Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

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Kapitel VIII.

Das Wohnhaus und seine Umgebungen.

Als Waverley seine Neugier durch einen Blick in die Runde befriedigt hatte, setzte er den großen Klopfer der Hausthür in Bewegung, deren Architrav die Jahreszahl 1594 trug. Es erfolgte keine Antwort, obgleich der Schall durch eine Menge von Zimmern widerhallte und von dem Echo der Mauern außerhalb des Hauses wiederholt wurde. Die Tauben in der ehrwürdigen Rotunde flogen aufgescheucht empor, und selbst die Hunde des fernen Dorfes, die sich auf ihren zugehörigen Düngerhaufen schlafen gelegt hatten, fuhren auf. Endlich des Klopfens müde, wendete unser Held sich zu einer kleinen Eichenthür, welche er in der Hofmauer erblickte, wo diese einen Winkel mit dem Hause bildete. Sie war nur angelehnt und als er sie öffnete, führte sie ihn in einen Garten, der einen äußerst freundlichen Anblick gewährte.

Die südliche Seite des Hauses, die mit Fruchtbäumen besetzt war, dehnte ihre unregelmäßige doch ehrwürdige Front längs einer Terrasse aus, die theils gepflastert, theils mit Sand bestreut, theils mit Beeten voll Blumen und ausgewählter Pflanzen eingefaßt war. Von dieser Erhöhung gelangte man auf drei Treppen, in der Mitte und auf beiden Seiten, zu dem, was man den eigentlichen Garten nennen konnte. Dieser Theil, welcher sehr sorgfältig gehalten zu werden schien, war überreich an Fruchtbäumen und zeigte eine Menge von Blumen und immergrünen Gewächsen, die in grotesken Figuren geschnitten waren. Er zog sich in Terrassen von der westlichen Mauer bis zu einem großen Bache herab, der eine glatte Oberfläche zeigte, wo er dem Garten als Grenze diente, sich aber an seinem äußersten Ende tosend über ein Wehr stürzte und dort einen Wasserfall bildete, an dem ein achteckiges Sommerhaus stand.

Waverley fing allgemach an zu bezweifeln, daß er einen Eingang in dies einsame und scheinbar verzauberte Haus finden werde, als ein Mann die Allee, in der er stand, heraufkam. Edward vermuthete, er möchte ein Gärtner oder irgend ein Diener des Hauses sein, und ging daher die Treppe hinab ihm entgegen, aber als die Gestalt sich nahte, und noch lange ehe er die Züge derselben erkennen konnte, fiel ihm das Wunderliche in dem Aeußern und Benehmen des Mannes auf. Bald hielt er die Hände über dem Kopf gefaltet wie ein büßender Hindu, bald schwenkte er sie perpendikulär wie einen Pendel nach beiden Seiten; dann wieder schlug er sie schnell und wiederholt kreuzweis über die Brust, wie die Kutscher thun, wenn sie an einem kalten Tage müßig neben ihren Pferden stehen.

Sein Gang war eben so wunderlich wie seine Gestikulationen, denn bald hüpfte er mit großer Ausdauer auf dem rechten Fuße, wechselte dann mit dem linken ab oder hielt beide Füße dicht neben einander und hüpfte auf beiden zugleich vorwärts. Sein Anzug war ebenfalls altmodisch und auffallend. Er bestand aus einer Art grüner Jacke mit rothen Aufschlägen und geschlitzten Aermeln, die rothes Futter durchblicken ließen, die andern Theile der Kleidung stimmten in der Farbe damit überein; ein Paar scharlachrothe Strümpfe, sowie eine scharlachrothe Mütze nicht zu vergessen, die von einer Truthahnsfeder stolz überragt wurde. Edward, den er nicht zu bemerken schien, entdeckte jetzt in seinen Zügen die Bestätigung dessen, was Gang und Bewegung schon verkündet hatten. Der Alte war ein Gemisch von einfältigem Narren und überspanntem Träumer. Er sang mit großem Ernste und nicht ohne einigen Geschmack ein Bruchstück aus einem alten schottischen Liede:

Du hast mir treulos das gethan
Zur Sommerszeit beim Blumenflor,
Ich will, wenn Winterschauer nahn,
Vergelten, was du thatst zuvor.
Kommst du nicht wieder her zu mir.
An meine Brust, die treu gesinnt,
So sehr auch ich nicht mehr zu dir
Und seh, daß mich ein Andrer minnt.

Hier erhob er seine Augen, die bisher auf seine Füße gerichtet waren, um zu sehen, wie sie den Takt zu seinem Liede schlugen. Sobald er Waverley bemerkte, zog er augenblicklich seine Kappe mit komischen Beweisen der Ueberraschung, der Ehrfurcht und der Begrüßung. Mit wenig Hoffnung, eine Antwort auf irgend eine zusammenhängende Frage zu erhalten, bat Edward, ihm zu sagen, ob Mr. Bradwardine zu Hause wäre, oder wo er irgend einen der Diener finden könne. Der Gefragte antwortete, und seine Rede war Gesang, wie die der Hexe von Thalaba:

Der Heu ist im Forste,
Dort schmettert sein Horn,
Die Frau windet Kränze
Am schattigen Born,
Burd Ellen, sie legte
Weich Moos vor die Thür,
Lord William schlich leise
Hinaus und zu ihr.

Das war allerdings keine Antwort, und als Edward seine Frage wiederholte, erhielt er eine so schnelle Entgegnung, daß ihm wegen der Hast der Rede und der Eigentümlichkeit des Dialekts nur das Wort Voigt verständlich wurde. Waverley bat hierauf, zu dem Voigt geführt zu werden, und mit einem Blick und Nicken des Einverständnisses gab der Bursche ihm ein Zeichen zu folgen, und tanzte und hüpfte dann die Allee hinab, durch die er heraufgekommen war.

Ein sonderbarer Bote, dachte Edward, und einem von Shakespeares Tölpeln nicht unähnlich. Es ist nicht sehr klug gehandelt, sich seiner Führung anzuvertrauen, aber Weisere als ich sind durch Narren geleitet worden.

Inzwischen erreichte er das Ende der Allee, und als er hier umbog, stand er vor einem kleinen Blumengarten, der im Osten und Norden durch eine dichte Eichenbaumhecke geschützt wurde. Hier fand er einen ältlichen Mann, dessen Aeußeres etwas von einem höheren Diener und einem Gärtner verrieth; seine rothe Nase und sein zerknittertes Hemd schienen den ersteren zu verrathen, sein mageres, sonnenverbranntes Gesicht und seine grüne Schürze deudeten an, daß er,

Des alten Adams Ebenbild,
Den Garten hier bebaute.

Der Major-Domo oder der Hausmeier legte seinen Spaten nieder, zog hastig seinen Rock an und mit einem wüthenden Blick auf Edwards Führer, wahrscheinlich weil er einen Fremden hergebracht hatte, fragte er nach des Herrn Begehr. Als er gehört hatte, daß derselbe seinem Gebieter seine Achtung zu bezeigen wünschte, und daß sein Name Waverley sei, nahm des alten Mannes Gesicht eine sehr wichtige Miene an, indem er sagte, er könnte die Versicherung auf sich nehmen, daß Sr. Gnaden sehr erfreut sein würden, Herrn Waverley zu sehen. Ob nicht Herr Waverley nach seiner Reise irgend eine Erfrischung zu sich nehmen wolle? Seine Gnaden wären mit den Leuten hinaus, das Moorland zurecht zu machen, die zwei Gärtnerburschen, er betonte das Wort »zwei« besonders, hatten Befehl erhalten, ihn zu begleiten, er hatte sich eben die Zeit damit vertrieben, das Blumenbeet der Miß Rosa in Ordnung zu bringen, um für die Befehle Sr. Gnaden in der Nähe zu sein. Er fände zwar viel Vergnügen an einem Garten, hätte aber nicht viel Zeit zu solchen Zerstreuungen, »Er chas nit in Ordnig bringe i den zwee Täge, wo er hier schafft,« sagte Edwards phantastischer Führer. Ein grimmiger Blick des Haushofmeisters bestrafte diese Einmischung, und dieser gebot, indem er den Burschen David Gellatley nannte, sich nach Sr. Gnaden im Moorland umzusehen, und ihm zu sagen, es wäre ein Edelmann aus dem Süden im Schlosse angekommen.

»Kann der arme Schelm einen Brief überbringen?« fragte Edward.

»Mit aller Treue, Herr, an jeden, vor dem er Respekt hat. Ich möchte ihm kaum einen langen mündlichen Auftrag anvertrauen, obgleich er mehr Schelm als Narr ist.«

Waverley gab sein Beglaubigungsschreiben an Mr. Gellatley, welcher die letzte Bemerkung des Voigts zu bestätigen schien, indem er hinter dessen Rücken ihm ein Gesicht schnitt.

»Der ist noch harmlos, Herr,« sagte der Haushofmeister; »es gibt solche Menschen fast in jeder Stadt im Lande, aber dem unsrigen wird besondere Aufmerksamkeit erwiesen. Er pflegte sein Tagewerk leidlich zu verrichten, aber er leistete Miß Rosa Beistand als sie der neue englische Stier des Laird von Killancureit erschreckte, und seit der Zeit heißen wir ihn Davie Thu-wenig; in der That könnten wir ihn auch Davie Thu-nichts nennen, denn seitdem er die lustige Kleidung trägt, um Seiner Gnaden und unserer jungen Gebieterin zu gefallen, hat er nichts gethan, als durch die Stadt zu tanzen, ohne eine Hand anzurühren. Wenns hoch kommt, pflegt er etwa des Lairds Angelruthe zurecht zu machen und ihm Fliegen zu fangen, oder vielleicht ein Gericht Forellen. Aber da kommt Miß Rosa, die, wie ich zu behaupten auf mich nehme, außerordentlich erfreut sein wird, ein Mitglied des Hauses Waverley in ihres Vaters Schloß Tully-Veolan zu sehen.«

Aber Rosa Bradwardine verdient von ihrem unwürdigen Geschichtschreiber etwas Besseres, als an dem Ende eines Kapitels eingeführt zu werden.

Indeß möge erwähnt werden, daß Waverley durch dieses Gespräch doch zweierlei erfuhr: daß nämlich in Schottland ein einzelnes Haus eine Stadt genannt wird, und ein Narr ein Harmloser.


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