Johann Wolfgang von Goethe
Briefe an Charlotte Stein, Bd. 2
Johann Wolfgang von Goethe

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1630

[Donnerstag 1. bis Sonnabend 3. Februar]

Diesen Brief will ich anfangen zu numeriren da ich es mit den vorigen versäumt.

a

No. 1. d. 1. Febr. 1787. Rom.

Am Abende eines sehr schönen Tages muß ich dir schreiben, obgleich herzlich müde denn ich bin von Morgens biß in die Nacht auf den Beinen. Ich fülle nun die Lücken aus und sehe was ich noch nicht gesehen und das nothwendigste zum zweyten und dritten male. So müste ich fortfahren, wenn es etwas recht solides mit mir werden sollte, doch hoffe ich für mein Verhältniß genug zu thun. Auf dem rechten Weg bin ich gewiß.

Nun kann ich auch fröhlicher an das Werck gehn, denn ich habe einen Brief von dir in welchem du mir sagst, daß du mich liebst, daß du dich meiner Briefe und Nachrichten freust. Könnt ich dir nur recht viel geben. Meine Selbstgespräche bey den besten Gegenständen sind an dich gerichtet, wenn sie nur gleich auf dem Blatte stünden.

Was den Gedancken an dich betrifft; kann ich dem Rath des Peruginischen Grafen nicht folgen, sonst hab ich würcklich jetzt eine – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Daß ich nicht zuviel sage, täglich ordnet sich mehr was ich sehe und gesehn habe und indem die großen Gegenstände an ihre – rechten Plätze kommen; so ist für sehr viele Platz und Raum. Vom einzelnen kann ich fast gar nichts mehr sagen. Meine Liebschafften reinigen und entscheiden sich mehr und mein Gemüth kann sich dem größeren mit gelaßner Theilnehmung entgegen heben. Erstaunend schwer ist es sehen zu lernen ohne selbst Hand anzulegen und doch habe ich keine Zeit dazu, auch würde es mich auf eine Weile beschräncken und zu sehr aufs einzelne führen. Ich spanne alle Seegel meines Geists auf um diese Küsten zu umschiffen.

Nun kommt das Carneval, das uns eine edle Woche und mehr rauben wird. Es sey drum da man Volck sieht, ist auch zu lernen.

– – – – – schon drei Junonen neben einander stehen. Durch diese Vergleichung lern ich in Geschwindigkeit was andre nur in Jahren zusammen suchen.

d. 2ten.

Wie hab ich nicht wieder heute an dich gedacht!

In der Sixtinischen Capelle war Amt wo die Kerzen geweyht werden. Ich war einen Augenblick drinn und bin wie ich schon schrieb für dies Hockuspockus ganz verdorben.

Nachher machten wir einen großen Spazirgang und kamen auch auf St. Onufrio wo Tasso in einem Winckel begraben liegt. Auf der Bibliothek haben sie eine Büste von ihm. Das Gesicht ist von Wachs und soll über seinen Leichnam gegossen seyn. Es ist nicht ganz scharf und hier und da verdorben, im ganzen aber ein trefflicher, zarter, feiner Mensch.

Entschuldige mich überall wenn ich nicht schreibe. Grüße die Schwester und Schwägerinn und dancke für die Blättgen, sie sollen auch jedes ein Bildgen haben. Der Herzoginn empfiel mich aufs beste und dancke für Ihren Brief. Das Wetter ist so schön, zu Hause ist es kalt, in meiner Stube ist weder Ofen noch Camin und da wird es zum schreiben nicht häuslich. Künftige Woche haben wir das volle Carneval, Morgen gehn die neuen Opern an und ob mich gleich auch das Theater so wenig mehr, als der Pfaffen Mummerey freuen oder interessiren kann; so muß man es doch sehn. Dennoch schreib ich nächsten Posttag und wärens nur wenig Worte. Auch mach ich ein Packet zurechte, das ein Hannoveraner der nach Deutschland zurückgeht mitnehmen wird, in dem du für dich und für Freunde und die Kinder Scherz und Ernst finden wirst. Herdern hab ich mit den Kupfer Platten allerley geschickt, das euch hoff ich eine gute Stunde machen soll.

Übrigens ists Zeit daß ich aus Rom gehe, und eine Pause der allzustrengen Betrachtung mache, wenigstens die Gegenstände verändre auf Neapel freue ich mich, und wenn ihr mich länger entbehren wollt auf Sicilien.

b

Ich habe mich auf den Vorsaal ans Camin gesetzt und finde bey der Wärme Lust und Muth ein neues Blat anzufangen, denn es ist doch gar zu schön daß man in eine so große Ferne so gewiß reichen kann.

Wie verlangts mich auf Nachricht der Aufnahme Iphigeniens und ob ihr Freude aus der Mühe, aus dem Fleiße habt schöpfen können, den ich noch an das Stück gewendet habe. Man unternimmt nur zu viel! und ich darf an meine vier letzten Theile nicht im Ganzen dencken; so möchte mirs schwindlich werden. Ich muß sie einzeln angreifen und so wirds gehn.

Den Gedancken diese Gegend mit dir zu genießen, kann ich nicht aufgeben und darf ihn nicht scharf dencken. Ich sehe schon die Sachen nur mit dem Wunsche sie dir zu zeigen. Das Wetter ist ganz herrlich die Tage nehmen mercklich zu, die Lorbeern, Buxbäume blühen schon, heute sah ich den ersten Mandelbaum in Blüte. Die Maaslieben hören gar nicht auf hervorzukommen, heute fand ich Crokus und Adonis.

Was wird mir nicht erst das mittägigere Land für Freuden und für Kenntniße geben, und ich müßte mich sehr betrügen wenn ich nicht einige schöne Resultate herausdencken wollte. Das sehe ich nun wohl um einen allgemeineren Begriff von den Volkanen zu haben, muß man den Etna mit Verstand und Sorgfalt bereisen.

Es ist mit den natürlichen Dingen wie mit der Kunst, es ist so viel darüber geschrieben und wenn man sie sieht, läßt sich doch wieder eine neue Combination machen.

Grüße Fritzen ich werde ihm durch Kranz etwas schicken auch den kleinen Herders. Grüße Stein und Ernst.

Der Göchhausen sage: es sey gar trotzig von ihr, daß sie mir nicht geschrieben, sie werde, wenn sie sich nicht beßre, kein Bildgen erhalten.

Klinckovström sage, ich schicke durch Kränzen Brokoli Saamen an ihn, damit er ihn pflanzen und unsrer Fürstinn einen guten Salat bereiten laße, er soll auch andern Freunden davon etwas zu genießen geben. Nähere Anweisung kommt mit dem Samen.

Könnt ich nur recht vieles zu Euch verpflanzen. Wie leid ist mirs daß du von dem Caffe zuviel weggegeben, wie lieb daß er dir wohl schmeckt, wenn er nur auch wohl bekommt. Man kann mehr verschreiben, ich habe mir eine Adresse behalten, der Ankauf ist nicht theuer, das Porto, macht eine schwere Auflage.

Lebe mir und liebe mich.

Ich lese jetzt des guten, trocknen Volckmanns zweyten Teil, um mir zu notiren was ich noch nicht gesehen. So schön die Tage sind muß ich zu Hause bleiben und eine Pause in meinen Wanderungen machen. Von der Schönheit im vollen Mondschein Rom durchzugehen hat man, ohne es gesehn zu haben, keinen Begriff. Alles Detail, wird von den großen Massen des Lichtes und des Schattens verschlungen und nur die größten allgemeinsten Bilder stellen sich dem Auge dar. Seit 3 Tagen sind die hellsten und herrlichsten Nächte die wir wohl genoßen haben.

Einen besonders schönen Anblick gab uns das Colisee. Es wird Nachts zugeschloßen, ein Eremite wohnt an einem Kirchelchen drinne, und Bettler nisten sich in die zerfallnen Gewölbe. Sie hatten, scheint es, ein Feuer angemacht und eine stille Luft trieb den Rauch erst auf der Arena hin, daß der untere Theil der Ruinen bedeckt war und die ungeheuern Mauern oben drüber heraus sahen. Wir standen an dem Gitter und sahen dem Phänomen zu. Der Mond stand hoch und heiter. Nach und nach zog sich der Rauch durch die Gewölbe, durch die Ruinen Wände und der Mond beleuchtete ihn wie einen Nebel. Der Anblick war köstlich. So muß man das Pantheon, das Capitol beleuchtet sehn. Den Vorhof der Peterskirche und andre große Straßen und Plätze.

Lebe wohl. Was mittheilbar ist, schreibst du den Freunden aus. Liebe mich, sage mirs, daß ich lebe und mit Freuden wandle. Schon ist mirs als wäre ich auf dem Rückwege zu Euch. Theile auch manchmal Wielanden mit einem Gruße etwas mit. Daß nur nichts abgeschrieben werde.

d. 3 Febr. 87.

G.

Grüße gelegentlich Einsiedeln.

1631

[Mittwoch 7. bis Sonnabend 10. Februar?]

Rom d.   Febr. 87.

Deinen lieben Brief vom   habe ich gestern erhalten, und also auch wieder später als du gewöhnlich die meinigen erhälst. Ich ging eben in die Commödie und laß ihn mitten unter dem fremden Volcke, beym Schein des großen Lüstres, der ehe der Vorhang aufgeht mitten im Schauspielhause hängt. Das Löwgen zu sehen war mir eine große Freude. Da alles bisher so glücklich angelangt ist, hoffe ich das übrige wird auch so zu euren Händen kommen.

Heute hab ich den ganzen Tag gezeichnet. Dieses Verlangen arbeitete schon lang in mir. Die Landschafft sieht man hier so subaltern an, man mag kaum daran dencken, jetzt aber mit dem schönen Wetter kommt die Liebhaberey wieder. Wenn es glückt; so erhälst du durch Kranzen ein dutzend kleine Stückgen Versuche in einer neuen Manier. Es kostet mich Aufpaßens bis ich meine kleinliche deutsche Art abschaffe. Ich sehe lang was gut und beßer ist; aber das Rechte in der Natur zu finden und nachzuahmen ist schweer schweer. Nur durch Übung kann man vorwärts kommen und ich habe keine Zeit ein einzeln Fach zu bearbeiten.

Indeßen ist mir das armseelige Bißgen Zeichnen unschätzbar, es erleichtert mir jede Vorstellung von sinnlichen Dingen und das Gemüth wird schneller zum allgemeinen erhoben, wenn man die Gegenstände genauer und schärfer betrachtet. Fritz soll ja brav zeichnen was ihm vorkommt. Ich freue mich recht sehr daß mir im Zeichnen ein Licht aufgeht eh ich nach Neapel reise, ich hatte schon Angst ich würde von dem Anschauen der großen Kunstwerke erdruckt werden, und mir nicht mehr getrauen ein Bleystift anzusetzen. Aber die Natur hat für ihre Kinder gesorgt, der Geringste wird durch das Daseyn des Trefflichsten nicht an seynem Daseyn gehindert, oder wie der Dichter sich ausdrückt

Ein kleiner Mann ist auch ein Mann.

Meine Begriffe von Welt weiten sich nun gar schön aus, ich habe zweymal das Meer gesehn, das Mittländische und Adriatische, nur gleichsam zum Besuch, in Neapel wollen wir bekannter werden.

Es rückt alles auf einmal in mir herauf. Warum nicht früher! Warum nicht wohlfeiler!

Wie viel tausend Sachen, ja wie ganz neu und von vornen alles hab ich dir nicht zu sagen.

Das tolle Leben des Carnevals ruckt heran; die Gerüste sind schon am Ende des Cors gegen die Pyramide zu aufgeschlagen, und die Pferde welche rennen sollen werden, damit sie Ort und Straße gewohnt werden, auf und abgeführt.

Wir leben für uns gar vergnügt und könnten dieser lärmenden Freuden gar wohl entbehren. Tischbeins Gesellschaft ist mir von unendlichem Nutzen, er heitert mich auf und es ist mir so wohl mit einem Menschen zu seyn, der mit schönen Kräfften auf dem rechten Weg ist. Moritz schleicht wieder herum, dem bin ich nun wieder nützlich und mein Umgang wird wichtigen Einfluß auf sein künftig Leben haben, er ist gar gut, vernünftig, empfänglich und danckbar wenn man ihm eine Stufe weiter hilft.

Und wie sauer wirds dem Menschen ohne Überliefrung, ohne Lehre zur rechten Zeit sich selbst zu finden und zu helfen. Tischbein bringt mich im Zeichnen seit zwey Tagen fast jede Stunde weiter, denn er sieht wo ich bin, und was mir abgeht; so ists im moralischen auch, so ists in jeder Sache.

Grüße die Waldner und sag ihr sie würde immer etwas aparte behalten.

Das Wetter ist seit dem 1 Febr ganz himml. auch der Januar war bis auf einige Tage in der Mitte und am Ende gar herrlich.

Das Portrait wird gut und brav werden, wenn es fertig ist, erhälst du eine Zeichnung im Kleinen.

Grüße den lieben Fritz, Ernsten und Stein; behalte mich sehr lieb, ob ich gleich so wunderlich bin, ich habe so viel mit mir selbst auszustehn, daß ich meine Freunde nicht dispensiren kann ihr Theil davon zu tragen und am wenigsten dich.

Ich habe wieder einen neuen Anschlag. Der Herzog schreibt mir daß er mich vor Weynachten nicht erwartet. Da könnte ich nach Ostern nach Sicilien gehn und dann würde es just treffen. Laß uns lieber von dem entfernten nicht sprechen, du sollst Schritt vor Schritt Nachricht haben; so ists sichrer und besser. Aus Rom erhälst du noch einen Brief. Lebe wohl, du Geliebteste.

Grüße Herders aufs beste.

G.

1632

Rom [Dienstag] d. 13 Febr. 1787.

Heute Abend ist Festin, so nennt man die großen Redouten, ich kann mich nicht entschließen hinzugehn. Vielleicht auf den Freytag. Das Carneval geht nun seine Wege es ist abgeschmackter Spas, besonders da innre Fröhlichkeit den Menschen fehlt und es ihnen an Geld mangelt das bißchen Lust was sie noch haben mögen auszulaßen.

Das Carneval in Rom muß man gesehn haben, um den Wunsch völlig loß zu werden es wiederzusehn. Beschreiben kann und mag ich nichts davon, mündlich wird es einmal ein tolles Bild geben.

Ich beschäfftige mich indeß leidenschafftlich dir durch Kranzen einige Zeichnungen zu schicken, ich habe über ein dutzend angefangen und sie müßen diese Woche fertig werden. Sie sind klein und ist nicht viel dran, allein sie werden dir eine Idee des Landes geben, behalte sie beysammen, einzeln bedeuten sie gar nichts. Nun macht mirs Lust mit Farben zu spielen. Die Künstler freuts mich etwas zu lehren, denn es geht geschwinde mit mir. Es ist jetzt das einzige woran ich dencke, wodurch ich mich zur Neapolitanischen Reise vorbereite, und es ist mir ein lustiger Gedancke daß du diese bunten Dinge bald vor dir haben sollst.

Abends.

Ich erhalte deinen Brief und die Einschlüße, es ist mir um vieles wohler, da die Freunde mehr oder weniger ihre Meinung gesagt haben, ich gehe nun vorerst nach Neapel und von da sollst du das weitere hören. Empfiel mich der Herzoginn, grüße Herders und dancke, von hier schreib ich niemanden mehr. Du erhälst noch einen Brief von hier nach diesem, dann wird wohl ein Posttag ausfallen. Schreibe mir nur immer. Euch kostets Postgeld, nicht mich. Da ihr biß Trent franckiren müßt, bezahl ich für einen einfachen Brief nur 18 Pfennige. Laß uns so lang wir auseinander sind ja regelmäßig Post halten.

Heute hab ich ein Glück gehabt, das ich dir erzählen muß. Auf Trinitá di Monte wird der Grund zum neuen Obelisk gegraben, dort oben ist alles aufgeschüttetes Erdreich von Ruinen der Gärten des Lukullus die nachher an die Kayser kamen.

Mein Perruckenmacher geht frühe dort vorbey und findet im Schutte, ein flach Stück gebrannten Thon mit einigen Figuren wäschts und zeigt es uns. Ich eigne mir es gleich zu. Es ist nicht gar eine Hand groß und scheint von einem Rande einer großen Schüßel zu seyn. Es stehen zwey Greifen an einem Opfertische, sie sind von der schönsten Arbeit und freuen mich ungemein, man könnte mir manchen geschnittnen Stein anbieten, ohne daß ich sie dafür hergäbe. Von andern vielen Sachen sammelt sich's auch um mich, und nichts vergebliches, oder leeres, alles unterrichtend und bedeutend. Wenn ich nur erst mit meinem Schifflein wieder lande.

Am liebsten ist mir denn aber doch, was ich in der Seele mitnehme und was immer wachsen sich immer vermehren kann.

d. 17.

Heute Nacht war ich einen Augenblick auf dem Festin, das mir tödtliche Langeweile gab, und mich noch mehr ärgerte, da ich den Morgen verlohr den ich ans Zeichnen wenden wollte.

Ich sage dir heute auch nichts weiter, denn ich habe die vierzehn Tage viel tausend Gedancken an dich und die Freunde in die Landschäfftgen hineingezeichnet, die dir daraus entgegen kommen sollen.

Meine Iphigenie freut mich daß sie glücklich angekommen ist und so mögen die 4 Bände in die Welt gehn.

Das Wetter ist unglaublich und unsäglich schön, den ganzen Februar, bis auf 4 Regentage ein ganz reiner heller Himmel, gegen Mittag die Sonne fast zu warm.

Lebe wohl gedencke mein. Ich bleibe dir und mag mich nirgends anbauen.

Erst nun nach Neapel, von dorther hörst du bald und siehst dereinst unzählige Zeichnungen. Liebe mich! Grüße Fritzen! Sey mit deiner Liebe bey mir wenn du es auch mit Rath nicht seyn willst. Grüße Steinen.

G.

Empfiel mich der Herzoginn aufs beste und dancke ihr für ihre Güte und Theilnehmung an mir.

Deine Briefe werden alle gleich verbrannt, wie wohl ungern. Doch dein Wille geschehe.

1633

[Montag] d. 19 Febr. 87. Rom.

Dein lieber Brief vom 26 Jan. verdient wohl daß ich noch einige Worte mehr darauf sage, als neulich in der Carnevals Zerstreuung geschehn. Auch heute haben mich die Narren wieder recht herzlich müde gemacht und ich freue mich daß Morgen ein Ende wird.

Du willst mir wegen Sicilien, wegen eines längern Aussenbleibens nicht rathen; so muß ich es in deine Seele thun und was mein Schutzgeist sagt, will ich dencken es seyen deine Worte. Gedencke an mich wenn du allein bist. Da ich dich verlies hoffte ich auf den Umgang deiner Schwester für dich, die dir so viel ist. Gedencke mein und freue dich meiner frohen Rückkehr.

Nur zehen Bildchen sind in Rähmchen gebracht und soweit fertig daß ein Hannoveraner, der übermorgen abreißt, sie nach Teutschland mitnehmen kann. Er wird sie meiner Mutter bringen, von der du sie erhälst. Noch mehrere sind umrißen und recht interessante, abstechende, die ich aber nicht mitschicken mag. Sie sollen dir auch erst lebhaft bunt entgegen kommen.

Zur Neapolitanischen Reise ist das schönste Papier gekauft und wir haben die festeste Intention brav zu zeichnen. Wenn es nur die Schönheit und Menge der Gegenstände zuläßt. Das Tagebuch der Reise schick ich ab so bald wir dort ankommen du wirst nach diesem Brief nicht lange darauf zu warten haben.

Das Wetter fährt fort über allen Ausdruck schön zu seyn, heute war ein Tag den ich mit Schmerzen unter den Narren zubrachte. Es ist Neumond und ich konnte heute Abend, auf der Villa Medicis, die ganze dunckle Scheibe, fast mit blosen Augen und ganz deutlich durchs Perspecktiv sehn. Über der Erde schwebt ein Duft des Tags über, den ich nur aus den Gemählden und Zeichnungen des Claude kannte, das Phenomen in der Natur aber nie gesehn hatte. Nun kommen mir Blumen aus der Erde die ich noch nicht kenne und neue Blüten von den Bäumen. Wie wird es erst in Neapel seyn. Wir finden das meiste schon grün und das übrige wird sich vor unsern Augen entwickeln.

Der Vesuv wirft Steine und Asche aus und bey Nacht sieht man den Gipfel glühen, gebe uns die würckende Natur einen Ausguß der Lava. Nun kann ich kaum erwarten, biß mir auch diese Gegenstände eigen werden.

Sage Herdern: daß sich meine botanische Hypothesen durchaus bekräftigen und daß ich auf dem Wege bin neue schöne Verhältniße zu entdecken.

Tasso wird mit auf den Weg genommen, allein von allen und ich hoffe er soll zu eurer Freude vollendet werden.

Wenn ich nur erst erfahre wie ihr Iphigenien aufgenommen. Ich habe sie gestern der Angelika vorgelesen und freute mich sehr über die gute Art wie sie das Gedicht empfand. Sie ist eine trefliche, zarte, kluge, gute Frau, meine beste Bekanntschafft hier in Rom.

Kranz wird eine Schachtel an Seideln bringen, darin allerley für die Kinder und der Same für Klinkovström. Ein Paar leuchtende Steine von Bologna liegen unter deiner Adresse bey, mit einem Zettelchen wie sie zu behandeln sind. Eins habe ich vergessen sie müssen wohl für Feuchtigkeit bewahrt werden.

Aschermittwoche.

Nun ist der Narrheit ein Ende. Die unzählige Lichter gestern Abend waren noch ein tolles Specktakel.

Morgen gehe ich weg und freue mich auf das Neue, das unaussprechlich schön seyn soll. Ich bin wohl und hoffe in Neapel erst wieder Lust Rom auszusehen mir anzuschaffen. Lebe wohl. Grüße die deinigen. Ich muß endigen. Es dringt so vieles zusammen. Schreibe mir ja ich erhalte deine Briefe richtig.

Wenn mein Packet ankommt gedencke meiner in Liebe. Es sollen bald bessere Sachen nachkommen. Leb wohl du beste, Geliebteste.

G.

1634

Rom [Mittwoch] d. 21 Febr. 87.

Ich benutze einen Augenblick Raum zwischen dem Einpacken um dir noch einige Worte zu schreiben. Dieser Brief soll erst den dritten März hier abgehn, daß du keinen Posttag ohne Brief seyst und dann wird das Neapolitanische Tagbuch schon nachkommen. Ich habe alles eingepackt um noch mittägiger, noch weiter von dir zu gehen! Wann werd ich wieder hier seyn? Wann einpacken um dir wieder näher zu rücken. Ich hoffe es soll alles gut gehn, mein lange mühseliges Leben, soll sich gegen das Ende erheitern.

Ich mag jetzt nicht an Rom dencken, mir nicht vergegenwärtigen was ich alles hier gesehen, was mir eigen gemacht habe, es ist ein Schatz der erst bey mir reifen muß.

So viel weiß ich daß mir dieses Einpacken selbst leicht wird und daß ich für ein künftig thätiges nördliches Leben schon Kraft und Lust genug gesammelt habe.

An dir häng ich mit allen Fasern meines Wesens. Es ist entsetzlich was mich oft Erinnerungen zerreisen. Ach liebe Lotte du weist nicht welche Gewalt ich mir angethan habe und anthue und daß der Gedancke dich nicht zu besitzen mich doch im Grunde, ich mags nehmen und stellen und legen wie ich will aufreibt und aufzehrt. Ich mag meiner Liebe zu dir Formen geben welche ich will, immer immer – Verzeih mir daß ich dir wieder einmal sage was so lange stockt und verstummt. Wenn ich dir meine Gesinnungen meine Gedancken der Tage, der einsamsten Stunden sagen könnte. Leb wohl. Ich bin heute konfus und fast schwach. Leb wohl Liebe mich, ich gehe nun weiter und du hörst bald von mir und sollst durch mich noch ein Stück Welt weiter kennen lernen.

G.

1635

[Palermo, Mittwoch 18. April]

Meine Liebe noch ein Wort des Abschieds aus Palermo. Ich kann dir nur wiederhohlen daß ich wohl und vergnügt bin und daß nun meine Reise eine Gestalt nimmt. In Neapel hätte sie zu stumpf aufgehört. Aus meinen Blättern siehst du nur einiges im Detail, vom Ganzen, von meinem Innersten und den glücklichen Folgen die ich fühle kann und mag ich nichts sagen. Dies ist ein unsäglich schönes Land, ob ich gleich nur ein Stückchen Küste davon kenne. Wie viel Freude macht mir mit jedem Tage mein bischen Wissen der natürlichen Dinge und wie viel mehr müßte ich wissen wenn meine Freude vollkommen seyn sollte. Was ich Euch bereite geräth mir glücklich, ich habe schon Freudenthränen vergoßen daß ich Euch Freude machen werde. Leb wohl Geliebteste mein Herz ist bey dir und jetzt da die Weite Ferne, die Abwesenheit alles gleichsam weggeläutert hat was die letzte Zeit über zwischen uns stockte so brennt und leuchtet die schöne Flamme der Liebe der Treue, des Andenckens wieder fröhlich in meinem Herzen. Grüse Herders und alle, und gedencke mein.

d. 18 Apr. 87. Palerm.


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