Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

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Kapitel XV

Ein unerwarteter Verbündeter erscheint

Der Baron kehrte zur Essenszeit zurück und hatte seine Fassung und gute Laune zum großen Theil wiedergefunden. Er bestätigte nicht nur die Geschichten, welche Edward von Rosa und Macwheeble gehört hatte, sondern fügte noch manche Anekdote aus seiner eigenen Erfahrung über die Hochlande und deren Bewohner hinzu. Die Häuptlinge, versicherte er, wären im allgemeinen Edelleute von Ehre und altem Stamme, deren Wort bei ihrem Geschlecht oder Clan als Gesetz gelte. »Es kommt ihnen freilich nicht zu,« sagte er, »wie sie in jüngster Zeit gethan haben, ihre Abstammung, die sich größtentheils nur auf die eitlen und prahlerischen Gesänge ihrer Barden stützt, mit der Beweiskraft der Dokumente und königlichen Briefe gleichzustellen, die mehreren ausgezeichneten Häusern des Tieflandes durch verschiedene schottische Monarchen ertheilt worden sind; gleichwohl geht ihre Anmaßung so weit, die, welche dergleichen Dokumente besitzen, als sich untergeordnet zu betrachten, als ob sie ihre Ländereien für ein Schafsfell erworben hätten.«

Dies erklärte beiläufig die Ursache der Zwistigkeiten zwischen dem Baron und seinem Hochlandnachbarn vollkommen. Aber er schilderte so viele merkwürdige Umstände von den Sitten, Gebräuchen und Gewohnheiten dieses patriarchalischen Geschlechts, daß Edwards Neugier dadurch in hohem Grade gereizt wurde. Er fragte daher, ob es wohl möglich sei, mit Sicherheit einen Ausflug in das benachbarte Hochland zu machen, dessen neblige Gebirgsscheidewand schon seinen Wunsch rege gemacht hätte, über sie hinausdringen, Der Baron versicherte seinen Gast, nichts würde leichter sein, wenn nur sein Streit erst beigelegt wäre, denn er könnte ihm Briefe an mehrere der ausgezeichnetsten Häuptlinge mitgeben, welche ihn mit der größten Artigkeit und Gastfreundschaft aufnehmen würden.

Während sie noch darüber sprachen, wurde die Thür geöffnet, und durch Saunders Saunderson geführt, trat ein vollständig bewaffneter und ausgerüsteter Hochländer in das Zimmer. Hätte Saunders nicht bei dieser kriegerischen Erscheinung die Rolle des Zeremonienmeisters versehen, und hätte der Baron oder auch nur Rosa einige Unruhe geäußert, so würde Edward ganz gewiß an einen feindlichen Besuch gedacht haben. Er fuhr bei dem Anblicke, der ihm bisher noch nicht geworden war, zusammen: Ein Hochländer in seiner vollen Nationaltracht! Der Gäle war ein starker, schwarzer, junger Mann von kleinem Wuchs; die weiten Falten seines Plaids erhöhten noch den Eindruck großer Stärke, den seine Gestalt hervorrief. Der kurze Schurz ließ seine Sehnen und wohlgeformten Glieder sehen; der ziegenlederne Beutel und die gewöhnlichen Waffen, der Dolch und ein mit Stahl ausgelegtes Pistol hingen vorn herunter; sein Barett hatte eine kurze Feder, die seinen Anspruch verkündigte, als Duinhé-wassel, oder eine Art von Edelmann betrachtet zu werden. Ein breites Schwert hing an seiner Seite, eine Tartsche auf seiner Schulter, und in einer Hand hielt er eine lange spanische Büchse. Mit der andern Hand nahm er sein Barett ab, und der Baron, der ihre Gebräuche und die Art, wie man sie anreden mußte, genau kannte, sagte augenblicklich mit würdigem Ton, doch ohne aufzustehen, und, nach Edwards Meinung wie ein Fürst, der eine Gesandtschaft empfängt: »Willkommen Evan Dhu Maccombich, was gibts neues von Fergus Mac-Ivor Bich Ian Vohr?«

»Fergus Mac-Ivor Bich Ian Vohr,« antwortete der Abgeordnete in gutem Englisch, »grüßt Euch freundlich, Baron von Bradwardine und Tully-Beolan. Es thut ihm leid, daß eine dichte Wolke sich zwischen Euch und ihn gelagert hat, die Euch abhält, die Freundschaft und Bündnisse zu erwägen, die in alten Zeiten zwischen euren Häusern und Vorfahren bestanden haben. Er bittet Euch, dafür zu sorgen, daß die Wolke hinwegziehe, und daß es in Zukunft sei, wie es zuvor zwischen dem Clan Ivor und dem Hause Bradwardine gewesen ist. Auch hofft er, Ihr selbst werdet sagen, daß Euch die Wolke betrübt, und niemand soll dann darnach fragen, ob sie vom Berge niedersank in das Thal oder vom Thale aufstieg zu dem Berg.«

Der Baron antwortete hierauf mit geziemender Würde, er wüßte, daß der Häuptling des Clan Ivor dem Könige wohlwolle, und es betrübe ihn, daß eine Wolke zwischen ihm und irgend einem Edelmanne von solchen Gesinnungen aufgestiegen sei; denn wenn das Volk sich veruneinige, sei der schwach, der keinen Bruder habe.

Dies erschien vollkommen genügend zum Friedensschlusse zwischen diesen erhabenen Personen. Um ihn feierlich zu besiegeln, ließ der Baron einen Krug Uskebah bringen, füllte ein Glas und leerte es auf die Gesundheit und das Wohlergehen Mac-Ivors von Glennaquoich, worauf der celtische Abgeordnete, um die Artigkeit zu erwidern, einen mächtigen Becher dieses Getränkes hinabstürzte, wobei er seine besten Wünsche für das Haus Bradwardine aussprach.

Nachdem so die Präliminarien des allgemeinen Friedensvertrages ratificirt worden waren, entfernte sich der Gesandte, um mit Mr. Macwheeble einige untergeordnete Artikel in Ordnung zu bringen, mit denen der Baron nicht behelligt zu werden brauchte. Diese bezogen sich wahrscheinlich auf die Nichtfortbezahlung der Subsidien, und offenbar fand der Verwalter Mittel, den Verbündeten zu befriedigen, ohne bei dem Baron die Besorgniß einer Verletzung seiner Würde zu erwecken. Wenigstens ist gewiß, daß, nachdem die beiden Bevollmächtigten mit einander eine Flasche Branntwein geleert hatten, Evan Dhu Maccombich seine Absicht erklärte, augenblicklich die Räuber verfolgen zu wollen, welche, wie er sagte, noch nicht weit fort sein würden. »Sie haben,« bemerkte er, »wohl den Knochen gebrochen, aber das Mark auszusaugen hatten sie keine Zeit.« Unser Held, welcher Evan Dhu bei seinen Fragen aufmerksam folgte, staunte über den Scharfsinn, den jener entwickelte, um Nachrichten zu sammeln, sowie über die bestimmten und scharfen Schlüsse, die er daraus zog. Evan Dhu seinerseits fühlte sich offenbar geschmeichelt durch die Aufmerksamkeit Waverleys, durch seine Neugier in Beziehung auf die Sitten und Gegenden des Hochlandes. Ohne viele Umstände forderte er Edward auf, ihn auf einem kurzen Weg von zehn bis fünfzehn Meilen in die Berge zu begleiten und den Ort zu besichtigen, wohin das Vieh geschafft worden sei. »Ist es so, wie ich vermuthe,« fügte er hinzu, »so habt Ihr nie in Eurem Leben einen solchen Ort gesehen, und könnt ihn nie zu sehen bekommen, wenn Ihr nicht mit mir oder einem meines Geschlechts geht.«

Unser Held fühlte seine Neugier gewaltig durch den Gedanken angeregt, die Höhle eines Hochland-Räubers zu besuchen, war aber doch so vorsichtig, sich zu erkundigen, ob er seinem Führer trauen dürfe. Er erhielt die Versicherung, daß bei der Einladung nicht die geringste Gefahr sei, und daß alles, was er zu fürchten habe, in einigen Mühseligkeiten bestehe, und als Evan ihm den Vorschlag machte, auf der Rückkehr einen Tag in dem Hause seines Häuptlings zuzubringen, wo er des besten Willkommens gewiß sein durfte, schien in dem Unternehmen nichts Furchtbares zu liegen. Rosa wurde blaß, als sie davon hörte, ihr Vater aber, welchem die muthige Neugier seines jungen Freundes gefiel, versuchte es nicht, sie zu dämpfen. Nachdem ein Reisesack mit verschiedenen Bedürfnissen einem Boten über die Schulter gehängt worden war, machte sich unser Held mit einem Jagdgewehr auf den Weg, begleitet von seinem Freunde Evan Dhu, dem Boten und zwei wilden Hochländern, den Begleitern Evans, von denen einer auf der Schulter ein Beil, eine sogenannte Lochaberaxt, und der andere eine lange Entenflinte trug. Auf Edwards Frage versicherte Evan, daß diese kriegerische Begleitung keineswegs als Schutzwache nöthig sei, sondern nur – und dabei warf er seinen Plaid mit einem Ausdrucke der Würde über – damit er anständig in Tully-Beolan hätte erscheinen können, und wie es dem Milchbruder Bich Ian Vohrs gezieme. »Ha!« rief er, »Saxon Duinhé-wassel (englischer Edelmann), Ihr solltet nur den Häuptling mit seinem Schweife sehen!«

»Mit seinem Schweife?« wiederholte Edward staunend.

»Ja, d.h. mit seinem gewöhnlichen Gefolge, wenn er die besucht, die mit ihm gleichen Ranges sind; da sind,« fuhr er fort, indem er stehen blieb und sich stolz emporrichtete, während er an den Fingern die verschiedenen Amtleute in dem Gefolge seines Häuptlings herzählte, »da ist der Mann seiner rechten Hand (Rechtsgelehrter); sein Barde oder Dichter; sein Redner, um die Großen, die er besucht, anzureden; sein Waffenträger, um sein Schwert, seine Tartsche und seine Büchse zu tragen; dann einer, der ihn durch Sümpfe und Bäche auf dem Rücken trägt; einer, der sein Pferd auf steilen und gefährlichen Pfaden am Zügel nimmt; einer, der seinen Brodsack schleppt; dann der Pfeifer mit seiner Bande, und überdies noch ein Dutzend junger Bursche, die kein bestimmtes Geschäft haben, die aber dem Laird als Schildknappen folgen, um jeden seiner Befehle zu vollziehen.«

»Und unterhält Euer Häuptling alle diese Leute regelmäßig?« fragte Waverley. »Alle,« erwiderte Evan, »ja diese und noch manches andere Haupt, welches ohne die große Scheuer in Glennaquoich nicht wüßte, wo es sich niederlegen sollte.«

Mit ähnlichen Schilderungen von der Größe des Häuptlings im Kriege und Frieden verkürzte Evan Dhu den Weg, bis sie den gewaltigen Bergen näher kamen, die Edward bisher nur in der Ferne gesehen hatte. Gegen Abend betraten sie eine der großartigen Schluchten, welche das Hochland mit dem Niederlande in Verbindung setzen; der Pfad, der außerordentlich steil und rauh war, wand sich in der Schlucht zwischen zwei kolossalen Felsen empor und verfolgte dieselbe Richtung mit einem schäumenden Strome, der weit unter ihm brauste, und der sich im Laufe der Jahre sein Bett gewühlt zu haben schien. Einige Strahlen der eben untergehenden Sonne fielen auf das Wasser in seinem dunkeln Bette, das gehemmt war durch tausend Felsstücke, gebrochen durch tausend Wasserfälle. Der Weg von dem Pfade zum Strome war außerordentlich abschüssig, nur hier und dort sprang ein Granitblock oder ein verkrüppelter Baum, der seine Wurzeln in die Risse des Felsen geschlagen hatte, hervor. Rechts stieg der Berg über dem Pfade fast ebenso unzugänglich empor, doch der dem Flusse gegenüberliegende Hügel war mit Unterholz bedeckt, aus dem einige Fichten hervorragten.

»Dies,« sagte Evan, »ist der Paß von Bally-Brough, den vor alten Zeiten zehn Mann aus dem Clan Donnochie gegen hundert Niederlandsbengel vertheidigten. Die Gräber der Gefallenen sind noch dort in der kleinen Schlucht zu sehen, und wenn Eure Augen gut sind, könnt Ihr die grauen Hügel zwischen dem Haidekraut unterscheiden. – Sehet, da ist ein Aar, den ihr Südländer Adler nennt; Ihr habt keine solchen Vögel in England. Der will sich seine Abendmahlzeit von der Weide des Laird von Bradwardine holen, aber ich werde ihm eine Pille nachsenden.«

Er feuerte sein Gewehr ab, aber er fehlte den stolzen Herrscher der gefiederten Stämme, welcher, ohne den Angriff zu beachten, seinen majestätischen Flug südwärts fortsetzte. Tausend Raubvögel, Falken, Geier, Raben, Habichte, aus den Zufluchtsstätten, die sie eben für die Nacht ausgesucht hatten, aufgeschreckt, erhoben sich in die Lüfte und vermischten ihr heiseres mißtönendes Gekrächze mit dem darauf antwortenden Echo und mit dem Gebrüll der Bergwasserfälle. Evan, den es etwas verdroß, sein Ziel verfehlt zu haben, wo er besondere Geschicklichkeit zu zeigen gedachte, pfiff ein Stück aus einem alten Kriegsgesange, während er sein Gewehr wieder lud, und verfolgte dann schweigend seinen Weg. Der Paß lief in ein enges zwischen zwei hohen mit Haidekraut bewachsenen Hügeln sich hinstreckendes Thal aus. Der Bach war fortwährend ihr Begleiter, obwohl sie ihn dann und wann überschreiten mußten. Bei solchen Gelegenheiten bot Evan Dhu stets den Beistand seiner Begleiter an, um Edward über das Wasser zu tragen, unser Held aber, der von jeher ein leidlicher Fußgänger gewesen war, lehnte es ab, und stieg offenbar in der guten Meinung seines Führers, da er keine Furcht zeigte, nasse Füße zu bekommen. In der That war er bemüht, so weit es ohne Ziererei anging, die Meinung zu beseitigen, welche Evan von dem weibischen Wesen der Tieflandleute und besonders der Engländer zu haben schien. Durch die Schlucht dieses Thales gelangten sie zu einem schwarzen Sumpfe von gewaltiger Ausdehnung und voller Untiefen; nur mit großer Schwierigkeit kamen sie über ihn hinweg, auf Pfaden, die nur ein Hochländer verfolgen konnte. Der Weg selbst, oder vielmehr der Theil eines festeren Grundes, auf welchem die Reisenden halb gingen, halb wateten, war rauh, uneben und an vielen Stellen unsicher, so daß sie manchmal von einem Büschel zum andern springen mußten, weil der Raum dazwischen das Gewicht eines Menschen nicht zu tragen vermochte. Dies war etwas Leichtes für die Hochländer, welche Holzschuhe mit dünnen Sohlen trugen, die zu diesem Zwecke gearbeitet waren, und die sich mit einem eigenthümlich springenden Schritte vorwärts bewegten, Edward jedoch fand die ungewöhnte Anstrengung ermüdender, als er erwartet hatte. Das Zwielicht leuchtete ihnen noch über den Sumpf, verließ sie aber fast gänzlich am Fuße eines steilen steinigen Hügels, den zu ersteigen die nächste anstrengende Aufgabe der Reise war. Die Nacht war freundlich und nicht finster. Waverley, der all seine moralische Kraft gegen die Ermüdung zu Hilfe rief, verfolgte muthig seinen Weg, obgleich er im Herzen seine Hochlandbegleiter beneidete, die ohne irgend ein Zeichen verminderter Kraft ihren leicht beschwingten Schritt oder vielmehr Trab fortsetzten, in welchem sie nach seiner Schätzung bereits fünfzehn Meilen zurückgelegt hatten.

Nachdem sie diesen Berg überwunden hatten und auf der andern Seite gegen ein dichtes Gehölz hinabstiegen, hielt Evan Dhu eine Berathung mit seinen Begleitern. Das Resultat war, daß Edwards Gepäck von den Schultern des Boten auf die eines Hochländers wanderte, und der erstere mit dem zweiten Hochländer in anderer Richtung fortgeschickt wurde. Als Waverley nach der Ursache dieser Trennung fragte, erhielt er die Antwort, der Tieflandmann müßte für diese Nacht nach einem drei Meilen entfernten Dorfe marschiren; denn Donald Bean Lean, der würdige Mann, in dessen Besitz das Vieh muthmaßlich sei, sähe es ungern, wenn andere als ganz nahe Freunde seinen Aufenthaltsort besuchten. Evan fügte unmittelbar daraus hinzu, es würde auch besser sein, wenn er vorausginge, um Donald Bean Lean ihr Kommen anzuzeigen, denn die Erscheinung eines rothen Soldaten möchte sonst eine unangenehme Ueberraschung sein.

Und ohne eine Antwort abzuwarten, schritt er so schnell voran, daß er dem Blicke alsbald entschwunden war,

Waverley sah sich seinen eigenen Betrachtungen überlassen, denn sein Begleiter mit der Streitaxt sprach nur sehr wenig englisch. Sie gingen durch ein dichtes und wie es schien, endloses Gehölz von Fichten, und der Weg war bei der sie umgebenden Dunkelheit durchaus nicht zu erkennen; der Hochländer schien ihn instinktmäßig zu finden, und Edward folgte seinen Tritten so nahe als möglich. Nachdem sie einige Zeit schweigend miteinander vorwärtsgeschritten waren, konnte Waverley die Frage nicht unterdrücken, ob es noch weit bis an das Ende ihrer Reise sei.

»Die Höhle ist drei oder vier Meilen weit, aber da Duinhéwassel müde wäre, könnte Donald und würde gewiß einen Curry schicken.«

Diese Antwort gab keine Erklärung. Das versprochene Curry oder Transportmittel konnte ein Mensch, ein Pferd, ein Karren, ein Wagen sein, mehr war von dem Manne mit der Streitaxt jedoch nicht herauszubringen, er sagte nur: »Ja, ja, ein Curry.«

Nach kurzer Zeit erkannte Edward den Sinn dieses Wortes. Als sie nämlich aus dem Holze traten und sich am Ufer eines Flusses oder Sees befanden, gab sein Führer ihm zu verstehen, daß sie sich hier niedersetzen müßten, um zu warten. Der Mond, der jetzt aufzugehen begann, zeigte dunkel die Ausdehnung des Wassers, das sich vor ihnen hinzog, und die gestaltlosen unbestimmten Formen von Bergen, die es zu umgeben schienen. Die kühle und doch milde Luft der Sommernacht erfrischte Waverley nach dem schnellen und anstrengenden Marsche, und der Wohlgeruch, den die vom Nachtthau getränkten Birken aushauchten, war ungemein würzig. Er hatte jetzt Zeit, sich dem Romantischen seiner Situation hinzugeben. Da saß er an dem Ufer eines unbekannten Sees, geführt von einem wilden Eingebornen, dessen Sprache ihm unbekannt war, um der Höhle eines berüchtigten Räubers, vielleicht eines zweiten Robin Hood oder Adam o'Gordon, einen Besuch abzustatten, und zwar in tiefer Mitternacht, nach einem Wege, der von Mühseligkeiten und Gefahren umgeben gewesen war, getrennt von seinem Begleiter, verlassen von seinem Gesellschafter. – Der einzige Umstand, der zur Romantik nicht paßte, war die Veranlassung der Reise: Des Barons Rindvieh! – Diesen herabwürdigenden Anlaß ließ er deshalb im Hintergrunde seiner Gedanken.

Während er noch in diese Träume versunken war, berührte sein Gefährte ihn leise und sagte, indem er nach einer Richtung deutete, welche fast genau auf der entgegengesetzten Seite des Sees lag: »Das ist die Höhle.«

In der Richtung, nach welcher er zeigte, funkelte ein kleiner heller Punkt, der allmählich an Größe und Helligkeit zunahm, und wie ein Meteor am Saum des Horizontes zu flimmern schien. Während Edward dieses Phänomen noch betrachtete, wurden in der Ferne Ruderschläge hörbar. Der gleichmäßige Ton kam näher und näher, und endlich vernahm man in derselben Richtung ein helles Pfeifen.

Als Antwort auf dieses Signal pfiff sein Begleiter ebenfalls hell und gellend, und ein mit vier oder fünf Hochländern bemanntes Boot lief in die kleine Bucht ein, in deren Nähe Edward saß. Er ging den Leuten mit seinem Begleiter entgegen, wurde durch zwei kräftige Hochländer mit vieler Aufmerksamkeit in das Fahrzeug gehoben, und hatte sich kaum gesetzt, als die Leute wieder zu den Rudern griffen und mit großer Schnelligkeit den See zu kreuzen anfingen.


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