Johann Wolfgang von Goethe
Briefe an Charlotte Stein, Bd. 2
Johann Wolfgang von Goethe

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1700

[Sonntag 28. Juni]

Gegenwärtiges gebe ich Herrn Regierungsrath Voigt mit, dessen unvermuthete Ankunft mir viel Vergnügen gemacht hat. Auch Ihren Brief, verehrte Freundinn, erhielt ich zu gleicher Zeit und freute mich, daß die Lobrede der vierfüßigen Freunde gut aufgenommen worden. Der Verfasser hat, auf eben diese Weise, die Wölfe, nicht weniger Ameisen und Bienen vermenschlicht, in kleinen Aufsätzen, die man mit Vergnügen liest.

Ich schicke drey kleine Zeichnungen mit, wovon ich bitte Eine Durchlaucht die Prinzessin auswählen zu lassen und die andern für sich zu behalten bis mehr nachkommen. Leider sind in diesen Dingen alle meine alten Fehler, ohne daß von neuen Tugenden viel zu spüren wäre. Da es jedoch das gemeine Schicksal der Menschen ist da aufzuhören, wo man anfangen sollte; so will ich mich denn auch darein ergeben, daß ich zu nichts erfreulicherem gelange.

Der Gebrauch des Wassers bekommt mir ganz wohl, nur will sich der Glaube an recht gute Folgen noch nicht stark machen. Durchlaucht der Herzog ist auch ganz wohl mit der Cur zufrieden. Ich werde wohl noch eine Zeitlang hier verweilen, um so mehr, da der Brunnen mich wenigstens für den Augenblick vor meinen Übeln sicher stellt. Leben Sie recht wohl, empfehlen Sie mich Durchlaucht der Herzoginn und danken unserer Freundinn Schiller für ihren freundlichen Brief, auf den ich nächstens etwas erwiedere.

Wie lange bleiben unsere Schlesier noch in Weimar? Mein Wunsch ist sie noch zu treffen. Indessen grüßen Sie mir solche zum schönsten.

Carlsbad den 28. Junius 1807.

G.

Wollten Sie die Gefälligkeit haben, inliegenden Brief an Frau von Ahlefeld zu befördern. Wegen des Monuments habe ich an Hofrath Meyer geschrieben.

Der Brief an Frau von Ahlefeld ist nicht fertig geworden.

1701

[Montag 10. August]

Unter den Badegästen bin ich wohl nun ziemlich Senior. Eine Generation entfernt sich nach der andern und doch habe ich immer noch gute Lust hier länger zu verweilen. Seit zehn Wochen und drüber habe ich in meinem stillen Leben schon mehrere Epochen gehabt. Erst dictirte ich kleine romantische Erzählungen; dann ward gezeichnet; dann kam das Stein- und Gebirgsreich an die Reihe und nun bin ich wieder zur freyeren Phantasie zurückgekehrt, eine Region, in der wir uns zuletzt immer noch am besten befinden.

Das Geschenk einer französischen Reisebibliothek das ich erhielt, hat mich in eine ganz eigene Welt von Lectur geführt, wo ich sehr viel vergnügliches und erfreuliches gefunden habe. Erlauben Sie, verehrte Freundinn, daß ich mich mit diesen wenigen Worten wieder einmal melde, und zugleich einige Blätter beylege, die man mir diese Tage communicirt hat. Auch habe ich nachher mehrere der Müllerschen Vorlesungen erhalten, worin manche zwar sonderbare aber doch immer heitere und freye Ansicht zu finden ist.

Personen mancher Art habe ich kennen gelernt, besonders viele Wiener die zu den dringenden schriftlichen Einladungen, die ich erhalten habe, noch soviel mündliche hinzuthun, daß ich meine Entschuldigungsargumente oft genug wiederholen muß. Denn für dießmal werde ich doch den Frauenplan und die Ackerwand wieder zu suchen haben, wobey ich mich höchlich freue, Sie gesund und froh wieder zu finden. Empfehlen Sie mich unsrer gnädigsten Fürstinn und erhalten Sie mein Andenken in dem Kreise, in den ich bald mit Vergnügen zurückkehren werde.

CBd 10 Aug 1807.

Goethe.

1702

[Sonntag 23. August]

Durch den Wagen, welcher meinen August hergebracht hat, erhalten Sie gleich wieder einige Nachricht von mir, der ich erst in einigen Wochen nachfolgen werde: denn der Aufenthalt ist hier doppelt schätzbar, da er außer seinem natürlichen Gute noch das politische Gute hat, in einem friedlichen Kreise zu liegen, wohin nur der Nachklang äußerer Widerwärtigkeiten gelangen kann.

Es thut mir herzlich leid, daß Sie der Gegenwart Ihres guten Sohns beraubt worden. Ein Friede nach einem solchen Krieg ist wie der Zustand nach einer schweren Krankheit. In der Todesgefahr sucht man nur das Leben zu retten und bringt oft nur soviel davon, was kaum zu retten werth war. Ich kann mir, ohne in das Detail hineinzusehen, wohl denken, was jene guten Länder leiden müssen.

Meine Beschäftigungen in dieser letzten Zeit waren der früheren gleich und ähnlich. Vielleicht läßt sich einiges wenn ich zurückkomme mittheilen. Ich habe noch einige interessante Menschen kennen gelernt. Auch sind mir verschiedene Bücher und Manuscripte mitgetheilt worden, die mich unterhalten und mir manche heitre Stunde gemacht haben.

Corinna habe ich gelesen, und Sie kennen dieses Werk doch wohl auch, was Ihr Brief zweifelhaft läßt. Ich bin bestochen, um gut davon zu reden; aber ich glaube daß ich es, auch ohne Bezug auf mich selbst, würdigen kann. Daß Wieland nicht ganz gerecht gegen das Werk ist, nimmt mich nicht Wunder. Sind doch die Mitverfasser auch nicht gerecht gegen ihn. Die Franzosen und Engländer, von denen in dem Werk viel gesprochen wird, sind nicht zufrieden damit, und es ist nicht übel, daß die Deutschen auch nicht damit zufrieden sind, von denen darin geschwiegen wird.

Weimar ist also jetzt von unsern hohen Herrschaften ganz verlassen. Möchten sie doch unter guten Constellationen bald wieder glücklich dahin zurückkehren!

Genießen Sie des schönen Wetters auf den Spaziergängen, wo ich Ihnen bald wieder zu begegnen hoffe. Alsdann wird sich aus dem mitgebrachten Vorrath manches herausfinden lassen, was Ihnen angenehm seyn kann.

Meine besten Wünsche!

Carlsbad den 23. August 1807.

G.

1703

[Weimar, Dienstag 6. Oktober]

Hier, meine theure Freundinn das erste vollständige Exemplar des Vorspiels. Bitte es nicht aus Händen zu geben, und meiner dabey zu gedencken.

den 6. Octob. 1807.

G.

1704

[Sonnabend 7. November?]

Vielmals dancke ich für die freundlichen Worte, sie sind mir sehr erheiternd und aufmunternd. Wenn der Totaleindruck günstig war so macht es mich glücklich im einzelnen könnt ich nicht alles gehörig auseinander setzen. Das Detail ist zu genau, und eine Intention drängt sich über die andre. Ich befinde mich ganz wohl und werde Dienstags mit Vergnügen wieder aufwarten. Schilling kommt mit. Die Universalmonarchie ist beym Buchbinder.

d. 7. Nov. 1807.

G.

1705

[Dienstag 10. November?]

Leider war alles bestellt und ich muß reisen. Möge ich Ihnen wohl empfohlen bleiben. Daß Gestern alles so gut abging freut mich sehr. Von Jena hören Sie bald. Danck für die Beförderung der Büste. Das schönste Lebe wohl!

G.

1706

[Jena, Donnerstag 19. November]

Aus meiner tiefen Einsamkeit und Stille muß ich doch auch melden, wie es mir geht, besonders da ich etwas interessantes zu überschicken habe. Beykommende Schrift werden Sie mit Vergnügen lesen. Sie ist voller Verstand, Einsicht in die Sache und Kühnheit. Der Verfasser greift die Überwinder des Continents auf ihrer empfindlichsten Seite und in ihrer eignen Manier sehr lebhaft an. Seine Landsleute sind lange schon überzeugt, daß er Recht hat, und es verdient alle Aufmerksamkeit, wie die Franzosen es aufnehmen werden, und was sie diesen Gründen entgegen zu setzen haben.

Meine Arbeiten gehen ganz sachte fort. An einigem was ich vorbereite, werden auch Sie, verehrte Freundinn, Theil nehmen können. Anderes wird auf Hoffnung hin geschrieben und gedruckt. Die Gegenwart stimmt selten zum Gegenwärtigen. Was nebeneinander existirt scheint nur zum Streite berufen zu seyn. Für einen Autor ist es daher eine tröstliche Aussicht, daß alle Tage neue künftige Leser geboren werden.

Haben Sie doch die Güte mir zu sagen, wie es mit der Hand Durchlaucht der Herzoginn geht. Der Anblick derselben hat mich beunruhigt und aus den Ärzten ist nichts zu bringen. Man weiß niemals ob sie etwas geheim halten, oder ob sie selbst nicht wissen woran sie sind. Ich bitte mich Durchlaucht vielmals zu empfehlen und die Schlegelsche Schrift mitzutheilen.

So ruhig es mir hier nach meinen Zwecken und Wünschen geht, so wünschte ich mich doch manchmal nach Weimar zu versetzen. Besonders sind die Abende hier unendlich lang.

Hofrath Meyer wird Durchlaucht der Prinzeß eine Landschaft übergeben, um eine Copie davon für Ihre Frau Mutter zu machen. Es ist wohl eine der interessantesten die man sehen kann.

Die Arbeit an dem Grabmal geht ununterbrochen fort. Ich hoffe es soll bald und gut zu Stande kommen.

Mögen Sie wohl beyliegendes an Frau Gräfinn von Henckel gelangen lassen und mich empfehlen und entschuldigen.

Behalten Sie mich in einem freundlichen Andenken, bis ich wieder mit meinen Zauberkreisen angezogen komme.

Jena den 19. November 1807.

G.

Nachschrift.

Sie haben wohl die Gefälligkeit, verehrte Freundinn, nachstehendes an der Frau Gräfinn von Henckel Excellenz gelangen zu lassen, und mir wegen eines wohlgemeinten Vortrages Verzeihung zu erbitten.

Der Mahler Heidloff ist, weil gegenwärtig weder Hohe noch Niedre seiner Kunst bedürfen, und weil auch wir bey dem Theater möglichst menagiren, in einer üblen Lage. Er hat sich an unserer gnädigsten Erbprinzeß Hoheit gewendet und mich um ein Vorwort gebethen. Da Ihro Hoheit unsere Künstler, Fabricanten und Handwerker öfters beschäftigen und auf diese Weise eine in manchem Sinne fruchtbare Wohlthätigkeit ausüben, so schenken Sie vielleicht gedachtem Heidloff auch einige Gunst. Wäre dieses der Fall, so würde ich mir die Freyheit nehmen folgenden Vorschlag zu thun:

Ihro Hoheit setzten eine beliebige Summe aus, und erlaubten der Theater Commission die Verwendung derselben zu bestimmen. Wir haben z. B. manche Gardinen, welche auf eine und die andre Weise schadhaft geworden, deren Reparatur man Heidloffen verdingen könnte. Eben der Fall ist [mit] manchen Coulissen und sogenannten Einsatzstücken. Am meisten hüten wir uns, neue Decorationen zu bestellen, weil der Aufwand zu dem daraus entspringenden Vortheil ohne Proportion ist. So habe ich z. B. eine artige kleine Oper zurückgelegt, die Liebe auf dem Dache, weil hiezu eine besondere, zu keinem andern Stück weiter brauchbare Decoration angeschafft werden muß. Der vordere Vorhang selbst verdient einige Auffrischung und was sich sonst noch alles finden könnte.

Da dieses alles einzelne und unter sich zusammenhangende Arbeiten sind, so würde man sich nach der Gnädigst zu bestimmenden Summe richten können und das nöthigste zuerst besorgen. Ihro Hoheit hätten dabey ein vielfaches Vergnügen, einer arbeitsamen Familie durch einen Winter durchgeholfen und eine öffentliche Anstalt begünstigt zu haben. Die Resultate davon kämen der Geberinn selbst, dem Hofe, der Stadt, den Fremden zu immer neuer Erheiterung öfters vor die Augen; und ich besonders den das Geschäft so nahe angeht würde alle Ursache haben, mich durch fortgesetzte Bemühungen dankbar zu erweisen.

Jena den 19. November 1807.

Goethe.

1707

Jena [Dienstag] den 1. December 1807.

Für die schöne und reichliche Gabe, die uns, wie Sie mir schreiben, zufließt, sagen Sie doch der Geberinn und Vermittlerinn den besten Dank. Mich freut es, wenn mehrere Fliegen mit Einer Klappe geschlagen werden, und wenn eine Wohlthat auf mannigfaltige Weist productiv ist. Lassen Sie das Geld und die Sache ruhen bis ich wiederkomme. Bald habe ich meine hiesigen Tagwerke vollbracht und kann mit heiterem Sinn wieder zurückkehren.

Ich bringe manchen Abend bey Knebel zu; da denn manches gelesen und durchgeschwätzt wird. Im ganzen ist bey einer äußeren höchsten Stille doch im Grunde hier viele Thätigkeit. Gebildete Menschen und die auf Bildung Anderer arbeiten, bringen ihr Leben ohne Geräusch zu. Freylich sind die trüben Tage und langen Abende hier fast unüberwindlich.

1708

Jena [Freitag] den 4. December 1807.

Sie würden, verehrte Freundinn, nicht schon wieder ein Blatt von mir erhalten, wenn ich nicht beygehendes zu übersenden hätte. Geheimerath Wolf wünscht, daß Beykommendes unserer Durchlauchtigsten Herzoginn zu Füßen gelegt werde. Es ist weiter ausgeführt, was er in jener Morgenunterhaltung nur skizzirte. Sehr interessant und für jeden lesbar der mit alter Geschichte und was dem anhängig ist, sich beschäftigt hat, wenn er auch nicht ins Detail ging.

Wenn ich das Büchlein, die Söhne des Thals, das durch die Gnade Ihro Hoheit sich gegenwärtig in meinem Hause befindet, noch nicht, wie ich leider bekennen muß, studiert habe; so bin ich für diese Unterlassungssünde bestraft, und wenn man will, zugleich belohnt, daß der Verfasser sich gegenwärtig neben mir in Jena aufhält. Ich bin genöthigt, um mich hier der gewöhnlichen Gesellschaftsausdrücke zu bedienen, ihn interessant und sogar liebenswürdig zu finden. Inwiefern ich recht oder unrecht habe werden meine Freundinnen selbst entscheiden, wenn ich ihn bey meiner Rückkunft mit hinüberbringe. Das beste Lebewohl.

G.

1709

[Weimar, 18. oder 19. Dezember?]

Es thut mir sehr leid daß ich Sie, verehrte Freundinn, kranck antreffe. Bald frage ich selbst an. Für die 300 rh. dancke zum allerbesten, eine Quittung soll folgen. Möchten Sie doch auch die Herrlichkeiten mit ansehen, welche durch dieses Zaubermittel hervorgerufen werden. Auf künftigen Mittwoch früh wünschte ich die hohe und liebe Gesellschaft wieder einmal bey mir zu sehen. Werner der sehr gut vorliest sollte sich produciren. Möchten Sie wohl horchen ob es angenehm wäre.

G.


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