Johann Wolfgang von Goethe
Briefe an Charlotte Stein, Bd. 2
Johann Wolfgang von Goethe

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1140

[Mittwoch 27. August]

Hier schicke ich das ganze Buch, suche dir die Spieler aus, und behalte mich recht lieb, den du dir allein ausgesucht hast. Jede Empfindung deines schönen Herzens ist mir werth. Morgen bin ich recht glücklich meinen ersten Tag mit dir zu erneuern. Adieu.

d. 27. Aug. 83.

G.

1141

[Donnerstag 28. August]

Ich dancke für das schöne Angebinde durch den lieben Boten. Behalte mir deines lieben Herzens Gefühle für den Rest meines Lebens. Ich bleibe der deinige.

d. 28. Aug. 83.

G.

1142

[Freitag 29. August]

Mit freudicher Erinnerung an eure gestrige Freundlichkeit schicke ich dir ein schmackhafftes Überbleibsel des fröhligen Tages. Ich bitte um die Iphigenie und um ein gutes Wort. Das Bild soll noch heute aufgetragen werden.

d. 29. Aug. 83.

G.

1143

[Sonnabend 20. August]

Ich bin noch nicht weg und sehne mich schon wieder zu dir. Wie wird es erst weiter gehn.

Lebe wohl du süse Freundin und Geliebte, deren Liebe und Umgang mich alleine glücklich macht. Wenn es möglich ist schreibe ich dem Herzog ein Gedicht auf seinen Geburtstag.

Nochmals Adieu. Ewig der deinige.

d. 30. Aug. 83.

G.

1144

[Sonnabend 6. September]

Nun Adieu liebe Lotte und Danck für deinen lieben Abschied der mir unvergesslich ist. Hier drey Schlüssel zur Kiste zum Schrancke, und zum Schreibtisch. biß auf wenige Geschäfftssachen ist das übrige alles dein. Ich hoffe nicht daß du Ursache haben sollst sie zu öffnen.

Lebe wohl ich bin der deinige. Fritz grüßt und ist munter und froh. Du hörst balde von mir.

d. 6. Sept. 1783.

G.

1145

Langenstein [Dienstag] d. 9. Sept. 83.

Erst heute Abend schreib ich meiner Lotte mit der ich mich diese ganze Zeit im Stillen beschäfftigt habe. Ich wünschte du wärest den ganzen Tag um mich unsichtbar, und trätest Abends wenn ich alleine bin wie aus der Mauer hervor, du würdest fühlen, was ich ietzt mit sovieler Freude fühle, daß ich nur alleine dein bin und dein seyn kann. Wie hoffe ich auf den Augenblick dich wiederzusehen, du hast mich mit allen Banden an dich gebunden.

Mir geht es bis hierher sehr wohl, man begegnet mir auf das Beste und Fritz ist recht artig und fasst sich bald wenn ihm etwas gegen die Stirne läufft.

Ich habe dir viel zu erzählen, es wird mir gut thun fremde Luft einzuathmen und mein Verhältniß von weitem zu betrachten. Die Existenzen fremder Menschen sind die besten Spiegel worin wir die unsrige erkennen können.

Das Wetter ist nicht sehr günstig der Harz schickt Stürme und Wolcken, indessen hat es nicht geregnet und das ist schon danckenswerth.

Die Herzoginn, wie ich höre kommt erst Montags d. 15ten hierher, oder vielmer nach Halberstadt. Ich weis nicht ob ich sie sehen werde.

Ich freue mich herzlich auf deinen Brief in Cellerfeld.

Lebe wohl und behalte mich in deinem Herzen und empfange mich wieder wie du mich verabschiedet hast. Es ist in der weiten Welt allerley vergnügliches und wenig trost zu holen, den ich allein in deiner Nähe finde. Lebe wohl Geliebteste.

G.

1146

[Blankenburg, Donnerstag 11. bis Halberstadt, Sonntag 14. September]

Blanckenburg d. 11. Sept. 83.

Ohngeachtet meiner Müdigkeit muß ich dir heute Abend schreiben, denn gewiß heute waren alle deine Wünsche bey mir. Der erste schöne Tag seit der ganzen Reise! So lang ich bey der schönen Frau war hast du immer Sturm und leidig Wetter gemacht, und dafür meine Wallfahrt nach dem Rostrapp geseegnet. Es war ein köstlicher Tag. Und nachdem ich mich oben umgesehen hatte, stiegen wir in's Thal herunter, wo ich dich huntertmal hingewünscht habe als ich mit Fritzen auf einem grosen in den Fluß gestürzten Granitstück zu Mittage as. Du glaubst nicht wie artig er ist, wieviel Delikatesse er gegen mich zeigt. Ich habe nur einigemal nötig gehabt mit ihm ernstlich über kleine Unarten zu sprechen, du solltest sehn welch eine reine Würckung es gethan. Ich bin auch einzig glücklich in dir und ihm, alles andre kann ich mir nicht zueignen. Man begegnet mir überall auf das artigste, ich habe, und zeige auch gute Laune, rede viel und habe doch noch kaum einen offnen ganz aufrichtigen Augenblick gehabt. Laß uns ia nie, auch nur vorübergehend verkennen was wir einander sind.

d 13ten früh. Langenstein.

Wir haben gestern noch einen sehr schönen Tag gehabt um nach der Baumannshöle zu fahren, die Marmorbrüche und Mühle im Rübelande zu besehen. Heute Abend geh ich nach Halberstadt wo die Herzoginn Morgen durchgeht, ich will dieses Blat deiner Schwägerinn mitgeben, meinen ersten Brief von hier aus wirst du erhalten haben.

Wie sehnlich habe ich dich an manchen Stellen zu mir gewünscht sie sind außerordentlich schön, und würden durch deine Theilnehmung himmlisch geworden seyn, um mich hier am rechten Platze des Ausdrucks der Fritzgen Voß zu bedienen.

Fritz ist sehr glücklich und bildet sich zusehends. Er macht mir viel Freude und gewiß auch dir wenn er wiederkommt.

Ich bin sehr neugierig den Herzog zu sehen, und lasse mich es nicht mercken. Lebe wohl. Ich schreibe dir Morgen noch ein Wort dazu.

d. 14 früh Halberstadt.

Heute kommt die Herzoginn hier an und die ganze fürstliche Familie wird sie begleiten, ich werde sie alle sehen, und sie werden mir eine sehr willkommne Erscheinung seyn. Vielleicht kann ich heute Abend noch ein Wort dazu schreiben. Morgen wird sich's entscheiden ob ich gleich auf Zellerfeld gehe oder ob ich vorher den H. v. Veltheim in Harpke das bey Helmstedt liegt besuche dann will ich auf Göttingen. Adressire mir doch ia dahin einen langen Brief, und laß Götzen sagen daß er alles was mit der Reichspost Freytags den 19en abgehen kann nach Göttingen bey Magister Grellmann abzugeben unter meiner Adresse schickt. Es verstehn sich Briefe, Packete lässt er liegen, und schreibt nur dazu ob etwas vorgefallen. Sage es doch dem Herzog vielleicht hat er etwas mit zu schicken. Lebe tausendmal wohl meine Hoffnung und Freude. Grüse Stein, die kl. Frau und die Waldner. Empfiel mich der Herzoginn. Lebe wohl.

Abends.

Die Herrschafften sind alle, ausser der regierenden Herzoginn, vergnügt und wohl angekommen, ich habe den ganzen Tag in ihrer Nähe zugebracht. Davon mündlich. Lotte meine Lotte du bist mir alles. Was Fritz gut und verständig ist kann ich dir nicht ausdrücken. Hier ein Brief von ihm er hat einen gar artigen an Carl geschrieben.

1147

Clausthal Sonnabend d. 20 Sept. 83.

Du wirst nun L. L. zwey Briefe von mir haben, einen mit der Post, einen durch Frl. Stein. Du hast gewiß im Schreiben gefühlt wie viel Vergnügen mir die deinigen machen würden, die ich hier gefunden habe, und der dritte den ich heute Abend erhalte.

Meine Reise geht sehr glücklich ich habe das schönste Wetter, und Morgen früh wagen wir uns auf den Brocken. Fritz ist gar lieb und gut und macht mir grose Freude. An ihm geniese ich ieden Augenblick im Stillen des Glücks daß ich ganz dein bin. Erst d. 18en Abends kamen wir hier an. Ich werde dir viel von der schönen Frau erzählen, sie wusste nicht woran sie mit mir war, und gern hätte ich ihr gesagt: ich liebe, ich werde geliebt, und habe auch nicht einmal Freundschafft zu vergeben übrig. Vielleicht seh ich sie noch einmal in Göttingen oder Cassel denn sie geht in diesen Tagen nach Strasburg.

Hier bin ich recht in meinem Elemente, und freue mich nur daß ich finde ich sey auf dem rechten Weege mit meinen Spekulationen über die alte Kruste der neuen Welt. Ich unterrichte mich so viel es die Geschwindigkeit erlaubt, sehe viel, das Urtheil giebt sich.

Du wirst dich freuen über eine Menge Ideen die ich mitbringe auch über menschlich Natur und Wesen, und was dich eigentlich angeht, du kannst mich immer noch einige Zeit missen, denn du wirst der entbehrten Tage doppelt geniessen. Wie glücklich machst du mich durch das sichre Gefühl daß ich dein sey, ich bin's auch l. Lotte, es ist unmöglich iemanden mehr anzugehören. Die ersten Tage an einem Orte wo soviel neues auf einen zuströmt geht es seinen Gang, aber wenn diese Bewegung abnimmt entsteht eine recht ängstliche Sehnsucht nach dir, die keine Worte ausdrücken. Wenn ich dir nur von den vielen schönen Gegenden etwas nach Ehringsdorf schaffen könnte daß du es an stillen Tagen zeichnetest, wir haben die schönsten Gegenstände mancher Art gesehn.

Bey Trebras gehts uns gut, es sind sehr redliche Menschen. Sie grüst dich recht herzlich und machts mit Fritzen wohl.

Grüse deine Schwester, du wirst ihr doch wohl vertraut haben daß dein alter Freund werth ist. Lebe wohl. Grüse den Herzog wenn er wiederkommt und bitte ihn wenn er etwas zu befehlen hat, es nur nach Göttingen zu schicken. Adieu. Ich bin ganz bey dir und grüse dich wo du auch seyst am Camin, im Cabinete, an irgend einem vielgeliebten Orte gute Nacht.

G.

d 21. Sept.

Ehe wir den Brocken besteigen sage ich dir noch einen guten Morgen. Das Wetter hat sich überzogen, vielleicht kommt uns das Morgen früh zu Gute denn wir bleiben diese Nacht oben. Oben auf dem Gipfel auf den alten Klippen will ich mich nach deiner Wohnung umsehn und dir die Gedancken der lebhafftesten Liebe zuschicken. Schon vor mehreren Jahren that ich dasselbe, und wieviel anders ists ietzo lebe wohl meine beste. Ich schreibe bald wieder.

1148

Zellerfeld Mittwoch d. 24 Sept. 83.

Unsre Brockenreise ist glücklich vollendet, ich habe in der Stille meine Augen nach der Gegend gewendet wo du wohnst und mich glücklich machst. Fritz war gar munter und brav. Er ritt auf einem kleinen Pferdgen so grade hin als wenn er ganz damit bekannt gewesen wäre, er ist sehr glücklich und hat nur kleine Anfälle von Laune und Unart.

Nun zieht mich mein Sehnen wieder zu dir, Freytags geh ich hier weg auf Göttingen wo ich Briefe von dir hoffe und dir auch schreibe.

Ich habe mich recht mit Steinen angefüttert, sie sollen mir, dencke ich wie die Kiesel dem Auerhan, zur Verdauung meiner übrigen schweeren Winterspeise helfen.

Und dich liebe Lotte hoffe ich wohl zu finden. Wie viel habe ich dir zu erzählen und wie gerne will ich ausführlich seyn. Du wirst wieder recht fühlen daß ich nirgend nichts als bey dir zu suchen habe. Lebe wohl! Mein Tag geht herum mit vielem sehn und ich kann dir in keiner Fassung schreiben mein Herz hängt an dir. Lebe tausendmal wohl.

G.

1149

Göttingen [Sonntag] d. 28ten Sept. 83.

Nur mit wenig Worten kann ich dir geliebte sagen daß wir glücklich hier angekommen sind. Ich habe mir vorgenommen alle Professoren zu besuchen und du kannst dencken was das zu laufen giebt. Um in ein Paar Tagen herumzukommen.

Es ist das schönste Wetter das du hoff ich auch geniessen wirst.

Wenn ich meiner Neigung folgte so ging ich grade von hier zurück. Fritze aber plagt mich so sehr Cassel und besonders den Riesen auf dem Winterkasten zu sehen daß ich ihm die Freude nicht versagen kann. Du wirst dich verwundern wie er zugenommen hat.

Deine Briefe die ich hier gefunden haben mich recht erquickt da ich von dem Harz kam. Diese Reise thut mir sehr wohl, sie war eben zur rechten Zeit eingeschlagen. Du glaubst nicht wie leicht es mir wird mit den Menschen zu handeln, da ich nicht mit ihnen umzugehn brauche. Ich habe dir recht viel zu erzählen und hoffe herzlich auf deine Gegenwart.

Ich mag mich sogerne in Gedancken bey dir niederlassen, und künftige Winterabende vorausgeniessen. Lebe wohl. Fritz will auch schreiben. Er kommt aber wohl nicht dazu. Grüse alles.

G.

Schreibe mir doch nach Gotha und lass die Briefe beym Prinzen August abgeben. Daß ich noch etwas unterweegs finde.


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