Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Kapitel XXVIII.

Waverleys Aufnahme in dem Tieflande nach seiner Hochlandsreise

Es war Mittag, als die beiden Freunde auf dem Gipfel des Passes von Bally-Brough standen. »Ich darf nicht weiter gehen,« sagte Fergus Mac-Ivor, welcher während des Weges vergebens versucht hatte, seinen Freund aufzuheitern. »Hat meine querköpfige Schwester irgend einen Antheil an Eurer Niedergeschlagenheit, so darf ich Euch versichern, daß sie eine hohe Meinung von Euch hat, obgleich ihre jetzige Besorgniß um die öffentlichen Angelegenheiten sie hindert, auf irgend einen andern Gegenstand zu hören. Vertraut Eure Sache mir an, ich werde sie nicht verrathen, vorausgesetzt, daß Ihr die häßliche Kokarde nicht wieder anlegt.«

»Fürchtet das nicht nach der Art, wie sie mir abgefordert wurde. Lebt wohl, Fergus, gebt nicht zu, daß Eure Schwester mich ganz vergißt.«

»Lebt wohl, Waverley, Ihr mögt bald von ihr unter einem stolzeren Titel hören. Geht nach Hause, schreibt Briefe und werdet Freunde, so viel und so schnell Ihr könnt, bald werden unerwartete Gäste an der Küste von Suffolk erscheinen, oder meine Nachrichten aus Frankreich haben mich getäuscht.«

So trennten sich die Freunde. Fergus kehrte zurück zu seinem Schlosse, und Edward ritt dem kleinen Städtchen ** zu, begleitet von Callum Beg, der von Kopf bis zu Fuß in einen Tieflandsreitknecht verwandelt war.

Edward ritt unter den peinlichen und doch nicht ganz bittern Gefühlen weiter, welche Trennung und Ungewißheit in dem Gemüthe eines jugendlichen Liebhabers hervorbringen. Entfernung bringt in den Gedanken dieselbe Wirkung hervor, wie in der Wirklichkeit die Perspektive, die Gegenstände werden dadurch gemildert, gerundet und doppelt anmuthig gemacht, die schärferen und auffallenden Seiten des Charakters verschwinden, und die, an welche man sich erinnert, sind die hervorspringenden Linien der Erhabenheit, Anmut oder Schönheit. Es gibt Nebel an dem geistigen wie an dem natürlichen Horizonte, die das verbergen, was an fernen Gegenständen minder gefällig ist, und es gibt glückliche Lichter, welche einen vollen Schein auf die Punkte werfen, die durch glänzende Beleuchtung gewinnen können.

Waverley vergaß Flora Mac-Ivors Vorurtheile über ihrer Großherzigkeit und verzieh ihr beinahe ihre Gleichgültigkeit gegen seine Neigung, wenn er sich der großen und entscheidenden Dinge erinnerte, die ihre ganze Seele zu füllen schienen. Was für Gefühle mußte dieses Mädchen, dessen Begriffe von Pflicht sie so ganz für die Sache ihres Wohlthäters einnahmen, für den Glücklichen hegen, dem es gelang, sie zu gewinnen? – Dann kam die Frage des Zweifels, ob er nicht dieser Glückliche sein könnte, eine Frage, welche die Phantasie zu bejahen bemüht war, indem er sich an alles erinnerte, was sie zu seinem Lobe gesagt hatte, und indem er dies auf viel schmeichelhaftere Weise auslegte, als eigentlich in den Worten selbst lag. Alles, was Gemeinplätze waren, alles, was der täglichen Welt angehörte, verschwand vor diesen Träumen der Einbildungskraft, die ihn nur an die Anmut und Würde erinnerten, welche Flora vor der Mehrzahl ihres Geschlechts auszeichneten, nicht aber an das, was sie mit derselben gemein hatte. Kurz, Edward war auf dem schönsten Wege, aus einem ausgezeichneten und reizenden jungen Mädchen eine Göttin zu schaffen, und die Zeit verschwand unter Luftschlössern, bis er, einen steilen Hügel hinabreitend, den Marktflecken vor sich liegen sah.

Die Hochlandshöflichkeit Callum Begs, (wenige Nationen können sich einer so großen natürlichen Höflichkeit rühmen, als diese Hochländer), die Hochlandshöflichkeit seines Begleiters also hatte diesem nicht erlaubt, die Träumereien seines Gebieters zu stören. Als er aber sah, daß derselbe bei dem Anblicke des Ortes erwachte, ritt Callum naher zu ihm heran, und sagte: Er hoffe, wenn sie in das Wirthshaus kämen, würden Sr. Gnaden nichts von Bich Ian Vohr sagen, denn diese Leute wären hier ganz abscheuliche Whigs, der Teufel möchte sie holen.

Waverley versicherte den klugen Pagen, daß er vorsichtig sein würde, und als er jetzt nicht gerade Glockengeläute hörte, sondern das Klopfen eines Dinges, wie ein Hammer, gegen einen alten grünen umgekehrten Suppentopf, der in einer alten Bude von der Größe und Gestalt eines Papageienkäfigs hing, die das östliche Ende eines Gebäudes schmückte, das wie eine alte Scheuer aussah, fragte er Callum Beg, ob heute Sonntag wäre.

»Kanns nicht genau sagen. – Sonntag kommt selten über den Paß von Bally-Brough.«

Als sie aber den Flecken erreichten, und dem größten Wirthshause zuritten, das sich ihnen zeigte, bewog die Menge alter Weiber in Tartanröcken und rothen Decken, welche aus dem scheuerähnlichen Gebäude strömte, und während des Weges über die Verdienste des gesegneten Jünglings Jabesh Rentowel und des auserwählten Gefäßes Meister Goukthrapple diskutirten, unsern Callum, seinem augenblicklichen Gebieter zu versichern, daß es entweder wirklicher Sonntag, oder ein kleiner Regierungssonntag sei, den sie ein Fest nannten.

Als sie beim Schilde des siebenarmigen goldenen Leuchters, der zur Ergötzung der Gäste auch noch ein kurzes hebräisches Motto trug, abstiegen, wurden sie von dem Wirthe empfangen, einer langen, dünnen, puritanischen Gestalt, welche mit sich selbst zu kämpfen schien, ob sie denen, die an einem solchen Tage reisten, Obdach gewähren sollte oder nicht. Wahrscheinlich aber überlegte der Ehrenmann, daß er die Gewalt besäße, sie für diese Unregelmäßigkeit mit Geld zu strafen, eine Buße, der sie wahrscheinlich entgingen, wenn sie bei Gregor Duncanson, im »fidelen Hochländer« einkehrten; Mr. Ebenezer Cruickshanks ließ sich daher herab, den Reisenden den Eintritt in seine Wohnung zu gestatten.

Diesem heiligen Manne erklärte Waverley seinen Wunsch, ihm einen Führer mit einem Reitpferde zu verschaffen, um seinen Mantelsack nach Edinburg zu bringen.

»Und wo kommt Ihr denn wohl her?« fragte der Wirth des siebenarmigen Leuchters. »Ich habe Euch gesagt, wohin ich zu gehen wünsche, ich sehe nicht ein, weshalb weitere Mittheilungen wegen des Boten und des Reitpferdes nöthig sein sollten?«

»Hm, hm,« entgegnete der Wirth vom Leuchter, durch diese Zurechtweisung etwas verwirrt. »Es ist das große Fest, Herr, und ich kann mich in kein weltliches Geschäft an diesem Tage einlassen, an welchem alles Volk sich in Demut kleiden sollte, wie der würdige Mr. Goulthrapple sagt, zumal, wie der würdige Jabesh Rentowel mit Recht bemerkt, während das Land über niedergebrannte, zerstörte und begrabene Religionsverträge trauert.«

»Mein guter Freund,« sagte Waverley, »könnt Ihr mir kein Pferd und einen Boten verschaffen, so soll mein Diener es anderwärts suchen.«

»Ei so, Euer Diener! Und warum geht er denn nicht selbst mit Euch weiter?«

Waverley besaß nur wenig von dem Geiste eines Reiterkapitäns, ich meine von dem Geiste, dem ich mich oft verpflichtet gefühlt habe, wenn ich in einer Miethkutsche oder Diligence mit einem Offizier zusammentraf, der es freundlich übernahm, die Kutscher zu rüffeln oder ihre Forderungen zu taxiren. Etwas von diesem nützlichen Talente hatte unser Held jedoch während seines Militärdienstes erworben, und auf diese grobe Frage antwortete er daher ziemlich heftig: »Ihr müßt wissen, daß ich zu meinem Wohlgefallen hierher kam, und nicht, um unverschämte Fragen zu beantworten. Sagt entweder, daß Ihr mir verschaffen könnt, was ich brauche, oder nicht, in beiden Fällen setze ich meinen Weg fort.«

Mr. Ebenezer Ernickshanks verlieh das Zimmer mit einem unverständlichen Gemurmel, ob bejahend oder verneinend, konnte Edward nicht unterscheiden. Die Wirthin, ein artiges, ruhiges, arbeitsames Weib, kam, um nach seinen Befehlen wegen des Essens zu fragen, lehnte aber jede Antwort über das Pferd und den Boten ab, denn das gälische Gesetz schien sich über die Ställe des goldenen Leuchters verbreitet zu haben.

Aus einem Fenster, welches den engen und dunkeln Hof überblickte, auf welchem Callum Weg die Pferde nach ihrer Reise striegelte, hörte Waverley das folgende Gespräch zwischen dem verschmitzten Diener Bich Ian Vohrs und seinem Wirthe. »Ihr werdet aus dem Norden sein, junger Mann?« begann der letztere.

»Könnt Recht haben,« antwortete Callum.

»Und Ihr mögt wohl heut schon weit geritten sein?«

»Weit genug, um mir einen Schluck zu gönnen,«

»Frau, geh, und hol die Kanne!«

Jetzt wurden einige Komplimente gewechselt, wie sie die Umstände erforderten, und als der Herr Wirth des goldenen Armleuchters, seiner Meinung nach, durch den reichlichen Trunk das Herz seines Gastes geöffnet hatte, setzte er sein Verhör fort.

»Ihr habt wohl keinen bessern Whisky als den jenseits des Passes?«

»Ich bin nicht von jenseits.« »Ihr seid aber doch Eurer Aussprache nach ein Hochländer.«

»Nein, ich bin von Aberdeen.«

»Und kommt Euer Herr mit Euch von Aberdeen?«

»Ja, das heißt, als ich es selbst verlassen habe,« antwortete der kalte und unausforschliche Callum Beg.

»Und was für eine Art Herr ist er?«

»Ich glaube, er ist einer von König Georgs Staatsbeamten, wenigstens sagt er, daß er nach dem Süden geht. Er hat hübsches Geld und brummt nie mit einem armen Menschen, oder über die Zeche.«

»Er braucht ein Pferd und einen Boten von hier nach Edinburg?«

»Ja, und Ihr müßt es ihm bald verschaffen.«

»Hm, hm, das wird theuer sein.«

»Darum kümmert er sich nicht.«

»Also, Duncan, – sagtet Ihr nicht, Euer Name wäre Duncan oder Donald?«

»Nein, Mensch, Jamie – Jamie Steenson, ich habe es Euch ja schon anfangs gesagt.«

Diese letzte Antwort leitete Mr. Cruickshanks gänzlich irre, welcher sich begnügte, die Rechnung und die Pferdemiethe so einzurichten, daß sie ihn für seine unbefriedigte Neugier schadlos hielte. Der Umstand, daß Festtag war, wurde in der Rechnung nicht vergessen, die übrigens das Doppelte dessen nicht überstieg, was sie eigentlich hätte betragen sollen.

Callum Beg meldete bald darauf den Abschluß dieses Vertrages in eigener Person, indem er hinzufügte: »Der alte Teufel wird selbst mit Ew. Gnaden reiten.«

»Das wird weder sehr angenehm sein, Callum, noch sehr sicher, denn unser Wirth scheint gewaltig neugierig zu sein. Doch ein Reisender muß sich solchen Uebelständen fügen. Inzwischen, mein guter Bursche, ist hier eine Kleinigkeit, um dafür auf Bich Ian Vohrs Gesundheit zu trinken.«

Das Falkenauge Callums blickte entzückt auf eine Guinee, von deren Einhändigung diese Worte begleitet waren. Er eilte, nicht ohne einen Fluch über die Verschlingungen einer sächsischen Hosentasche, oder Spleuchan, wie er sagte, diesen Schatz in seine Tasche zu schieben, und als fühlte er sich verpflichtet, diese Freigebigkeit von seiner Seite durch einen Dienst zu vergelten, trat er dicht zu Edward heran und flüsterte mit einem besonders ausdrucksvollen Ton und mit leiser Stimme: »Wenn Ew. Gnaden den alten Teufelskerl von Whig für ein bischen gefährlich halten, so könnt ich leicht dafür sorgen, ihn unschädlich und still zu machen.«

»Aber auf welche Art?«

»Ihr dürft nur sagen, daß ich ein bischen von der Stadt entfernt warten soll, um ihm dann die Rippen mit meinem skeneoccle zu kitzeln.«

»Skene-occle, was ist das?«

Callum knöpfte sein Wamms auf, hob den linken Arm empor und zeigte mit bedeutungsvollem Nicken auf den Griff eines kleinen Dolches, der darunter im Futter der Jacke eingenäht war. Waverley glaubte, er hätte seine Meinung mißverstanden; er starrte ihm in das Gesicht und entdeckte in Callums hübschen, wenn gleich etwas sonnenverbrannten Zügen denselben Grad schelmischer Bosheit, mit welchem ein Bursche desselben Alters in England den Plan verrathen haben würde, irgend einen Obstgarten zu plündern.

»Guter Gott, Callum, Du wirst doch nicht dem Menschen das Leben nehmen wollen?«

»Freilich,« entgegnete der junge Taugenichts, »und ich denke, er hat lange genug gelebt, wenn er darauf sinnt, ehrliche Leute zu verrathen, die ihr Geld in seinem Wirthshause ausgeben.«

Edward sah nicht ein, was sich hier durch Gründe ausrichten lassen könnte, und begnügte sich daher, Callum zu ermahnen, jeden Plan gegen die Person des Mr. Ebenezer Cruickshanks aufzugeben. Der junge Mensch schien sich mit großer Gelassenheit bei dieser Weisung zu beruhigen.

»Ihr könnts halten, wie Ihr wollt; der Alte hat Callum nichts zu Leid gethan. Aber hier sind einige Zeilen von Tighearna, die ich Ew. Gnaden geben sollte, ehe ich zurückkäme.«

Der Brief des Häuptlings enthielt Floras Verse auf das Geschick des Kapitän Wogan, dessen unternehmenden Charakter Clarendon so schön geschildert hat. Er war ursprünglich in den Dienst des Parlamentes getreten, hatte aber diese Partei bei der Hinrichtung Karls I. abgeschworen, und als er hörte, daß die königliche Fahne von dem Earl von Glaincaire und dem General Middleton in dem schottischen Hochlande aufgepflanzt sei, nahm er Abschied von Karl II., der damals in Paris war, und ging nach London. Dort versammelte er eine Abtheilung Reiter in der Nähe der Stadt und durchzog das Königreich auf Märschen, die mit so viel Geschicklichkeit, Verwegenheit und List ausgeführt wurden, daß er ungefährdet mit seiner Hand voll Reiter zu dem unter Waffen stehenden Corps der Hochländer stieß. Nach mehreren Monaten eines erbitterten Krieges, in welchem der Muth und die Gewandtheit Wogans den höchsten Ruhm erwarben, hatte er das Unglück, gefährlich verwundet zu werden, und da die Hilfe eines Wundarztes nicht zu erreichen war, endete er seine kurze aber glorreiche Laufbahn. Es walteten augenscheinlich Gründe ob, weshalb der politische Häuptling das Beispiel dieses jungen Helden unserm Waverley vor die Augen zu bringen wünschte, dessen romantische Neigungen so ausfallend mit denen jenes Mannes übereinstimmten. Der Brief aber betraf hauptsächlich einige unbedeutende Aufträge, die Waverley in England für ihn zu besorgen versprochen hatte, und erst zum Schlüsse fand Edward die Worte:

»Ich zürne Flora, daß sie uns gestern ihre Gesellschaft versagte, und da ich Euch damit belästige, diese Zeilen zu lesen, um Euch an Euer Versprechen zu erinnern, mir in England das Fischgeräth und die Armbrust zu verschaffen, schließe ich Floras Verse an das Grab Wogans bei. Das wird sie verdrießen, denn Euch die Wahrheit zu sagen, glaube ich, daß sie verliebter in das Andenken jenes todten Helden ist, als sie es wahrscheinlich je in einen lebenden sein wird, er müßte denn gleich jenem einen ähnlichen Weg betreten. Doch die englischen Herren unserer Tage bewahren ihre Eichbäume, um ihren Thierpark zu beschatten oder die Spielverluste eines Abends zu decken, keineswegs aber, ihre Stirnen zu umkränzen, oder ihre Gräber damit beschatten zu lassen. Laßt mich auf eine glänzende Ausnahme bei einem Freunde hoffen, dem ich gern einen theureren Namen gäbe.«

Die Verse waren überschrieben:

Auf eine Eiche

auf dem Kirchhofe zu –-, im schottischen Hochlande über dem Grabe des Kapitän Wogan, der im Jahre 1849 blieb.

O, Bild von Englands altem Muth,
Schüttle Du Dein hehres Haupt,
Hier, wo im tiefen Grabe ruht,
Ein Herz, zu früh vom Tod geraubt.

Und Du, der jetzt dort unten wohnt,
Klag nicht die rauhern Lüfte an,
Wenn Deinen Ruhm kein Blümchen lohnt
Das nur im Süd gedeihen kann.

Im heitern Mai erblüht es nur
Und stirbt im heißen Sonnenlicht,
Auch wenn der Winter deckt die Flur,
Drum gleicht sein Werth dem Deinen nicht.

Nein, in des Schicksals wildem Streit
Erhob Dein Herz sich unverzagt,
Und in verzweiflungsvoller Zeit
Riefst Du voll Muth: »Ich habs gewagt.«

Du suchtest bei uns hier im Nord,
Als England kalt den Kampf vermied,
Den Bergsohn auf, er hielt sein Wort,
Und focht mit Dir in Reih und Glied.

Die Klage schwieg an Deinem Grab
Nicht folgte Dir der Glocken Klang,
Der Gäle rief Dir Ruh hinab,
Dein Grablied war sein Schlachtgesang.

Noch wem des Glückes hehrer Stern
Gelacht, tauscht er die Herrlichkeit
Mit Deinem Morgenroth nicht gern,
Wenns auch erblich vor Mittagszeit?

Dein sei der Baum, so kühn belaubt
Trotz Sommersgluth und Wintersnacht!
Rom wend' um seiner Helden Haupt
Den Zweig, der Wogans Gruft bewacht.

Von welchem Verdienste auch Flora Mac-Ivors Poesie sein mochte, so mußte doch der Enthusiasmus, den sie athmete, einen entsprechenden Eindruck auf den Liebenden machen. Die Verse wurden gelesen und wieder gelesen, dann an Waverleys Herzen verborgen, dann wieder herausgezogen, nochmals Zeile für Zeile gelesen, und zwar mit leiser flüsternder Stimme, und mit häufigen Pausen, welche den geistigen Genuß verlängerten, wie man durch langsames Schlürfen den Genuß eines Getränkes erhöht. Der Eintritt der Frau Cruickshanks mit den sublunarischen Artikeln Essen und Wein unterbrach kaum diese Pantomime des innigsten Enthusiasmus.

Endlich zeigte sich die lange hagere Gestalt und das widerliche Gesicht Ebenezers selbst. Der obere Theil seines Körpers war, obgleich die Jahreszeit dies nicht erforderte, in einen großen gegürteten Ueberrock gehüllt, der mit einer Kapuze von demselben Stoffe versehen war, welche, wenn sie über Hut und Kopf gezogen wurde, beide gänzlich bedeckte. Seine Hand hielt eine schwere Reitpeitsche mit kupfernem Griff. Seine dünnen Beine waren mit einem Paar an der Seite zugeknöpfter Gamaschen bekleidet. So angethan, stiefelte er in die Mitte des Zimmers und verkündete seine Absicht durch den kurzen Satz: »Eure Pferde sind bereit.«

»Also geht Ihr selbst mit, Herr Wirth?«

»Ja, bis Perth, wo Ihr Euch einen Boten nach Embro beschaffen könnt, wie es die Gelegenheit fordert.«

Mit diesen Worten hielt er die Rechnung, die er in der Hand hatte, unter Waverleys Augen und goß sich zugleich auf eigene Einladung ein Glas Wein ein, welches er mit einem Segensspruche auf ihre Reise austrank. Waverley war empört über die Unverschämtheit dieses Menschen, aber da ihre Gemeinschaft nur kurz sein sollte, machte er keine Bemerkung darüber, und sprach, nachdem er die Rechnung bezahlt hatte, die Absicht aus, augenblicklich aufzubrechen. Er bestieg deshalb den Dermid und verließ den goldenen Armleuchter, begleitet von der puritanischen Gestalt, die wir eben beschrieben, nachdem dieselbe sich mit Aufwand einiger Zeit und Mühe und mit Hilfe eines Ecksteins auf den Rücken eines langen, dürrleibigen, dünnhalsigen Phantomes von Vollblutpferd geschwungen hatte, auf welchem Waverleys Mantelsack befestigt war. Unser Held war zwar in keiner sehr heitern Stimmung, konnte sich aber doch des Gelächters bei dem Anblicke seines neuen Knappen nicht erwehren, indem er daran dachte, welches Staunen dessen Person und Equipirung in Waverley-Haus erwecken würden.

Edwards Neigung zur Lustigkeit entging dem Wirthe des Armleuchters nicht, der deshalb die pharisäischen Linien seines Gesichtes nur um so sauertöpfischer verzog und sich innerlich gelobte, daß unser junger Englischer die Verachtung, die er gegen ihn zeigte, auf die eine oder die andere Weise theuer bezahlen sollte. Callum stand an dem Thorwege und ergötzte sich ebenfalls mit unverhehlter Heiterkeit an der lächerlichen Gestalt des Mr. ^4 Cruickshanks. Als Waverley an ihm vorüberritt, zog er ehrerbietig seinen Hut ab, und indem er sich dem Steigbügel näherte, bat er ihn, sich vorzusehen, daß der alte verteufelte Whig ihm keinen Streich spiele, Waverley dankte ihm nochmals, wünschte ihm Lebewohl und ritt dann schnell vorwärts, ganz zufrieden, das Geschrei nicht mehr zu hören, welches die Straßenkinder erhoben, als sie den alten Ebenezer sahen, wie er sich in den Bügeln hob und senkte, um die Stöße zu vermeiden, die der harte Trab seines Pferdes auf einer halbgepflasterten Straße verursachte. Der Flecken ** lag bald mehrere Meilen hinter ihnen.


 << zurück weiter >>