Johann Wolfgang von Goethe
Briefe an Charlotte Stein, Bd. 2
Johann Wolfgang von Goethe

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1220

[Mitte Februar]

Hier schick ich dir den Ring, es ist mir ganz unheimlich ihn zu entbehren. Auch ich habe seit dem frühsten nach dir verlangt und mich nach einem Worte von dir gesehnt. Diesen Abend bin ich bey dir. Ich will früher zu Herders gehn. Lebe wohl du mein immer bleibendes Glück. Fritz macht sich eben aus.

G.

1221

[Freitag 20. Februar]

Beyliegender Brief meldet mir das traurige Schicksal des guten Jakobi da ich das schwarze Siegel sah glaubt ich er sey selbst Todt und nun ists seine gesunde Frau. Es ist für ihn wenig guts mehr in der Welt.

Sage mir wie du geschlafen hast und ob du wohl bist, und bleibe mir.

d. 20. Febr. 84.

G.

1222

[Sonnabend 21. Februar]

Noch einen guten Morgen zum Abschied Liebe Lotte. Mögtest du doch recht wohl seyn. Das Wetter wird kalt und scheint günstig zu werden. Wir wollen uns recht einpacken. Ich gehe mit den deinigen als der deinige. Lebe wohl. Ich hoffe wieder auf dich und dancke dir für deine Liebe.

d. 21. Febr. 84.

G.

1223

[Ilmenau, Sonnabend 21. Februar]

Durch den rückkehrenden Boten erhält m. Geliebte einen herzlichen Grus. Wir sind sehr glücklich angekommen, die Bahn war durchaus so schön daß ich wünschte eine Gesellschafft Weimarische Freunde hätte sich mit auf den Weeg gemacht. Wir blieben wohl zwey Stunden in Stadt Ilm und waren schon nach drey Uhr hier.

Fritz und Ernst machen sich sehr lustig, und wenn auch einmal selectae historiae auf eine Viertelstunde vorgenommen werden, so kehrt doch die Thorheit bald wieder zurück.

Deinen Ring vermiss ich recht sehr. Er war mir sonst so ein liebes Zeichen deines Bleibens bey mir.

Unsre Sachen werden gut gehen. Innliegendes Exemplar der Rede schicke Dienstags früh um 10 Uhr an Herdern und schreibe ihm dazu daß sie in diesem Augenblick sey gehalten worden, er soll sie aber niemanden sehn lassen bis ich wiederkomme.

Lebe wohl. Grüse den Herzog und sag ihm von unsrer glücklichen Ankunft.

Adieu ich bin dein. Die Ruhe dieses Orts ist für mich sehr anzüglich. Wärst du hier so wollte ich gleich den Rest des Winters hier zu bringen. Was sollte da studirt werden. Lebe wohl.

d. 24. Febr. 84. Ilmenau.

G.

Der Brief den ich auf den Ofen legte ihn zu trocknen wäre bald verbrannt.

1224

[Montag 23. Februar]

Wie sehr hat mich dein liebes Wort erfreut! Wenn es nur auch die Nachricht deines Wohlbefindens gebracht hätte. So sehr ich mich deines Daseyns und deiner Liebe freue; so sehr leid ich auch mit dir.

Die Knaben sind wohl und lustig, ich thue meine Sachen ab. Das Wetter ist stürmisch wir hoffen daß es morgen besser werden soll. Die Gegend ist im Schnee sehr schön, und es geht gar gut auf dem Schlitten.

Ernst ist heute nach Amt Gehren gefahren, und Fritz laufft herum.

Ich bin in der Stube wo du mir ehmals mit dem zahmen Vogelgen begegnetest. Wenn es einigermassen möglich wäre besuchte ich die Hermannsteiner Höle. Du bist mir überall gegenwärtig.

Lebe wohl, und halte dich ruhig, damit du mich fröhlich empfangen kannst.

d. 23. Febr. 84.

G.

1225

[Weimar, Sonntag 29. Februar]

Schone doch liebe Lotte dich um meintwillen, so sehr mich dein erster Anblick erfreute weil ich dich wohl sah, so innerlich hat mich dein Übel gestern Abend verstimmt daß ich keiner freudigen Empfindung mehr fähig war. Sag mir was deine Augen machen. Sag mir, daß du mich liebst. Wenn du nicht wohl bist hab ich gar nichts mehr auf der Welt.

d. 29. Febr. 84.

G.

1226

[Jena, Sonntag 29. Februar]

Straube der die Nachricht von dem eingefrornen Schiffe bringt, soll dir einen Grus zum Morgen bringen. Es ist für den Moment nicht so übel als es der Ruf machte, freylich wem das Wasser an die Kehle geht dem gehts weit genug.

Wenn es möglich ist komme ich morgen Abend, und finde meine Liebe zu Hause. Nicht wahr du bleibst aus der Gesellschafft? Meine schöne Hof und Societäts Vorsätze für diese Woche sind auch zu Wasser, wir sind zu alt um uns zu bessern und wollen unser Leben so hinausführen. Castrop hat mir eine köstliche Scene gegeben über die ich im innersten noch lache. Schade daß sie sich nicht wieder erzählen lässt das beste davon ist pantomimisch.

Lebe wohl damit ich wohl lebe denn ich lebe in dir. Gute Nacht beste. Ich komme nicht von deiner Seite.

d. 29. Febr. 84. Jena.

G.

1227

[Montag 1. März]

Statt meiner kommt wieder ein Brief, verzeihe daß ich dich aus der Gesellschafft hielt. Ich bin nicht ganz unnütze hier drum will ich bleiben. Du bist meine Begleiterinn auf Wassern und Eise. An einigen Orten der Vorstadt ist das Übel gros, und in einer allgemeinen Noth auch ein gemeiner Verstand nütze, wenn er Gewalt hat.

Drum will ich bleiben und alles in deinem Nahmen thun. Alles rennt durch einander, die Vorgesetzten sind auf keine auserordentlichen Fälle gefasst, die Unglücklichen ohne Rath und die verschonten unthätig. Wenige einzelne brave Menschen zeichnen sich aus. Lebe wohl. Liebe mich du einziges du fühlst doch wie ich dein bin.

Jena. d. 1. März 1784.

G.

1228

[Montag 1. März Abends]

Ich komme in grose Versuchung, der Herzog fährt hinein und will Abends wieder hier seyn, ich könnte mit meiner Lotte zu Mittage essen, ihr allerley erzählen, und wieder fortfahren.

Allein ich will dem nothwendigen nachgeben es ist besser ich bleibe hier.

Der guten Stadt Jena geht es wie dem römischen Reich man sieht nicht eher wie elend die Constitution ist als wenn die Noth an Mann geht.

Wenn Götze zurückkommt hoffe ich auf ein liebes Briefgen von dir.

Lebe wohl meine liebe! Laß uns zusammenhalten die weltlichen Dinge sind gar brüchig. Der Herzog führt mit dem Rittmeister einen militärischen Diskours am Ofen, und ich will schliesen dir eine gute Nacht sagen und mich deinem süsen Herzen empfehlen.

d. 1. März 1784.

G.

1229

[Dienstag 2. März]

Meiner Lotte sag ich einen guten Morgen. Ich hoffe dich Morgen hier zu sehn. Der Herzog wird dir den Vorschlag thun und ich hoffe du schlägst es nicht ab.

Wie sehr ich es wünsche kannst du dencken da ich nicht wegkann. Man hat keine Idee wie die Menschen sind, und doch wenn ich's recht überlege müssen sie so seyn.

Lebe wohl ich muß dein seyn durch alle Zeiten.

Jena d. 2. März 1784.

G.


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