Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

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Kapitel XLI.

Ein Soldatenmahl.

Jakob von der Nadel war ein Mann von Wort, wenn sich der Whisky nicht ins Abkommen mischte, und Callum Beg, der sich noch als Schuldner Waverleys betrachtete, weil dieser sich nicht auf Kosten des Leuchterwirths schadlos halten wollte, ergriff die Gelegenheit, seine Schuld dadurch zu tilgen, daß er über den Erbschneider des Stammes Ivor wachte, und ihn, wie er sich ausdrückte, so lange unterm Daumen hielt, bis er die Arbeit vollendet hatte. Um sich von diesem Zwange zu befreien, flog des Schneiders Nadel wie der Blitz durch den Tartan, so daß drei Stiche auf den Tod eines jeden Helden kamen, während er ein Schlachtlied von Fin Macoul sang. Der Anzug war daher bald fertig, denn der Waffenrock paßte und das übrige bedurfte nur geringer Arbeit.

Nachdem unser Held die Tracht der alten Gälen angelegt hatte, welche wohl geeignet war, einer Gestalt das Ansehen von Kraft zu verleihen, die zwar groß und wohlgebaut, aber eher elegant als robust war, werden meine schönen Leserinnen, wie ich hoffe, ihn entschuldigen, daß er mehr als einmal in den Spiegel sah und sich selbst gestand, das Bild sei das eines recht hübschen jungen Mannes. In der That ließ sich das nicht leugnen. Sein hellbraunes Haar, denn er trug ungeachtet der Mode der Zeit keine Perrücke, paßte zu der Mütze, von der es bedeckt wurde. Seine Gestalt verrieth Festigkeit und Gewandtheit, und die weiten Falten des Plaids verliehen ihm ein würdevolles Aussehen. Sein blaues Auge schien von jener Art,

Die in der Liebe schmilzt, und im Kriege blitzt,

und eine gewisse Schüchternheit verlieh seinen Zügen ein besonderes Interesse, ohne der Anmut und dem Geist derselben zu schaden.

»Er ist ein prächtiger Mann, ein ganz prächtiger Mann,« sagte Evan Dhu, jetzt Fähnrich Maccombich, zu Fergus' munterer Wirthin.

»Er ist recht hübsch,« entgegnete die Wittwe Flockhart, »doch nicht so hübsch als Euer Oberst, Fähnrich.«

»Ich wollte sie nicht vergleichen,« sagte Evan, »auch meinte ich nicht, daß er hübsch wäre, sondern nur, daß Herr Waverley recht nett und wie ein Bursche aussieht, der seinen Mann in der Schlacht stellen wird. Und meiner Treu, er führt das Schwert und den Schild schon ziemlich gut. Ich habe selbst mit ihm in Glennaquoich gespielt und auch Bich Ian Vohr oft am Sonntag Nachmittag.«

»Gott verzeihs Euch, Fähnrich Maccombich,« sagte die ängstliche Presbyterianerin, »ich bin gewiß, der Oberst wird so etwas nie thun.«

»Geht doch! Geht doch, Frau Flockhart,« erwiderte der Fähnrich, »wir sind junges Blut, wie Ihr wißt, und: junge Heilige, alte Teufel.«

»Aber werdet Ihr mit Sir John Cope morgen fechten, Fähnrich Maccombich?« fragte die Frau Flockhart ihren Gast.

»Freilich, liebe Frau, wenn er uns herausfordert,« entgegnete der Gäle.

»Und werdet Ihr den kinderfressenden Dragonern die Spitze bieten, Fähnrich Maccombich?« fragte die Wirthin wieder.

»Klaue für Klaue, wie Conan zum Satan sprach, und der Teufel holt den mit den kürzesten Krallen.«

»Und wird der Oberst sich selbst gegen die Bajonnete wagen?«

»Darauf könnt Ihr schwören, Frau Flockhart; der erste wird er sein, beim heiligen Phedar.«

»Du meine Güte! Und wenn er nun unter den Rothröcken ums Leben kommt?« rief die weichherzige Wittwe.

»Meiner Treu, wenns so käme, Frau Flockhart, so kenne ich eine, die nicht lange um ihn weinen würde. Aber heute wollen wir noch leben und unser Essen haben, und da ist Bich Ian Vohr, der seinen Mantelsack, seinen dorlach, gepackt; und Herr Waverley hat sich im Spiegel unten müde gesehen; und der graue alte Kerl, der Baron von Bradwardine, der den jungen Ronald von Ballenkeiroch erschoß, der kommt mit dem alten pustenden und schnaufenden Vogt Macwhupple, dem der Degen grade hinten raus steht, wie der Bratspieß bei einem französischen Koch; und ich bin so hungrig wie ein Wolf, mein gutes Täubchen; sagt der Käthe, daß sie die Brühe beisetzt, und werft auch Ihr Euch in Wichs, denn Ihr wißt wohl, Bich Ian Vohr setzt sich nicht eher, als bis Ihr den obersten Platz eingenommen habt; und vergeßt auch nicht die Quartflasche Branntwein, mein Herzchen.«

Der Wink fruchtete. Frau Flockhart lächelte aus ihren Gewändern hervor, wie die Sonne durch den Nebel, und nahm am obersten Ende der Tafel Platz, indem sie vielleicht bei sich selbst dachte, es wäre ihr einerlei, wie lange der Aufstand noch dauere, der sie mit Personen von so viel höherem Range als ihre gewöhnliche Gesellschaft zusammenbrächte. Ihr zur Seite saßen Waverley und der Baron, und der Häuptling ihr vis-à-vis. Die Männer des Friedens und des Krieges, d. h. der Vogt Macwheeble und der Fähnrich Maccombich nahmen nach vielen Komplimenten gegen ihre Vorgesetzten die beiden Plätze an der Seite des Häuptlings ein. Wenn man Zeit, Ort und Umstände berücksichtigt, war die Mahlzeit trefflich, und Fergus sehr heiter gestimmt. Die Gefahr nicht beachtend, sanguinisch durch Natur, Jugend und Ehrgeiz, sah er in der Einbildung alle seine Pläne mit Erfolg gekrönt und war durchaus gleichgültig gegen die mögliche Alternative eines Soldatentodes. Der Baron machte leise Entschuldigungen, daß er Macwheeble mitgebracht hätte; sie hätten, sagte er, für die Ausgaben des Feldzuges gesorgt. »Und meiner Treu,« fügte der alte Herr hinzu, »da ich denke, daß dies mein letzter sein wird, ende ich da, wo ich angefangen habe. – Ich habe die Nerven des Krieges, wie ein gelehrter Schriftsteller die caisse militaire nennt, immer schwieriger herbeizuschaffen gefunden, als Fleisch, Blut und Knochen!«

»Was! Ihr habt unsere einzige wirkliche Kavallerie errichtet und dazu keinen von den Louisd'or der DoutelleDie Doutelle war ein bewaffnetes Fahrzeug, welches eine geringe Geldhilfe und Waffen aus Frankreich zur Unterstützung der Insurrektion brachte zur Unterstützung erhalten?«

»Nein, Glennaquoich, klügere Burschen sind vor mir dagewesen.«

»Das ist eine Schande,« sagte der junge Hochländer. »Aber Ihr sollt theilen, was von meinen Subsidien übrig bleibt. Das wird Euch heut einen ängstlichen Gedanken ersparen und morgen ist doch alles eins; denn ehe die Sonne untergeht, ist auf eine oder die andere Weise für uns gesorgt.« Waverley machte, zwar tief erröthend, aber mit großem Ernste dasselbe Anerbieten.

»Ich danke euch beiden, meine guten Jungen, aber ich will euer Geld nicht schmälern. Der Amtmann Macwheeble hat für die nöthige Summe gesorgt.«

Hier rückte der Amtmann auf seinem Stuhle hin und her und schien sich sehr unbehaglich zu fühlen. Endlich, nach manchem einleitenden Hm! und vielen wortreichen Versicherungen der Anhänglichkeit an den Dienst Sr. Gnaden bei Tag und Nacht, im Leben und im Tode, rückte er damit heraus: daß die Bank all ihr baares Geld in das Schloß geschafft hätte, daß der Silberschmied Sandie Goldie ohne Zweifel viel für Se. Gnaden thun würde, daß aber keine Zeit sei, die bedungene Pfandlegung zu besorgen, und wenn daher Sr. Gnaden Glennaquoich oder Waverley aushelfen könnten –«

»Laßt mich solchen Unsinn nicht mehr hören,« sagte der Baron in einem Tone, der Macwheeble stumm machte, »sondern thut, was wir vor Tisch verabredeten, wenn Ihr in meinem Dienst zu bleiben wünscht.«

Obgleich ihm zu Muthe war, als sollte er sein eigenes Blut in die Adern des Barons übertragen lassen, wagte der Amtmann auf diesen bestimmten Befehl doch nicht zu antworten. Nachdem er noch einige Zeit hin und her gerückt war, wendete er sich an Glennaquoich und sagte, wenn Se. Gnaden mehr Geld vorräthig hätten, als zu den Bedürfnissen des Feldzuges nöthig wäre, so könnte er es zur Zeit mit großem Vortheil und sicher unterbringen. Bei diesem Vorschlag lachte Fergus herzlich und als er wieder zu Athem gekommen war, antwortete er: »Tausend Dank, Amtmann, aber Ihr müßt wissen, daß es bei uns Soldaten Brauch ist, unsere Wirthin zu unserem Banquier zu machen. – Hier, Frau Flockhart,« sagte er, indem er fünf größere Stücke aus einer wohlgefüllten Börse nahm, und diese dann mit dem übrigen Inhalte in ihre Schürze steckte, das wird zu meinen Bedürfnissen hinreichen, nehmt Ihr das übrige, seid mein Banquier, wenn ich lebe, und mein Testamentsvollstrecker, wenn ich sterbe. Sorgt aber dafür, daß etwas an diejenigen Trauerweiber gezahlt wird, die für den letzten Bich Ian Vohr die Klagelieder am lautesten heulen.«

»Das ist das testamentum militare,« sagte der Baron, »welches bei den Römern des Vorrechtes genoß, nuncoupative d. h. mündlich gemacht werden zu dürfen.«

Aber das sanfte Herz der Frau Flockhart brach über den Worten des Häuptlings; sie fing an zu jammern und lehnte es auf das bestimmteste ab, das Geld zu behalten, welches Fergus also selbst wieder nehmen mußte.

»Gut,« sagte der Häuptling, »wenn ich also falle, so ist es für den Grenadier, der mir den Schädel einschlägt, und ich will schon dafür sorgen, daß es ihm nicht zu leicht wird.«

Der Amtmann Macwheeble fühlte sich versucht, noch einmal sein Ruder einzusetzen, denn wo es auf Geld ankam, da ließ er sich nicht leicht abschrecken.

»Vielleicht,« sagte er, »ist es bester, für die Gefahr des Todes oder des Kriegsunglückes, das Geld zu der Miß Mac-Ivor zu bringen. Es könnte als Gabe mortis causa zu Gunsten der jungen Dame gelten, und es wären dazu nur zwei Federstriche nöthig.«

»Die junge Dame,« sagte Fergus, »wird, wenn solch ein Ereigniß stattfindet, an andere Dinge zu denken haben, als an diese elenden paar Louisd'or.«

»Freilich, unleugbar, daran läßt sich nicht zweifeln, aber Ew. Gnaden wissen, daß großer Kummer –«

»Manchem Menschen erträglicher ist als Hunger? – Wahr, sehr wahr, Amtmann, und ich glaube, es gibt sogar Menschen, die sich durch einen solchen Gedanken über den Verlust einer ganzen Generation trösten würden. Aber es gibt einen Kummer, der weder Hunger noch Durst kennt, und die arme Flora –« er stockte, und die ganze Gesellschaft nahm Theil an seiner Rührung.

Des Barons Gedanken richteten sich natürlich auf den schutzlosen Zustand seiner Tochter, und eine dicke Thräne trat in das Auge des Veteranen. »Wenn ich falle, Macwheeble,« sagte er, »so habt Ihr alle meine Papiere und kennt alle meine Angelegenheiten, seid rechtschaffen gegen Rosa.«

Der Amtmann war irdischer Gesinnung und hatte ohne Zweifel eine dichte Rinde um sein Herz, im Innern aber doch einen Kern freundlicher und gerechter Gefühle, besonders wo es seinen Herrn oder seine junge Gebieterin galt. Er brach in ein klägliches Geheul aus.

»Träte ein solcher Tag der Trauer ein, so lange Duncan Macwheeble noch einen Pfennig hätte, so sollte er Miß Rosa gehören. Ich wollte lieber für saures Geld abschreiben, als daß sie Mangel leiden sollte; sollte in der That die schöne Baronie Bradwardine und Tully-Veolan mit dem Schloß und dem Herrenhause,« er machte während der folgenden Aufzahlung bei jedem Worte unter Weinen und Schluchzen eine Pause, »Baustellen – Mooren – Außen- und Innenfeldern – Gebäuden – Plantagen – Taubenschlägen – mit dem Rechte des Netzes und der Angel in dem Wasser und See von Veolan – Zehnten, Frohnen und Patronatsrechten – Brennholz und Torfstich – Theilen und An- und Zubehör aller Art,« – hier nahm er vom Ende seines langen Halstuches die Zipfel, um sich die überströmenden Augen zu trocknen, – »wie das alles in den betreffenden Papieren näher bezeichnet ist, und die in dem Kirchspiele von Brabwardine in der Grafschaft Perth liegt, wenn das alles von meines Gebieters Kind auf Inchgrabbit übergehen sollte, der ein Whig und ein Hannoveraner ist, und wenn das alles von seinem Geschäftsmann Jamie Howie geleitet werden soll, der kein Unterbeamter sein könnte, geschweige denn ein Amtmann –«

Der Anfang dieser Klagerede hatte in der That etwas Rührendes, der Schluß aber erweckte allgemeines Gelächter.

»Denkt daran nicht, Amtmann,« sagte Fähnrich Maccombich, »denn die guten alten Zeiten des Zugreifens werden schon wiederkommen, und all der Hocus Pocus wird dem längsten Schwerte Platz machen.«

»Und das Schwert wird unseres sein, Amtmann,« sagte der Häuptling, welcher bemerkte, daß Macwheeble bei dieser Andeutung sehr ernsthaft aussah.

»Wir zahlen mit Erz, das die Berge uns schaffen,
Lillibullero, bullen a la,
Doch nimmer mit Münzen, nein, immer mit Waffen,
Lillibullero, bullen a la,
Wir streichen vom Kerbholze Mahner und Schulden,
Lillibullero, bullen a la,
Wenn wer so bezahlt ist, braucht keine Gulden.
Lillibullero, bullen a la.

Doch kommt, Amtmann, seid nicht niedergeschlagen, trinkt Euren Wein mit leichtem Herzen, der Baron wird gesund und siegreich nach Tully-Veolan zurückkehren und Killancureits Güter mit den seinigen vereinen, da das feige halbwüchsige Schwein nicht wie ein Edelmann für des Prinzen Sache aufstehen will.«

»Freilich,« sagte der Amtmann, indem er sich die Augen trocknete, »sie liegen dicht daran und würden natürlich unter dieselbe Aufsicht kommen.«

»Und ich,« führ der Häuptling fort, »werde selbst dafür Sorge tragen, denn Ihr müßt wissen, daß ich hier ein gutes Werk zu thun habe, indem ich Frau Flockhart in den Schooß der katholischen Kirche bringe oder wenigstens auf den halben Weg dahin, das heißt in das bischöfliche Bethaus. Ja, Baron, hättet Ihr den schönen Contra-Alt gehört, mit dem sie diesen Morgen Käthe und Matty ermahnte, Ihr, der Ihr Musik versteht, würdet bei dem Gedanken zittern, sie psalmiren zu hören,«

»Verzeih Euch Gott, Oberst, wie Ihr lästert! Aber ich hoffe, Ihr werdet erst Thee trinken, ehe Ihr nach dem Palast geht, und ich will ihn immer aufgießen.«

Mit diesen Worten überließ Frau Flockhart die Männer ihrer eigenen Unterhaltung, welche, wie man sich leicht denken kann, sich bald ausschließlich um die Ereignisse des bevorstehenden Feldzuges drehte.


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