wie sehr hast du mein Leben erneut.

Der Ring ist mir eine wahre Wohlthat und accurat recht. Ich lies mir viel erzählen wie er dich getroffen hatte. Ich weis es hat dir eine rechte Freude gemacht.

d. 21ten.

Mit wie viel Freude les ich deine Briefe wieder. Schon gewöhne ich mich auch den geschriebnen Worten deine Liebe anzusehn, verzeih mir wenn der Mangel deiner Gegenwart mir selbst die geliebte Handschrifft kalt machte. Ich habe mit Bätty einen Spazierritt gemacht und ein Cammergut besehen, nachher sind wir in der Gegend umhergeritten, sie ist so reich und schön als sich etwas dencken lässt.

Gerne wollt ich des Tags meine Schuldigkeit thun und was mir auferlegt ist treiben wenn ich nur Abends dich wieder erreichen könnte.

Es geht ein Husar nach Weimar der dieses Blat mitnehmen soll. Es reut mich daß ich einige Stunden in der Commödie und nicht mit dir zugebracht habe. Künftigen Winter wird das wieder unsre beste Zeit seyn wenn die andern im Schauspiele sind und wir für uns ein hergebrachtes liebes stilles Leben führen.

Leider wird mir der Sommer nicht zur schönen Jahrszeit da er mich gewöhnlich von dir entfernt.

Schreibe mir nur recht viel. Ohne dich ist mir eine Lücke in meinen Tagen die ich noch nicht ausfüllen lerne.

Lebe wohl du lieber Innbegriff aller meiner Freuden und Schmerzen, Lebe wohl.

G.

1275

[Mittwoch] d 23 Jun. 84.

Es ist noch immer im Alten und ich habe dir nichts neues zu sagen, dieser Monat und die ersten Tage des folgenden gehn noch vorüber eh ich dich sehn werde. Ich warte wieder sehnlich auf Briefe und freue mich iedes Tags der vorüber ist. Sonst geht mir's wohl, ich bin artig gegen die Menschen und alles ist freundlich, mein Geist ist immer heimlich nach dir gerichtet.

Die Seckendorf und Carolingen sind hier, die letzte geht mit der Gräfinn Backov wieder fort.

Habe ich dir schon gesagt daß Osann hier ist, daß die Herzoginn sich besser befindet, und jedermann an Hofe auch für seine eigne Person voll Trostes ist. Mir ist es um deinetwillen ein Geschenck, da er nun bey uns bleibt wird er dir von groser Hülfe seyn. Denn ich bin täglich mehr überzeugt der alte sah zuletzt für lauter Wissenschafft gar nichts.

Je älter man wird desto mehr verschwindet das einzelne, die Seele gewöhnt sich an Resultate und verliert darüber das Detail aus den Augen. So glaub ich auch der Alte sah zuletzt nur die Kranckheit nicht den Krancken. Auch ist das Glück und die Frauens für die Jugend, sie bedarf keiner Hülfe und ist Hülfe reich.

Das böse Wetter hindert mich an meinen Felsen Spekulationen, eh ich weg gehe will ich noch ein Paar Tage dran wenden und die Gebürge durchstreichen. Wenn ich mir nur ein Andencken für dich irgendwo aussinnen könnte. Ich hatte vor in irgend einen Felsen einhauen zu lassen:

Was ich leugnend gestehe und offenbarend verberge
Ist mir das einzige Wohl, bleibt mir ein reichlicher Schatz
Ich vertrau es dem Felsen damit der Einsame rathe
Was in der Einsamkeit mich was in der Welt mich beglückt.

Eben da ich dieses schreibe kommt dein lieber Brief, und ein Brief von meiner Mutter den ich dir mitschicke.

Wie dancke ich dir für deine Liebe meine beste und daß du sie so ausdrücken magst. Wie eifrig hoffe ich auf's wiedersehn.

d 24 Jun.

Gestern war ich bey Streibers zu Tische und ganz vergnügt. Du kannst meine treue Seele auch daran erkennen daß ich auch meiner hiesigen Inklination treu bin. Da Vicktorgen nicht koquett ist und doch artig, unterhaltend und nicht zärtlich so erlaubst du mir ia wohl daß ich ihr freundlich bin.

Ich sinne noch immer wie und wo ich die Innschrifft anbringen soll. Hier ist noch eine die ich der Herrmannsteiner Höhle zugedacht habe.

Felsen sollten nicht Felsen und Wüsten Wüsten nicht bleiben
Drum stieg Amor herab sieh und es lebte die Welt.
Auch belebt er mir die Höle mit himmlischem Lichte
Zwar der Hoffnung nur doch ward die Hoffnung erfüllt.

Nur noch eh ich zu Bette gehe ein Wort für tausend. Es wird mir so ein unüberwindlich Bedürfniß dich zu sehen daß mir wieder einmal für meinen Kopf bange wird. Ich weis nicht was aus mir werden soll. Gute Nacht. Wie sehr fühle ich die Glückseeligkeit des Schlafs.

d 25ten.

Heute hab ich recht im Ernste überlegt ob ich nicht auf einen Augenblick zu dir eilen soll. Es geht nicht und geht nicht, ich muß meine Geduld zusammen nehmen.

Ich schicke dir recht wunderbare Briefe die ich erhalten habe die dich erfreuen werden, hebe mir sie auf bis ich wieder zu dir komme. Heut Abend muß ich zu Herda wie wohl wäre es mir wenn ich mich ausziehen und zu Hause bleiben dürfte.

Merckens Glückseeligkeit freut mich herzlich. Ich lebe nur in dir und bin glücklich daß ich dir alles mittheilen kann.

Nachts.

Gute Nacht Liebste. Fritz tanzt im Hemde zu Bette, ich habe ihn herzlich an mich gedrückt und fühle daß ich nur gern um seinet und deinetwillen lebe.

1276

[Sonntag] d 27. Jun. 1784.

Ja du wirst mich wiedersehen und balde, unsere Bande lösen sich auf und sobald ich mich loswickeln kann thu ich es gewiß. Leider hat mich das üble Wetter verhindert die Gebürge so fleisig als ich gewünscht zu besuchen, ich habe nur im Fluge einiges beobachten können, das wird mir vielleicht am Ende einige schöne Tage wegnehmen wenn ich nachhohlen will.

Ich dancke dir! oder vielmehr mein Danck ist über allen Ausdruck für das neue Zeichen deiner Liebe. Ich habe es zu deinen Haaren gethan und trage es nun bey mir. Wenn ich mir das Glück bey dir zu seyn recht lebhafft dencke; so wird mir die Ferne ganz und gar unerträglich. Drum will ich dir lieber sagen daß ich heute zwey Basaltfelsen besucht habe. Daß gestern die Buona figlioula gespielt worden, daß ich mit viel Vergnügen mein Favorit Duett La baronessa amabile gehört habe und der Hoffnung lebe es an deiner Seite zu hören.

O Lotte wie ganz und wie gern bin ich dein.

Wedel geht nach Weimar und soll das Briefgen mitnehmen, ich muß schliesen, von dir eilen, und bleibe immer bey dir.

G.

1277

[Montag] d 28 Jun 84.

Nun wird es balde Zeit liebe Lotte daß ich wieder in deine Nähe komme denn mein Wesen hält nicht mehr zusammen, ich fühle recht deutlich daß ich nicht ohne dich bestehen kann. Der Ausschußtags Abschied ist signirt nun kan es nicht lange mehr währen ich rechne noch eine Woche, dann werde ich loskommen können. Das Wetter ist höchst elend man kann nicht vor's Thor, und was innerhalb der Mauern von Schönheiten und Artigkeiten lebt, hat allenfalls nur einen augenblicklichen Reitz für mich und kann kaum das Regenwetter balanciren geschweige einen so wesentlichen Mangel als der ist den ich von Morgen bis zu Abend empfinde.

Ja liebe Lotte ietzt wird es mir erst deutlich wie du meine eigne Hälfte bist und bleibst. Ich bin kein einzelnes kein selbstständiges Wesen. Alle meine Schwächen habe ich an dich angelehnt, meine weichen Seiten durch dich beschützt, meine Lücken durch dich ausgefüllt. Wenn ich nun entfernt von dir bin so wird mein Zustand höchst seltsam. Auf einer Seite bin ich gewaffnet und gestählt, auf der andern wie ein rohes Ey, weil ich da versäumt habe mich zu harnischen wo du mir Schild und Schirm bist. Wie freue ich mich dir ganz anzugehören. Und dich nächstens wieder zu sehen.

Alles lieb' ich an dir und alles macht mich dich mehr lieben.

Der Eifer wie du in Kochb[erg] deine Haushaltung angreiffst von dem mir Stein mit Vergnügen erzählt, Vermehrt meine Neigung zu dir, läßt mich deine innerlich thätige und köstliche Seele sehn. Lotte bleibe mir und was dich auch interessiren mag, liebe mich über alles.

d. 1 Jul.

Der verlohrne Monat ist nun herum und der neue lässt mir Hoffnung dich balde zu sehen.

Fritz sagt mir er habe eine solche Sehnsucht nach Weimar daß es ihn in den Knieen ziehe, ich habe mit ihm darüber gescherzt, ihn ausgelacht und heimlich noch grösere Sehnsucht empfunden.

Heute erhalten die Stände den Abschied und ich will eilen was ich kann um was noch nötig ist zu besorgen, damit ich bald fortkomme.

Der Schmäuse drängt einer den andern, und man kann nicht alle ausweichen, ich finde es eine böse Art. Adieu L. Lotte ich habe viel zu thun, und bin ganz dein.

G.

1278

[Sonntag] d. 4 Jul. 84.

Schon vier Tage war ich genötigt meist Mittag und Nachts zu Tische zu seyn ein verdorbner Magen, und weniger heitre Sinne sind alles was ich davon habe, es geht zum Ende und ich will herzlich froh seyn wenn noch einige Sachen abgethan sind daß ich in die Gebürge gehn und alsdenn zu dir eilen kann.

Dein Nahme deine Briefe, iede Erinnerung lockt mich zu dir. Ich habe wenig gesellschafftlichen Sinn und du hast mich noch über dies von allem abgezogen, und wenn ich mit Frauens bin leb ich immer in Vergleichung. Jedes kleine Intresse wird verschlungen sobald ich meine Augen nach dir wende.

Abends

Meine Feder versagt mir dir zu schreiben daß Osann so kranck ist, ich habe dir's in keinem Briefe sagen können du wirst es wissen. Ich kan in kein Detail gehn. Heute Abend sieht es mißlicher aus als iemals. Es ist eine Verknüpfung von Umständen die fataler ist als ich einen Fall kenne.

d 7 Jul.

Osann ist todt, du kannst dencken wie lahm uns dieser Fall macht. Die glücklichen Veränderungen seines Zustandes folgten zu schnell auf einander, sie haben ihn erdrückt. Seine übermäßige Praxis in Göttingen, seine Heurath, sein Ruf in unsre Dienste, sein Abschied von seinen Krancken, seine schnelle Forderung hierher! Er brachte eine kranke Anlage mit, genierte sich hier so lang es möglich war, wollte es zwingen und unternahm eine heftige Cur, das Hofleben, Hofessen p hat ihm völlig den Garaus gemacht und so sind die Blüten unserer heilsamen Hoffnungen gepflückt und der alte verwaiste dürre Stock steht noch. Der arme Alte jammert mich. Wie sehr es mich auch um deintwillen schmerzt, er wollte noch an dich schreiben. Wir haben alle für uns und die unsrigen verlohren, die Herzoginn am meisten.

Ich erhalte deinen letzten Brief, er macht mich betrübt. Glaubst du daß meine Sehnsucht nach dir in der Ferne sich verlieren oder vermindern könnte. Wo ist irgend etwas zu finden das deiner Liebe gleicht.

Die Artigkeit, Anmuth, Gefälligkeit der Frauen die ich hier sehe, selbst ihre anscheinende Neigungen, sie tragen alle die Zeichen der Vergänglichkeit an der Stirne, nur du bist auf der beweglichen Erde bleibend und ich bleibe dir.

Wenn du diesen Brief erhältst; so schicke keine mehr an mich ab, allenfalls nur nach Weimar. Ich habe grose Lust gleich von Erfurt reitend zu dir zu kommen, weis aber noch nicht wie es am besten seyn wird.

Auch in der Art wie du die Kochberger Wirthschafft angreiffst lieb ich dich aufs neue. Was kannst du thun worinne nicht dein köstliches Wesen erscheine.

Der Geh. Leg. R. Schmidt hat eine Stimme im geh. Conseil bekommen wodurch ich auch sehr erleichtert werde, indessen ist das Leben für den der etwas vernünftiges und planmäsiges drinne sucht immer eine wunderliche Aufgabe.

Ich wünscht dir herzlich wohl zu leben. Erfreue mich des Wiedersehns, und wenn ich gleich diesen Sommer noch viel schwärmen muß; so wird uns doch der Winter wieder zusammenbringen und uns gute Tage bereiten.

Lebe wohl ich rede manchmal mit Stein von seiner Wirthschafft, und bin neugierig zu hören was du mir erzählen wirst.

Fritz ist sehr vergnügt sein Vater hat ihm wieder einmal die Haare abschneiden lassen das ihm ein albern Aussehn giebt.

Lebe wohl, balde balde erscheint mir der glückliche Tag da ich dich wiedersehe.

Man hält mich hier und wird mich nicht halten.

Noch einmal Adieu, wie freu ich mich daß ich so bin daß du mich lieben kannst.

G.

1279

[Freitag] d 9 Jul.

Ich schreibe dir noch einmal durch unsre abgehende Canzleyleute denen ich nun bald nachfolge. Morgen geh ich in die Berge und nehme Fritzen mit wo ich dein mit aller Herzlichkeit gedencken werde.

Heute sind erst meine Geschäffte alle geworden, es war gut daß ich mich in Gedult gefasst hatte.

Nach und nach fängt sich unser hiesiger Aufenthalt an in gesellschafftliche Zerstreuung aufzulösen. Die Frauens die, wie billig, zuerst, ich darf wohl sagen sammt und sonders, es auf den Herzog angelegt hatten, nehmen nun nach und nach mit einem von der Suite vorlieb und befinden sich dabey nicht schlimmer.

Wie sehn ich mich nach dem Augenblicke dich wieder zu sehn! welche Freude sind mir deine Briefe! Jedes Zeichen, jedes Wort deines Liebevollen Herzens.

Man thut mir sehr artig, man gefällt sich sogar mich zu lieben, nur schade daß ich dieses Glücks sehr unvollkommen geniesen kann. Alle Versuche und Proben laufen dahinaus daß ich nur für dich bin, und daß wer dich kennt, wer dein gehört hat keiner andern auch nicht auf eine Zeitlang angehören kann.

Die Berge und Felsen geben mir eine anmutige Aussicht, zwar glaub ich nicht daß ich sie in diesem Sommerfeldzug ganz überwinden werde, doch tief komm ich ihnen ins Eingeweide.

Einige stille Augenblicke habe ich angewendet im Rousseau zu lesen, der mir durch einen Zufall in die Hände kam. Wie wunderbar ist es und angenehm die Seele eines Abgeschiednen und seine innerlichsten Herzlichkeiten offen auf diesem oder ienem Tische liegen zu finden.

Im dritten Theile des Pontius Pilatus stehen ganz treffliche Sachen. Es ist weit weniger Capuzinade als in den ersten, man sieht wie L[avatern] die Menschheit nach und nach immer offenbarer wird. Daß er von den albernsten Mährgen mit Anbetung spricht, daß er sich mit veralteten barbarischen Terminologien herumschlägt, und sie in und mit dem Menschenverstande verkörpern will gehört so nothwendig zu seinem eignen als zu des Buches Daseyn. Es wird dich gewiß vergnügen und auferbauen es durchzugehn.

Vor einigen Tagen las ich wie Voltaire iene Schrifften behandelt und nun Lavater. Das Buch bleibt was es ist und wird nicht dazu wozu es dieser oder iener machen möchte. Die arme beschränke Gewalt der kräfftigsten Menschen mögte gern Himmel und Erde nach ihren Lieblings Ideen umschaffen, und Herr über unbezwingbare Wesen werden.

Noch eine Aneckdote. Die Italiäner haben auf den König in Schweden der keine königliche Trinkgelder ausgetheilt haben mag, das ich ihm sehr verzeihe das Versgen gemacht:

Tutto vede il Conte Haga
Poco intende e nulla paga.

Der Prinz Heinrich war sehr gnädig hier. Ich habe einige Beyträge zu meinem 5ten Teil im Fluge geschossen, davon mündlich ein mehreres.

Lebe wohl. Vielleicht erhältst du nun keinen Brief weiter, und ich werde zu dir wahrscheinlich gleich von Erfurt aus ohne Fritzen kommen. Er hat eine unsägliche Freude daß er morgen mit ins Gebürge reiten darf. Adieu. Adieu.

G.


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