Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

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Kapitel LXIII.

Aufklärungen.

Des Barons Geschichte war kurz, wenn man sich die lateinischen, englischen und schottischen Zuthaten und Gemeinplätze hinweg denkt, mit denen seine Gelehrsamkeit sie schmückte. Er verweilte längere Zeit bei seinem Kummer über den Verlust Edwards und Glennaquoichs, focht dann die Schlachten bei Falkirk und Culloden mit und erzählte, wie er, nachdem in der letzten alles verloren war, nach Hause zurückkehrte, weil er glaubte, unter seinen eigenen Leuten und auf seiner eigenen Besitzung eher als anderwärts einen sicheren Schlupfwinkel zu finden. Ein Kommando Soldaten war abgeschickt worden, seine Besitzungen zu verheeren, denn Nachsicht war nicht an der Tagesordnung. Ihr Verfahren wurde jedoch durch einen Befehl des Civilgerichtshofes gehemmt. Die Besitzungen konnten, wie man ausfindig gemacht hatte, nicht an die Krone zum Nachtheil des Malcolm Bradwardine von Inchgrabbit, des männlichen Erben, verwirkt werden, dessen Ansprüche durch die Schuld des Barons nicht leiden durften, denn er hatte kein Recht durch ihn, sondern an und für sich selbst, und trat daher, gleich anderen Erben in ähnlicher Lage, die Besitzungen an. Aber ungleich anderen unter ähnlichen Umständen zeigte der neue Laird bald, daß er die Absicht hätte, seinen Vorgänger von jedem Vortheil gänzlich auszuschließen, und daß er das Unglück des Barons der ganzen Ausdehnung nach sich zu Nutzen machen wollte. Dies war um so ungroßmüthiger, als man allgemein wußte, daß der Baron in einer romanhaften Idee, die Rechte dieses jungen Mannes nicht zu verletzen, seine Besitzungen nicht hatte auf seine Tochter übertragen wollen.

Diese selbstsüchtige Ungerechtigkeit verletzte das Landvolk, welches für den alten Herrn eingenommen und gegen dessen Nachfolger aufgebracht war. Nach des Barons eigenen Worten stimmte die Sache nicht zu dem Gefühle der gemeinen Leute in Bradwardine, und die Pächter waren nachlässig und widerspenstig in Bezahlung ihrer Abgaben und Entrichtung ihrer Pflichten. »Und als mein Verwandter,« fuhr der Baron fort, »mit seinem neuen Amtmann, Herr James Howie, herkam, um die Abgaben beizutreiben, hat jemand, ich habe John Heatherblutter, den Wildhüter, der im Jahr 1715 mit mir im Feld war, in Verdacht, im Dunkeln auf ihn geschossen, und er wurde dadurch so erschreckt, daß ich mit Tullius im Catilina sagen kann: Abiit, evasit, erupit, effugit. Er entfloh unaufhaltsam nach Stirling. Und jetzt hat er die Besitzung zum Verkauf ausgeboten, da er selbst der letzte Erbe ist. Könnte ich über solche Sachen klagen, so würde ich mich darüber mehr betrüben, als daß die Güter aus meinem Besitze kamen, was doch nach wenigen Jahren der natürliche Lauf der Dinge gewesen wäre. Jetzt aber fallen sie von dem Stamme ab, der sie in saecula saeculorum hätte besitzen sollen. Aber Gottes Wille geschehe, humana perpessi sumus. Sir John von Bradwardine, der schwarze Sir John, wie er genannt wurde, der gemeinsame Ahnherr unseres Hauses und der Inchgrabbits, dachte gewiß nicht daran, daß ein solcher Mensch seinen Lenden entsprießen würde. Zugleich hat er mich bei einigen der primates, der Machthaber für einen Augenblick, angeklagt, als ob ich ein Kehlabschneider und ein Anführer von Banditen und Meuchelmördern wäre. Und sie haben Soldaten abgeschickt, auf dem Gute zu lagern und mich zu jagen wie ein Rebhuhn in den Bergen, wie die Schrift von dem guten König David sagt, sowie von unserm tapfern Sir William Wallace, ohne mich indessen mit einem von beiden vergleichen zu wollen. – Als ich Euch an der Thür hörte, glaubte ich, sie hätten den alten Hirsch endlich in seinem Lager gestellt, und so nahm ich mir vor, zwar zu sterben, aber mein Leben theuer zu verkaufen. Aber Janet, könnt Ihr uns jetzt nicht etwas zum Abendessen geben?«

»O ja, Herr, ich will den Wasserhahn braten, den John Heatherblutter diesen Morgen brachte, und wie Ihr seht, röstet der arme Davie die Birkhuhneier. – Ich darf sagen, Herr Waverley, Ihr wußtet wohl nicht, daß all die Eier, die zum Abendessen in dem Herrenhause gegessen wurden, unser Davie geröstet hatte? Niemand kann so gut wie er mit den Fingern in die heiße Asche greifen und die Eier rösten.« – Davie lag während dessen mit der Nase beinahe in der Asche, blies darin umher, brummte bei sich selbst und wendete die Eier, als wollte er das Sprichwort widerlegen: Es gehört Verstand dazu, Eier zu rösten, und den Lobspruch der armen Janet rechtfertigen.

»Davie ist nicht so dumm, als die Leute denken, Herr Waverley, er würde Euch nicht hergebracht haben, hätte er Euch nicht als einen Freund des Hauses erkannt. – Haben Euch doch selbst die Hunde gekannt, Herr Waverley, denn Ihr wart freundlich gegen Vieh und Mensch. Ich kann Euch 'ne Geschichte von Davie erzählen, mit Sr. Gnaden Erlaubniß. Se. Gnaden, seht Ihr, muß sich in diesen schweren Zeiten verstecken. 's ist ein Jammer, er liegt den ganzen Tag und fast die ganze Nacht in einer Höhle drunten im tiefen Gehege; und wenn sie auch breit genug ist, und mit Stroh hinlänglich ausgelegt, so kommen Se. Gnaden doch, wenn das Land ruhig oder die Nacht sehr kalt ist, hier herein, um sich am Herde zu wärmen und auf den Decken zu schlafen, und gehen dann wieder weg. Hatt ich da eines Morgens einen Schreck! Zwei unglückliche Rothröcke waren zum Angeln ausgegangen, oder zu sonst einem Streich. Und da sahen sie Se. Gnaden, wie er eben ins Holz sprang, und zielten auf ihn. Ich schnell zugesprungen und geschrieen: Wollt Ihr einem ehrlichen Weibe sein unschuldiges armes Kind erschießen? Und ich lief hin und schrie, 's wäre mein Sohn. Sie schimpften und fluchten, 's wäre der alte Rebell, wie die Schurken Se. Gnaden nannten. Und Davie war im Holz und hörte den Lärm, und aus seinem eigenen Kopf nahm er den alten grauen Mantel auf, den Se. Gnaden fortgeworfen hatten, um leichter laufen zu können, und so kam er aus demselben Gebüsch raus, und ging und benahm sich ganz wie Se. Gnaden, so daß sie getäuscht wurden und wirklich glaubten, sie hätten auf den verrückten Sawney, wie sie ihn nannten, angeschlagen. Und sie gaben mir einen Sixpence und zwei Fische, daß ich nichts sagen sollte. Nicht doch, Davie ist nicht so gescheidt wie andere, der arme Schelm, aber er ist auch nicht so dumm, wie die Leute glauben. Wie könnten wir aber auch genug für Se. Gnaden thun, da wir und die Unsrigen auf seinem Grund und Boden schon zweihundert Jahre gelebt haben, und da er meinen armen Jamie in die Schule und ins Kollegium schickte, und selbst ins Herrenhaus nahm, bis er an einen besseren Ort kam, und da er mich davor bewahrte, als Hexe nach Perth geschleppt zu werden, der Herr verzeihe denen, die solchen armen alten Körper antasten wollten, und da er den armen Davie sein Lebelang erhielt?«

Waverley fand endlich Gelegenheit, Janets Erzählung zu unterbrechen und nach Miß Bradwardine zu fragen.

»Sie ist, Gott sei Dank, gesund und wohl, in Duchran,« antwortete der Baron. »Der Laird ist weitläufig mit uns verwandt, und noch näher mit meinem Kaplan, Herrn Rubrick; und obgleich er von Whiggrundsätzen ist, so vergißt er doch in dieser Zeit alte Freundschaft nicht. Der Amtmann thut, was er kann, um uns aus dem Schiffbruche etwas für die arme Rosa zu retten, aber ich zweifle, ich zweifle, daß ich sie je in meinem Leben wiedersehe, denn ich muß meine alten Knochen in irgend einem fernen Lande niederlegen.«

»Klagt nicht, Euer Gnaden,« sagte die alte Janet. »Ihr wäret eben so schlimm daran im Jahre 1715 und bekamt doch die schöne Baronie zurück, und als – und jetzt sind die Eier fertig, und der Wasserhahn ist gar, und hier ist auch ein Messer und Sauce und die Hälfte von dem Weißbrot, das der Amtmann schickte, und da ist genug Branntwein in dem Kruge von Luckie Maclearie. Könnt ihr nicht zu Abend essen wie Prinzen?«

»Ich wünschte wenigstens, ein Prinz von unserer Bekanntschaft wäre nicht schlimmer daran,« sagte der Baron zu Waverley, welcher mit ihm in die herzlichen Wünsche für die Sicherheit des unglücklichen Chevaliers einstimmte.

Sie begannen von ihren Plänen für die Zukunft zu sprechen. Die des Barons waren sehr einfach. Sie bestanden darin, nach Frankreich zu entkommen, wo er durch Vermittlung alter Freunde irgend eine militärische Anstellung zu erhalten hoffte, zu der er sich noch fähig hielt. Er forderte Waverley auf, mit ihm zu gehen, und Edward erklärte sich dazu bereit, wenn es dem Obersten Talbot fehlschlagen sollte, seine Begnadigung zu erlangen. Im Stillen hoffte er, daß der Baron seine Werbung um Rosa billigen und ihm so ein Recht geben würde, ihn in seiner Verbannung zu unterstützen; aber er verschob es hiervon zu sprechen, bis sein eigenes Geschick entschieden sein würde. Sie sprachen hierauf von Glennaquoich, für den der Baron sehr besorgt war, obgleich er, wie er sagte, ganz der Achill des Horatius Flaccus sei:

Impiger, iracundus, inexorabilis, acer.

Flora bekam dann ein reichliches und ungeschmälertes Lob der Sympathie von Seiten des guten alten Mannes.

Es war inzwischen sehr spät geworden. Janet kroch in eine Art von Vertiefung hinter der Scheidewand, Davie schnarchte schon längst zwischen Ban und Buscar. Diese Hunde waren ihm nach der Hütte gefolgt, als das Herrenhaus verlassen wurde, und blieben hier beständig bei ihm. Ihre Wildheit, so wie des alten Weibes Ruf als Hexe trugen zum guten Theile dazu bei, Besucher von dem Thale fern zu halten. Der Amtmann Macwheeble versorgte Janet unter der Hand mit Nahrungsmitteln zu ihrem Unterhalte und auch mit einigen Luxusartikeln zum Gebrauche seines Patrons, bei deren Uebersendung aber natürlich die größte Sorgfalt nöthig war.

Nach einigen Komplimenten nahm der Baron sein gewöhnliches Lager ein, und Waverley setzte sich auf einen bequemen, mit Sammet überzogenen Armstuhl, der einst das Staatsschlafgemach in Tully-Veolan geschmückt hatte, denn das Hausgeräth des Herrensitzes war jetzt durch alle Hütten in der Nachbarschaft vertheilt. Hier schlief er so gut, als hätte er in einem Daunenbette gelegen.


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