Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

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Einleitung.

Nachdem sich Walter Scott im Jahre 1803 einem größeren Publikum durch seine Balladen als Lyriker bekannt gemacht, ließ er im Jahre 1805 das Lied des letzten Minstrel folgen. Aber der Dichter scheint um jene Zeit schon geahnt zu haben, daß der Prosaroman das eigentliche Gebiet sei, auf das sich dereinst die ganze Größe seines Ruhmes gründen werde. Er schrieb bereits in dem letztgenannten Jahre die ersten sieben Kapitel des Waverley, doch gab er die Fortsetzung auf, weil, wie er selbst gesteht, die Arbeit einem Freunde, dem er sie vorlegte, nicht recht gefiel. Um seinen Ruf als Dichter besorgt, wollte er durch den Versuch eines neuen Genres denselben nicht aufs Spiel setzen. Ohne über das Urtheil seines Freundes empfindlich zu sein, legte er das Manuskript in den Schubkasten eines alten Schreibtisches, der in irgend einer Rumpelkammer stand. »Obschon ich,« erzählt Scott selbst, »unter anderen literarischen Beschäftigungen meine Gedanken ab und zu auf die Fortsetzung des begonnenen Romans richtete, so hatte ich schließlich doch die Idee ganz aufgegeben, weil ich den geschriebenen Anfang in meinen gewöhnlichen Repositorien nicht fand und zu bequem war, denselben aus dem Gedächtniß noch einmal zu schreiben.« Die großartigen Erfolge der von ihm hochverehrten Dichterin Miß Edgeworth, die sich namentlich durch die Darstellung irischer Charaktere und Lebensbilder in England berühmt gemacht, so wie die nachgelassenen Werke Joseph Strutts, eines ausgezeichneten Künstlers und Alterthumsforschers, die er herauszugeben unternahm, und unter denen sich ein angefangener Roman »Queen-Hoo-Hall« befand, steigerten sein Interesse für den historischen Roman. Die Handlung der letztgenannten Erzählung ist in die Regierungszeit Heinrichs VI. verlegt, und Strutt hatte es sich darin angelegen sein lassen, die Lebensweise, Sitten und Bräuche jener Zeit zu illustriren und selbst die Sprache des 15. Jahrhunderts nachzuahmen, wozu ihn seine eminenten historischen und antiquarischen Kenntnisse durchaus befähigten. Das Bruchstück, das eine glänzende Phantasie des Verfassers bekundete, war im übrigen mit großer Eile geschrieben worden, und schien etwas zusammenhangslos, weshalb der Editor Scott es für seine Pflicht erachtete, die Feile anzulegen, und namentlich den hastigen und unkünstlerischen Schluß aus seiner eignen Phantasie zu ersetzen. »Dies war,« fährt er fort, »ein Schritt in meiner Entwicklung zum Romanschriftsteller.« Strutts Roman Queen-Hoo-Hall hatte indessen keinen Erfolg, was Scott wohl nicht mit Unrecht der obsoleten Sprache und der zu großen Häufung antiquarischer Notizen zuschreibt. »Ich hielt es für möglich,« fährt er fort, »diese Fehler zu vermeiden, und dadurch, daß ich ein leichteres und dem allgemeinen Verständniß zugänglicheres Werk schrieb, die Klippe zu umsegeln, an welcher mein Vorgänger Schiffbruch gelitten. Ich war jedoch auch auf der andern Seite durch die Gleichgültigkeit des Publikums gegen Strutts Roman so weit entmuthigt, um mich zu überreden, daß die Sitten des Mittelalters für das große Publikum nicht von erheblichem Interesse seien, was mich auf die Idee führte, daß ein Roman, der sich auf hochländische Geschichte und auf Ereignisse neueren Datums stütze, mehr Aussicht auf Popularität habe, als eine Erzählung aus der Ritterzeit. Meine Gedanken kehrten also mehr als einmal zu der Erzählung zurück, die ich begonnen hatte, und zuletzt führte mir ein bloßer Zufall die verlegten Blätter wieder in den Weg.«

Es trug sich nämlich zu, daß Scott für einen Freund eine Angelschnur suchte und dabei auch das alte oben erwähnte Schreibpult durchstöberte, in welchem sich derartige Utensilien befanden. Bei dieser Gelegenheit fiel ihm denn auch das lang verlorene Manuskript wieder in die Hände. Er setzte sich sofort ans Werk, um die Erzählung nach seiner ursprünglichen Idee zu vollenden.

Der Dichter fügt seinem Bericht sehr bescheiden hinzu: »Ich muß offen bekennen, daß die Art der Ausführung kaum den Erfolg verdient, dessen sich der Roman bei der Veröffentlichung erfreute; denn die einzelnen Momente der Erzählung wurden mit so wenig Sorgfalt an einander gereiht, daß ich mich nicht rühmen kann, auch nur irgend einen deutlichen Plan des Werkes entworfen zu haben. Die sämmtlichen Abenteuer Waverleys in seinen Kreuz- und Querzügen durch das Land mit dem Hochlandräuber Bean Lean sind ohne viel Geschick geschildert. Der Weg, den ich einschlug, paßte mir jedoch am besten, und gestattete mir einige landschaftliche und Sittenschilderungen einzuschieben, denen die Wirklichkeit einiges Interesse verlieh, welches das bloße Talent des Verfassers ihnen sonst schwerlich gewonnen haben würde.« Die Entstehungsgeschichte des Waverley gibt Scott in einem einleitenden Kapitel und in einer besonderen Einleitung, die wir, als mit der eigentlichen Erzählung in keinem Zusammenhange stehend, glaubten fortlassen zu dürfen.

Der Roman wurde im Jahre 1814 veröffentlicht, und da der Name des Verfassers unerwähnt blieb, so hatte der Erstling keine andere Empfehlung in der Welt als seinen eigenen Werth. Anfänglich machte seine Popularität daher auch langsame Fortschritte; aber nach den ersten zwei oder drei Monaten steigerte sich dieselbe in einer für den Verfasser höchst schmeichelhaften und ermuthigenden Weise. Die Kritiker und das literarisch gebildete Publikum forschten vergeblich nach dem Namen des Verfassers, der sich auf dem Gebiet des Prosaromans so glücklich eingeführt hatte und so Bedeutendes verhieß. »Mein ursprünglicher Beweggrund, das Werk anonym zu veröffentlichen,« erklärt Scott selbst, »war die Ueberzeugung, daß es eigentlich ein mit dem Geschmack des Publikums vorgenommenes Experiment war, das möglicher Weise fehlschlagen konnte, und für welches ich das Risiko nicht persönlich übernehmen wollte.« Zur dauernden Bewahrung des Geheimnisses wurden verschiedentliche Vorsichtsmaßregeln getroffen. James Ballantyne, Scotts alter Freund und ehemaliger Schulkamerad, verschaffte ihm die Herren Constable und Cadell, eine sehr angesehene Firma in Edinburg, als Verleger. Er selbst übernahm den Druck, und war der Einzige, der in dieser Angelegenheit mit dem Autor correspondirte. Das Manuskript wurde für den Druck unter Ballantynes Aufsicht von einem andern kopirt, und obgleich verschiedentliche Personen im Laufe der Zeit dazu verwendet wurden, ist doch eine verhältnißmäßig lange Reihe von Jahren hindurch das Geheimniß bewahrt geblieben. Es wurden regelmäßig doppelte Korrekturbogen abgezogen. Den einen erhielt der Verfasser durch Ballantyne, und die von Scott gemachten Aenderungen und Korrekturen wurden durch die Hand seines Freundes auf den zweiten Bogen übertragen und dann erst den Druckern übergeben, so daß diese, denen Scotts Schriftzüge bekannt waren, den eigentlichen Verfasser nicht kennen lernten, und die Bemühungen um die Entdeckung der Autorschaft selbst für die Neugierigsten vergeblich waren. Aber wenn nun auch der Grund zu dieser Verheimlichung im Anfange, wo die Aufnahme des Romans von Seiten des Publikums noch eine zweifelhafte war, sich rechtfertigen läßt, so ist unser Dichter selbst nie im Stande gewesen, eine stichhaltige Erklärung dafür abzugeben, daß er später, als der Erfolg durch die rasche Verbreitung von 10 – 12000 Exemplaren hinter einander glänzend entschieden war, die Anonymität immer noch beibehielt. »Ich habe mich schon anderswo bestimmt ausgesprochen,« sagt er, »daß ich leider über diesen Punkt keinen bessern Grund angeben kann, als den, welchen Shylock für sich anführt: daß dies einmal meine Laune war. Man wird bemerken, daß ich nicht den gewöhnlichen Stimulus für persönlichen Ruhm besaß: auf den Wogen der alltäglichen Unterhaltung zu schwimmen. Literarisches Renommée, mochte ich es nun verdient haben oder nicht, besaß ich schon so viel, daß auch ein noch ehrgeizigeres Gemüth als das meine damit zufrieden sein konnte; und wenn ich mich in einen neuen Wettkampf einließ, konnte ich weit eher gefährden, was ich schon befaß, als eine irgend erhebliche Aussicht gewinnen, mir mehr zu erwerben. Außerdem wurde ich von keinem der Motive angeregt, die in einer früheren Lebensperiode ohne Zweifel auf mich gewirkt haben würden. Meine Freundschaften waren geschlossen, meine gesellschaftliche Stellung befestigt, mein Leben hatte seine Mitte erreicht. Meine Lebenslage war eine höhere, als ich vielleicht verdiente, sicher aber so hoch, wie ich sie wünschte, und es gab kaum irgend einen Grad des literarischen Erfolges, der meine persönliche Lage hätte bedeutend verändern oder bessern können.

Ich wurde also wirklich vom Ehrgeiz nicht angespornt, der doch sonst eine so starke Triebfeder ist, und darum muß ich mich von dem Vorwurfe unziemlicher Gleichgültigkeit oder des Undanks gegen den öffentlichen Beifall zu reinigen suchen. Ich habe darum nicht weniger Dankbarkeit für die öffentliche Gunst empfunden, daß ich sie nicht öffentlich aussprach; – wie ja auch der Liebende, der die Gunst seiner Herrin im Herzen trägt, eben so stolz, wenn auch nicht so eitel auf ihren Besitz ist, als ein anderer, der die Zeichen ihrer Zuneigung an seinem Hute trägt. Weit entfernt von einer so undankbaren Gesinnung, habe ich selten mehr innere Befriedigung empfunden als damals, wo ich, von einer Vergnügungsreise zurückgekehrt, Waverley im Zenith seiner Popularität und die öffentliche Neugierde nach dem Namen des Verfassers laut ausgesprochen fand. Das Bewußtsein, die Anerkennung des Publikums zu besitzen, war für mich der Besitz eines verborgenen Schatzes, der dem Eigenthümer eben so theuer sein mußte, als wenn die ganze Welt gewußt hatte, wem er gehöre. Mit dieser Geheimhaltung war aber noch ein zweiter Vortheil verknüpft. Ich konnte nach Belieben auf der Bühne erscheinen oder verschwinden, ohne irgend welche andere persönliche Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, als die die Vermuthung eingibt. Auch hätte ich mir in meiner eigenen Person, als erfolgreicher Schriftsteller auf anderen literarischen Gebieten, leicht den Vorwurf zuziehen können, mich allzu häufig der Geduld des Publikums aufzudrängen; der Autor des Waverley aber war in diesem Punkte der Kritik so unzugänglich, wie der Geist des alten Hamlet der Hellebarde des Marcellus. Dazu kam noch, daß die durch das Vorhandensein eines Geheimnisses gereizte Neugier des Publikums, durch die von Zeit zu Zeit stattfindenden Diskussionen über den unbekannten Autor, lebendig erhalten wurde, und wesentlich dazu beitrug, das Interesse an den häufigen Publikationen zu steigern. Den Verfasser umgab ein gewisses Geheimniß, das jeder neue Roman möglicher Weise ein wenig lüften konnte, wenn dieser auch sonst vielleicht hinter den andern an Werth zurückblieb.

Man könnte mir vielleicht einen gewissen Grad von Affektation vorwerfen,« fährt Scott in seiner Rechtfertigung fort, »wenn ich hier als einen andern Grund meines Stillschweigens anführe, daß ich eine heimliche Abneigung besaß, mich in persönliche Diskussionen über meine eignen literarischen Arbeiten einzulassen. Es ist jedenfalls gefährlich für einen Schriftsteller, sich fortwährend unter Leuten aufzuhalten, die seine Werke zum alltäglichen und familiären Gegenstande der Unterhaltung machen, und die nothwendiger Weise parteiische Beurtheiler von Schöpfungen sein müssen, die in ihrer eignen Gesellschaft entstanden sind. Der Eigendünkel, den solche Schriftsteller sich aneignen, kann nur in hohem Grade für Gemüth und Charakter nachtheilig sein; denn wenn der Becher der Schmeichelei auch nicht, wie der Trank der Circe, die Menschen in Thiere verwandelt, so kann er, unmäßig geleert, die besten und geschicktesten Leute doch wenigstens zu Narren machen. Dieser Gefahr ist einigermaßen durch die Maske vorgebeugt worden, die ich trug; und mein eigner Vorrath an Eigendünkel ist wenigstens auf seinen ursprünglichen Umfang beschränkt geblieben und nicht durch die Parteilichkeit von Freunden und den Weihrauch von Schmeichlern vergrößert worden.«

Auch die eigene Familie des Dichters, wenigstens seine Kinder, kannten den Autor des Waverley nicht. Es stellte sich einmal heraus, daß die jüngere sechzehnjährige Tochter des Dichters den Buchhändler John Ballantyne (Bruder des James) für den großen Unbekannten hielt. Als Scott bei einem Souper des damaligen Prinz-Regenten in London, an welchem auch die Herzöge von York und Gordon, Lord Melville, Graf Jife, der Marquis von Hertford und andere hohe Herren Theil nahmen, sich der fröhlichsten Laune überließ, wurde er nach Mitternacht durch einen Toast des Prinzen überrascht, der sein Glas ergriff und ausrief: »Hoch lebe und abermals hoch und zum dritten Male hoch der Verfasser des Waverley!« Dabei leerte er sein Glas und blickte schelmisch auf Scott hinüber. – Der Dichter war im Augenblicke verlegen, füllte sein Glas bis zum Rande und sagte: »Eure Hoheit sehen mich so an, als hätte ich ein Anrecht auf die Ehre dieses Toastes. Das ist zwar nicht der Fall, aber ich werde dafür sorgen, daß der rechte Mann von der hohen Ehre Kunde erhält, die ihm zugedacht war,« – Er leerte dann sein Glas und stimmte mit lautem Rufe in das jubelnde Lebehoch ein, welches der Prinz nochmals ertönen ließ.

Gegen Lord Byron soll Scott sich einmal verrathen haben. Kapitän Merwyn erzählt in seinen »Unterredungen mit Lord Byron«, daß er von diesem, als er ihn fragte, ob er überzeugt wäre, daß W. Scott der Verfasser der Waverley-Romane sei, die Antwort erhalten habe: »Scott hat mir in Murrays Bücherladen so gut wie eingestanden, daß er den Waverley geschrieben; ich sprach mit ihm über diesen Roman und beklagte es, daß sein Verfasser die Erzählung nicht bis in die Zeit der Revolution zurückverlegt habe; worauf Scott, der seine Reserve gänzlich vergaß, antwortete: ›Ja, ich hätte das thun können, – aber –‹ hier hielt er plötzlich inne. Es war für ihn vollkommen unmöglich, sich zu verbessern, er machte ein verlegenes Gesicht und entzog sich der Verwirrung, indem er sich rasch davon machte.« Scott erklärt jedoch, daß er sich an diese Scene nicht erinnere, und ist der Meinung, daß er im gegebenen Falle eher gelacht haben als in Verlegenheit davon gelaufen sein würde.

Erst nachdem im Jahre 1826 das Fallissement der Gebrüder Ballantyne, zu deren haftpflichtigem Kompagnon unser Dichter sich selbst gemacht hatte, ausgebrochen war, und die daran geknüpften gerichtlichen Verhandlungen die weitere Bewahrung des Geheimnisses gradezu unmöglich machten, bekannte sich Scott öffentlich als den Verfasser der Waverley-Romane. Im Februar des Jahres 1827 ließ er sich nach dem erwähnten traurigen Ereigniß zum ersten Male wieder bewegen, einem förmlichen Festessen nicht nur beizuwohnen, sondern demselben sogar zu präsidieren. Lord Meadowbank und der Graf von Fife standen ihm dabei nach englischer Sitte als Ehrenpräsidenten zur Seite. Der erstere führte unseren Dichter kurz vor Beginn des Mahles bei Seite und fragte, ob er es übel nehmen werde, wenn bei Gelegenheit eines Toastes der Autorschaft des Waverley gedacht würde. »Thun Sie, was Ihnen beliebt,« entgegnete Scott lächelnd, »aber sprechen Sie nicht zu viel über die alte Geschichte«.

Lord Meadowbank sprach dann zur Versammlung folgendermaßen:

»Ich bitte um die Erlaubniß einen Toast auszubringen.

Es gilt die Gesundheit eines Mannes, dessen Name stets vor allen anderen genannt zu werden verdient, und der überall, wo Schottländer beisammen sind, nicht mit gewöhnlichen Gefühlen der Freude und Theilnahme, nein, mit Entzücken und Begeisterung vernommen wird. Wie oft auch jeder von uns schon auf das Wohl dieses Mannes angestoßen hat, so geschah es doch fast nie ohne gewisse Anspielungen auf Dinge, die mit einem geheimnißvollen Schleier umgeben waren, und man durfte die glühenden Lobeserhebungen, die wir ihm so gern dargebracht hätten, stets nur auf Umwegen an ihn gelangen lassen. Jetzt aber haben die Wolken sich verzogen, das durchsichtige Dunkel ist verschwunden, und der große Unbekannte, der Sänger unseres Heimatlandes, vor dessen Zauberstab vergangene Zeiten und vergangene Geschlechter neu belebt unsern Blicken erschienen sind, er steht jetzt anerkannt vor uns, zur Freude unserer Augen und zum Entzücken unserer Herzen. – Da ich ihn kenne, als Freund, als Menschen und als meinen geliebten Landsmann, so weiß ich, daß die überwältigenden Gaben des Genies, die der große Mann besitzt, nicht bewundernswürdiger sind als seine einfache Bescheidenheit, welcher keine Art von Lobeserhebung angenehm ist, so wenig sie auch das Maß seiner Verdienste zu erreichen im Stande sein dürfte. Doch würden Sie, die Sie hier versammelt sind, es mir nicht verzeihen, wenn ich nicht ausspräche, daß unsere gesammte Nation eine große und schwere Schuld der Dankbarkeit gegen ihn abzutragen hat.

Zuerst hat er das Ausland mit den Schönheiten unseres Vaterlandes bekannt gemacht, und der Ruhm unserer Vorfahren ist von ihm über die Gestade dieser Insel hinausgetragen worden, bis an die Grenzen der Welt. Er hat unseren Nationalcharakter zu neuer Anerkennung gebracht und den Namen Schottland unsterblich gemacht, wäre es auch nur durch das Glück, daß er unter uns geboren ist. – Ich trinke auf das Wohl Sir Walter Scotts!«

Der Beifallssturm, den diese Rede hervorrief, war geradezu betäubend. Die ganze Gesellschaft stieg auf Stühle und Tische, schwenkte die Tücher und jubelte ohne Aufhören.

Sobald die Ruhe einigermaßen hergestellt war, sprach der Dichter:

»Ich hatte, als ich heute hier erschien, keine Ahnung davon, daß ich in Gegenwart von dreihundert Herren ein Geheimniß offenbaren sollte, welches in Anbetracht, daß mehr als zwanzig Menschen um dasselbe wußten, bis jetzt so gut bewahrt worden ist. Ich stehe hier förmlich als Angeklagter vor dem Lord Meadowbank, unserem geehrten Oberrichter, und ich bin überzeugt, daß Sie als Geschworene bei der Geringfügigkeit der gegen mich vorgebrachten Beweise mich freisprechen würden. Demnach will ich mich schuldig bekennen und den Gerichtshof nicht mit Aufzählung der Gründe ermüden, die mein Geständnis so lange verzögert haben. Vielleicht war es zum größten Theil eine bloße Laune. Jetzt habe ich nur zu sagen, daß alles Gute und alles Schlechte, was an diesen Schriften ist, ganz und ausschließlich nur mir einzig und allein zur Last fällt.

Dies ist mein Bekenntniß, und da ich weiß, daß dasselbe an die Oeffentlichkeit dringen wird, so wiederhole ich ausdrücklich, daß, indem ich mich als Verfasser bekenne, ich damit sagen will, daß ich der einzige und alleinige Verfasser bin.

Mit Ausnahme der ausdrücklich als Anführungen aus Dichtern oder sonst bezeichneten Stellen enthalten diese Schriften kein Wort, das nicht aus meiner Erfindung niedergeschrieben oder eine Frucht meiner Studien gewesen wäre, und ich füge mit Prosperos Worten hinzu: Der Hauch Eures Beifalls war es, der meine Segel geschwellt hat.«

Da das Fest zur Gründung einer wohlthätigen Stiftung für verarmte Bühnenkünstler vom Direktor des Edinburger Theaters angeordnet war, fügte Scott hinzu:

»Und nun trinke ich auf das Wohl des großen Bühnenkünstlers, Herrn Mackay, der die Gestalten, deren Umrisse ich entworfen, so oft durch sein Genie vor unsern Augen zur lebendigen Anschauung gebracht hat. Dieser Toast wird gewiß mit dem Beifallssturm aufgenommen werden, an welchen dieser Künstler mit Recht so gewöhnt ist. Möge dieser Beifall stets sein und bleiben: Wun–der–bar

Diese beiden Toaste haben zu ihrer Zeit nicht nur in England, sondern auch in ganz Europa das größte Aufsehen erregt, indem selbst diejenigen, welche in die Autorschaft der Waverley-Romane, so weit Scott in Frage kam, keinen Zweifel setzten, sich nicht vorstellen konnten, daß er allein, ohne jede fremde Hilfe, im Stande gewesen sei, eine so große Anzahl von Meisterwerken zu schaffen. Der Roman Waverley, das erste der langen Reihe unsterblicher Werke, die seit 60 Jahren die gesammte gebildete Welt entzückt haben, ist keineswegs ein unvollkommener Versuch, sondern es enthält dieser Erstlingsroman unseres Dichters bereits all die Schönheiten der Sprache und der Erfindung, wie sein jüngster deutscher Biograph sich ausdrückt, die uns an all den andern entzücken. Es zeigt sich hier bereits die vollendete Meisterschaft der Charakteristik, so wie auch die Schilderung der Scenerie, die Malerei der Naturschönheiten bereits den großen Künstler deutlich genug verrathen. Im Punkte der Menschendarstellung ist sein Realismus nur an der schaffenden Kraft eines Shakespeare zu messen, und grade der Waverley weist eine Fülle solcher lebenswahren Figuren und Charaktere auf. Namentlich aber ist es der hohe Adel der Gesinnung, der sittliche Ernst seiner Helden und Heldinnen, die in diesem ersten Romane so wohlthuend auf uns wirken, und uns auch dort fesseln und einnehmen, wo wir den politischen Standpunkt der geschilderten Charaktere nicht theilen. Wir wollen es indessen nicht versuchen, dem Leser durch eine Charakteristik der einzelnen Persönlichkeiten vorzugreifen, und überlassen es ihm, sich sein eignes Urtheil zu bilden.


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