Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

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Kapitel XXX.

Ein Verhör.

Major Melville von Cairnvreckan, ein ältlicher Herr, der seine Jugend beim Militär verlebt hatte, empfing Mr. Morton mit vieler Freundlichkeit und unsern Helden mit Artigkeit, die indessen infolge der zweideutigen Umstände, in denen er sich befand, gezwungen und kühl war.

Die Wunde des Schmieds wurde untersucht, und da die Verletzung aller Wahrscheinlichkeit nach nur leicht war, und die Umstände, unter denen er sie empfing, von Edwards Seite als Handlung der Selbstvertheidigung betrachtet werden mußten, erklärte der Major, er könne diese Sache als erledigt betrachten, wenn Waverley in seine Hände eine kleine Summe als Schmerzensgeld für den Verwundeten niederlege.

»Ich wünschte, Herr,« fuhr der Major fort, »daß meine Pflicht hiermit beendet wäre, allein es ist nöthig, daß wir etwas genauer nach der Veranlassung Ihrer Reise durch diese Gegend in einer so schweren und unruhigen Zeit forschen.«

Mr. Ebenezer Cruickshanks trat jetzt vor und theilte dem Friedensrichter alles mit, was er von der Zurückhaltung Waverleys und den Ausflüchten Callum Begs wußte oder vermuthete. Das Pferd, welches Edward ritte, gehöre, wie er wisse, Bich Ian Vohr, obschon er nicht gewagt hätte, das dem früheren Begleiter Edwards vorzuwerfen, weil ihm sonst Haus und Stall durch die gottlose Bande der Mac-Ivors in irgend einer Nacht über dem Kopf würde angezündet worden sein. Er schloß damit, daß er seine eigenen Dienste für Kirche und Staat rühmte, so daß er mit Gottes Hilfe, wie er sich bescheiden ausdrückte, das Mittel gewesen sei, dieses verdächtigen und schrecklichen Delinquenten habhaft zu werden. Er sprach die Hoffnung auf künftige Belohnung und augenblickliche Vergütung für den Verlust an Zeit und sogar an gutem Rufe aus, weil er in Staatsangelegenheiten an einem Festtage gereist sei.

Der Friedensrichter Melville antwortete hierauf mit großer Ruhe, daß Mr. Cruickshanks, weit entfernt in dieser Angelegenheit irgend ein Verdienst in Anspruch nehmen zu können, vielmehr um den Erlaß einer schweren Strafe nachzusuchen hätte, indem er, der kürzlich ergangenen Bekanntmachung entgegen, die nächste Behörde von dem in seinem Gasthause eingekehrten Fremden nicht benachrichtigt hätte; daß, da Mr. Cruickshanks sich so vieler Religion und Treue rühme, er dies Benehmen indeß nicht einem Mangel an Unterthanenliebe zuschreiben wolle, sondern nur vermuthe, sein Eifer für Kirche und Staat sei durch die Gelegenheit, von einem Fremden eine doppelte Pferdemiethe zu erhalten, eingeschläfert worden, daß er aber, unfähig, für sich allein über die Aufführung einer so wichtigen Person zu entscheiden, die Sache der nächsten Vierteljahrssitzung zur Berathung vorlegen würde. Unsere Geschichte sagt nichts weiter von dem Wirthe zum Armleuchter, als daß er schmerzerfüllt und unzufrieden nach seiner eigenen Wohnung zurückkehrte.

Mr. Melville ermahnte hierauf die Dorfbewohner, nach ihren Häusern zurückzukehren, zwei ausgenommen, die den Constablerdienst versahen, denen er zu warten befahl. Das Gemach wurde so von allen Anwesenden geräumt, nur Mr. Morton blieb auf die Bitte des Friedensrichters zurück; außer ihm war ein Faktor, der das Amt eines Schreibers versah, und Waverley zugegen. Es entstand jetzt eine peinliche und verlegene Pause, bis Melville, welcher Waverley theilnahmsvoll ansah und dabei mehrmals ein Papier zu Rathe zog, das er in der Hand hielt, nach seinem Namen fragte.

»Edward Waverley.«

»Das dachte ich; unlängst im Dragonerregiment *** und Neffe des Sir Everard Waverley von Waverley-Haus?«

»Derselbe.«

»Junger Mann, es thut mir außerordentlich leid, daß mir diese peinliche Pflicht zugefallen ist.«

»Die Pflicht, Herr Melville, macht jede Entschuldigung überflüssig.«

»Gewiß, erlauben Sie mir daher, Sie zu frage«, wie Sie Ihre Zeit bisher zugebracht haben, seitdem Sie vor mehreren Wochen von Ihrem Regimente Urlaub nahmen.«

»Meine Antwort auf eine so allgemeine Frage,« sagte Waverley, »muß durch die Natur der Anklage geleitet werden, die sie veranlaßt. Ich bitte daher, mir zu sagen, worin diese Anklage besteht, und welche Autorität mich zwingt, darauf zu antworten?« »Die Anklage, Herr Waverley, ist, wie ich mit vieler Betrübniß sagen muß, sehr ernster Art und betrifft Ihren Ruf als Soldat und als Unterthan. In der ersteren Eigenschaft sind Sie angeklagt, bei den Leuten unter ihrem Kommando Meuterei und Rebellion verbreitet und ihnen das Beispiel zur Desertion gegeben zu haben, indem Sie Ihre Abwesenheit von dem Regimente gegen den ausdrücklichen Befehl Ihres Regimentskommandeurs verlängerten. Das Civilverbrechen, dessen Sie angeklagt stehen, ist Hochverrath und bewaffneter Aufruhr gegen den König, das schlimmste Verbrechen, dessen ein Unterthan sich schuldig machen kann.«

»Und durch welche Autorität werde ich hier aufgehalten, um auf so gehässige Verleumdungen zu antworten?«

»Durch eine, die Sie weder bestreiten, noch umgehen können,«

Er händigte Waverley einen Erlaß des höchsten Kriminalgerichtshofes von Schottland ein, sich der Person des Edward Waverley, Esq., zu bemächtigen, welcher verrätherischer Unternehmungen und anderer Verbrechen und Gesetzbrüche verdächtigt sei.

Das Staunen, welches Waverley über diese Mittheilung ausdrückte, legte Mr. Melville dem Bewußtsein der Schuld bei. Mr. Morton war eher geneigt, es als Ueberraschung der ungerecht verdächtigten Unschuld zu betrachten. Es lag in beiden Vermuthungen etwas wahres, denn obgleich Edwards Gewissen ihn von dem Verbrechen freisprach, dessen er angeklagt wurde, so zeigte ihm doch ein schneller Ueberblick seiner Aufführung, daß es ihm sehr schwer fallen würde, seine Unschuld in den Augen anderer genügend darzuthun.

»Es ist ein recht peinlicher Theil dieses Geschäftes,« sagte Mr. Melville nach einer Pause, »daß ich Sie bei einer so ernsten Anklage notwendiger Weise bitten muß, mir die Papiere zu zeigen, die Sie bei sich haben.«

»Hier sind sie, Herr Major,« sagte Edward, indem er sein Taschenbuch und sein Tagebuch auf den Tisch legte, »nur ein Papier wünschte ich behalten zu dürfen.«

»Es thut mir leid, Herr Waverley, keine Ausnahme gestatten zu dürfen.«

»So sollen Sie's denn sehen, doch da es von keinem Belange sein kann, bitte ich, es mir zurückzugeben.«

Er nahm hierauf aus seinem Busen die Verse, die er diesen Morgen empfangen hatte, und überreichte sie dem Friedensrichter mit dem Umschlage. Mr. Melville las sie schweigend und gebot hierauf dem Schreiber, eine Abschrift davon zu nehmen, alsdann schob er die Kopie in ein Couvert, legte dieses auf den Tisch vor sich und gab das Original mit dem Ausdrucke trüben Ernstes an Waverley zurück.

Nachdem er dem Gefangenen, denn als solcher muß unser Held jetzt betrachtet werden, die gehörige Zeit zur Ueberlegung zugestanden hatte, setzte er das Verhör fort, indem er hervorhob: da Herr Waverley allgemeine Fragen zu verwerfen schiene, sollten die seinigen so speziell sein, als seine Instruktion erlaubte. Er schritt hierauf in der Untersuchung weiter und diktirte die Fragen und die Antworten dem Schreiber, der sie niederschrieb.

»Kannten Sie, Herr Waverley, einen gewissen Humphry Houghton, Unteroffizier in dem Dragonerregimente Gardiner?«

»Gewiß, er war Unteroffizier meiner Schwadron und der Sohn eines von den Pächtern meines Oheims.«

»Richtig, – und besaß in hohem Grade Ihr Vertrauen und Einfluß unter seinen Kameraden?«

»Ich hatte nie Gelegenheit, einem Menschen dieses Standes mein Vertrauen zu schenken,« antwortete Waverley. »Ich begünstigte den Unteroffizier Houghton als einen ordentlichen, thätigen Menschen, und ich glaube, daß seine Kameraden ihn infolge dessen achteten.«

»Aber Sie pflegten,« entgegnete Major Melville, »durch diesen Menschen mit denen Ihrer Leute zu verkehren, die von den Waverleygütern rekrutirt waren?«

»Gewiß, die armen Burschen, welche sich in einem Regimente erblickten, das aus lauter Schotten oder Irländern bestand, wandten sich bei all ihren kleinen Unannehmlichkeiten an mich und natürlich wählten sie bei solchen Gelegenheiten ihren Landsmann und Unteroffizier zum Sprecher.«

»Unteroffizier Houghtons Einfluß,« fuhr der Friedensrichter fort, »erstreckte sich also vorzüglich auf die Soldaten, welche Ihnen zu dem Regimente von den Besitzungen Ihres Oheims gefolgt waren?«

»Gewiß, doch wie gehört das alles hierher?«

»Darauf komme ich eben und bitte Sie, aufrichtig zu antworten. – Haben Sie, seitdem Sie das Regiment verließen, in irgend einem direkten oder indirekten Briefwechsel mit diesem Unteroffizier Houghton gestanden?«

»Ich! – Ich mit einem Menschen seines Ranges und seiner Stellung Briefe wechseln? Weshalb oder in welcher Absicht?«

»Das haben Sie zu erklären, – aber schickten Sie nicht z. B. wegen einiger Bücher zu ihm?«

»Sie erinnern mich an einen unbedeutenden Auftrag,« sagte Waverley, »den ich dem Unteroffizier Houghton gab, weil mein Diener nicht lesen konnte. Ich erinnere mich, daß ich ihn durch einen Brief bat, einige Bücher, von denen ich ihm eine Liste schickte, auszuwählen und sie mir nach Tully-Veolan zu senden.«

»Und welcher Art waren diese Bücher?«

»Sie betrafen fast ausschließlich die schöne Literatur und waren zur Lektüre einer Dame bestimmt.«

»Waren nicht verrätherische Abhandlungen und Flugschriften darunter, Herr Waverley?«

»Es waren einige politische Abhandlungen dabei, die ich kaum angesehen habe. Sie wurden mir durch den Diensteifer eines alten Freundes geschickt, dessen Herz mehr zu achten ist als seine Klugheit und sein politischer Scharfsinn; es schienen abgeschmackte, langweilige Sachen zu sein.«

»Der Freund,« fuhr der eifrige Verhörrichter fort, »war ein Herr Pembroke, ein eidverweigernder Geistlicher, der Verfasser zweier verrätherischer Werke, deren Manuskripte unter ihrem Gepäck gefunden wurden?«

»Von denen ich aber, darauf kann ich Ihnen mein Wort als Edelmann geben, nie sechs Zeilen gelesen habe.«

»Ich bin nicht Ihr Strafrichter, Herr Waverley, Ihr eigentliches Verhör wird an einem andern Orte stattfinden. Und nun weiter: Kennen Sie einen Menschen, der Willy Will oder Will Ruthven genannt wird?«

»Ich habe bis zu diesem Augenblicke den Namen nie gehört.«

»Haben Sie durch ihn oder irgend eine andere Person Verkehr mit dem Unteroffizier Humphry Houghton gehabt, ihn angetrieben, daß er mit so vielen seiner Kameraden, wie er verleiten könnte, desertiren sollte, um mit diesen zu den Hochländern und andern Rebellen zu stoßen, die jetzt unter dem Kommando des jungen Prätendenten unter Waffen stehen?«

»Ich versichere Sie, baß ich nicht nur ganz schuldlos an dem Komplotte bin, welches Sie mir zur Last legen, sondern daß ich es vom Grunde meiner Seele verabscheue und mich einer solchen Verrätherei niemals schuldig machen würde, gälte es auch einen Thron.«

»Wenn ich aber diese Adresse in Erwägung ziehe, die ganz die Handschrift eines jener irregeleiteten Edelleute, die jetzt gegen ihr Vaterland in den Waffen stehen, trägt, sowie die Verse, die sie enthielt, so kann ich nicht umhin, eine Analogie zwischen der erwähnten Unternehmung und der That Wogans zu finden, deren Nachahmung der Schreiber von Ihnen zu erwarten scheint.«

Waverley ward bei diesem Zusammentreffen von Umständen stutzig, bestritt aber, daß die Erwartungen und Wünsche des Briefstellers als Beweise einer Anklage gegen ihn betrachtet werden könnten.

»Wenn ich recht berichtet bin, so brachten Sie Ihre Zeit während der Abwesenheit vom Regiment theils in dem Hause dieses Hochlandhäuptlings zu, theils in dem des Mr. Bradwardine von Bradwardine.«

»Das leugne ich nicht, wohl aber leugne ich auf das bestimmteste, daß ich auf irgend eine Art mit ihren Absichten gegen die Regierung bekannt war.«

»Aber Sie werden doch, wie ich vermuthe, nicht leugnen wollen, daß Sie Ihren Wirth Glennaquoich zu einer Versammlung begleiteten, wo unter dem Vorwande einer großen Jagd die meisten Mitschuldigen dieses Verrathes versammelt waren, um sich über die Maßregeln zur Ergreifung der Waffen zu berathen?«

»Ich gestehe, daß ich bei der Jagd war,« sagte Waverley, »aber ich sah und hörte von dem nichts, was ihr den Charakter verleihen konnte, den Sie ihr zuschreiben.«

»Von dort,« fuhr der Beamte fort, »gingen Sie mit Glennaquoich und einem Theile seines Clans zu der Armee des jungen Prätendenten und kehrten, nachdem Sie demselben Ihre Huldigung dargebracht hatten, zurück, um den übrigen Theil des Clans zu bewaffnen und einzuüben, um ihn dann auf dem Marsche südwärts mit dem Hauptcorps zu vereinigen?«

»Nie habe ich Glennaquoich auf einer solchen Reise begleitet, und habe nicht einmal ein Wort davon gehört, daß die Person, von der Sie sprechen, in dem Lande sei.«

Er setzte hierauf die Geschichte seines Mißgeschickes bei der Jagd auseinander und fügte hinzu, bei seiner Rückkehr hätte er sich plötzlich seines Postens entsetzt gefunden. Er leugnete nicht, daß er dann, aber jetzt zum ersten Male, bei den Hochländern Symptome bemerkt hatte, die eine Neigung zum Aufstande andeuteten, er fügte aber hinzu, daß er weder die Absicht gehabt, sich ihrer Sache anzuschließen, noch Ursache, länger in Schottland zu bleiben, und daß er jetzt auf dem Rückwege zu seinem Vaterlande sei, wohin ihn die berufen, die das Recht hätten, seine Handlungen zu leiten, Mr. Melville könne dies aus den auf dem Tische liegenden Briefen ersehen.

Major Melville überflog sogleich die Briefe Richard Waverleys, Sir Everards und der Tante Rahel, aber die Schlüsse, die er daraus zog, waren weit entfernt von dem, was Waverley erwartete. Sie führten die Sprache der Unzufriedenheit mit der Regierung, ließen keine undeutlichen Winke fallen, sich rächen zu wollen, und der der Tante Rahel, welcher sich deutlich für die Sache der Stuarts aussprach, wurde als ein offenes Geständniß dessen betrachtet, was die andern nur anzudeuten wagten.

»Erlauben Sie mir noch eine andere Frage, Herr Waverley,« sagte Major Melville. »Erhielten Sie nicht wiederholt Briefe von Ihrem Kommandeur, worin er Sie warnte und Ihnen gebot, auf Ihren Posten zurückzukehren, indem er Sie damit bekannt machte, daß man sich Ihres Namens bediene, um Unzufriedenheit unter Ihren Leuten zu verbreiten?«

»Nie, Major Melville. Einen Brief erhielt ich freilich, der eine artige Andeutung des Wunsches enthielt, ich möchte meinen Urlaub anders als zu einem fortwährenden Aufenthalt in Bradwardine benutzen, und ich gestehe, daß ich fand, der Oberst wäre zu einer solchen Einmischung nicht berechtigt. Schließlich erhielt ich an eben dem Tage, an welchem ich in der Zeitung als des Dienstes entlassen aufgeführt wurde, einen zweiten Brief von Oberst Gardiner, worin er mir gebot, zu dem Regimente zu kommen, ein Befehl, den ich wegen meiner erwähnten und gerechtfertigten Abwesenheit zu spät erhielt, um ihn befolgen zu können. Wurden dazwischen noch andere Briefe geschrieben, wie ich nach dem ehrenwerthen Charakter des Obersten nicht anders glauben kann, so haben sie mich nie erreicht.«

»Ich habe vergessen, Herr Waverley,« fuhr Major Melville fort, »Sie nach einer Sache von geringerer Wichtigkeit zu fragen, die aber nichts destoweniger öffentlich zu Ihrem Nachtheile besprochen worden ist. Es wird behauptet, es sei in Ihrer Gegenwart ein verrätherischer Toast ausgebracht worden, und Sie, ein Offizier des Königs, hätten geduldet, daß ein anderer Edelmann der Gesellschaft Genugthuung für die Beleidigung nahm. Dies, mein Herr, kann in einem Gerichtshofe nicht gegen Sie vorgebracht werden, aber wenn, wie ich gehört habe, die Offiziere Ihres Regiments eine Erklärung wegen dieses Gerüchtes von Ihnen forderten, so muß ich mich wundern, daß Sie als Edelmann und Offizier dieselbe nicht gegeben haben.«

Das war zu viel. Auf allen Seiten durch Anklagen gedrängt und bestürmt, bei denen die gröbsten Unwahrheiten mit solchen Umständen der Wahrheit gemischt waren, daß sie nicht ermangeln konnten, Glauben zu gewinnen, allein, ohne Freund und in einem fremden Lande, gab Waverley sein Leben und seine Ehre beinahe für verloren, und den Kopf in die Hand stützend, verweigerte er entschlossen jede andere Antwort, da die offene und ehrliche Auseinandersetzung nur dazu gedient hätte, Waffen gegen ihn zu liefern.

Ohne Ueberraschung oder Unwillen über das veränderte Benehmen Waverleys auszusprechen, fuhr der Friedensrichter gelassen fort, mehrere Fragen an ihn zu richten. »Was nützt es mir, Ihnen zu antworten,« sagte Edward finster, »Sie scheinen von meiner Schuld überzeugt und benutzen jede Antwort, die ich gebe, Ihre eigene vorgefaßte Meinung zu bestärken. Genießen Sie also Ihren muthmaßlichen Triumph, und quälen Sie mich nicht weiter. Bin ich der Feigheit und Verrätherei fähig, mit der mich die Anklage belastet, so verdiene ich keinen Glauben für irgend eine Antwort, die ich Ihnen gebe. Verdiene ich Ihren Verdacht nicht, und Gott und mein eigenes Gewissen geben Zeugniß, daß dem so ist, so sehe ich nicht ein, weshalb ich durch meine Aufrichtigkeit meinen Anklägern Waffen gegen meine Unschuld leihen sollte. Es ist daher kein Grund vorhanden, noch ein Wort weiter zu antworten, und ich bin entschlossen, bei meinem Stillschweigen zu verharren.«

Und wieder nahm er seine Stellung dumpfen und entschlossenen Schweigens an.

»Erlauben Sie mir,« sagte der Friedensrichter, »Sie auf einen Grund aufmerksam zu machen, der die Zweckmäßigkeit eines offenen und wahren Bekenntnisses darlegt. Die Unerfahrenheit, Herr Waverley, macht die Tugendhaften den Plänen der Listigeren und Verschlageneren zugänglich, und einer Ihrer Freunde wenigstens, ich meine Mac-Ivor von Glennaquoich, nimmt einen hohen Rang unter diesen letzteren ein, während ich Sie nach Ihrer Unbefangenheit, Ihrer Jugend und Ihrer Unbekanntschaft mit den Sitten des Hochlandes zu den ersteren zu rechnen geneigt bin. In einem solchen Falle kann ein falscher Schritt oder ein Irrthum wie der Ihre, den ich mit Freuden als unwillkürlich betrachte, gesühnt werden, und gern will ich als Vermittler handeln; doch da Sie nothwendiger Weise mit den Streitkräften der Individuen des Landes, welche zu den Waffen gegriffen haben, mit ihren Mitteln, ihren Plänen vertraut sein müssen, erwarte ich, daß Sie diese meine Vermittelung durch ein offenes freies Geständniß alles dessen verdienen, was über die Führer zu Ihrer Kenntniß gelangt ist. In diesem Falle glaube ich versprechen zu dürfen, daß eine kurze Beschränkung Ihrer persönlichen Freiheit die einzige böse Folge Ihrer Theilnahme an diesen unglücklichen Intriguen sein wird.«

Waverley hörte diese Ermahnung mit großer Ruhe bis zu Ende an, worauf er mit einer Heftigkeit, die er bisher noch nicht gezeigt hatte, von seinem Sitze aufsprang und sagte: »Major Melville, da das Ihr Name ist, ich habe bisher Ihre Fragen aufrichtig beantwortet oder unwillig zurückgewiesen, weil ihr Inhalt mich nur allein betraf, da Sie mich aber jetzt für gemein genug halten, ein Angeber gegen andere zu werden, die mich, wie auch ihre politischen Meinungen immer sein mögen, als Gast und Freund aufnahmen, erkläre ich Ihnen, daß ich Ihre Fragen als eine weit beleidigendere Schmähung betrachte als Ihren verleumderischen Verdacht, und da mein hartes Geschick mich keine andere Art der Genugthuung fordern läßt, so erkläre ich Ihnen, daß Sie mir eher das Herz aus dem Busen reißen als eine einzige Silbe der Mittheilung über Dinge erfahren sollen, mit denen ich nur durch das Vertrauen argwohnloser Gastfreundschaft bekannt geworden sein könnte.«

Herr Morton und der Major sahen einander bedeutungsvoll an, und der erstere, welcher im Laufe des Verhörs mehrmals von einem schlimmen Husten befallen worden war, nahm jetzt seine Zuflucht zu der Schnupftabaksdose und dem Taschentuche.

»Herr Waverley,« sagte der Friedensrichter, »meine gegenwärtige Stellung macht es gleich unmöglich, Beleidigungen zu ertheilen wie zu empfangen, und ich will keinen Streit herbeiführen, der dem einen oder dem andern zu nahe träte. Es thut mir leid, einen Verhaftsbefehl für Sie ausfertigen zu müssen, doch soll dies Haus vorläufig Ihr Gefängniß bleiben. – Ich fürchte, ich werde Sie nicht bewegen können, meine Einladung anzunehmen, mit uns zu Abend zu essen – Edward schüttelte den Kopf – aber ich werde mir erlauben, Ihnen einige Erfrischungen auf das Zimmer bringen zu lassen.«

Unser Held verbeugte sich und ging, von einem Gerichtsdiener geleitet, nach einem kleinen freundlichen Zimmer, wo er, jedes Anerbieten von Speise und Wein ablehnend, sich auf das Bett warf und, erschöpft durch die ermüdenden Ereignisse und die geistige Anstrengung dieses traurigen Tages, bald in einen tiefen festen Schlaf versank. Das war mehr als er selbst gehofft hatte, aber man hat bei den nordamerikanischen Indianern die Bemerkung gemacht, daß sie am Marterpfahl bei der geringsten Unterbrechung ihrer Qualen einschlafen, bis die Anwendung des Feuers sie wieder weckt.


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