Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

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Kapitel XLIX.

Etwas Unwichtiges

Ich bin,« sagte Fergus zu Edward, indem sie von Preston nach Pinkie-Haus galoppirten, »auf Befehl des Prinzen zurückgekehrt. Wie ich vermuthe, kennst Du die Wichtigkeit dieses edlen Obersten Talbot. Er gilt für einen der besten Offiziere unter den Rothröcken, für einen besondern Freund und Günstling des Kurfürsten und jenes fürchterlichen Helden, des Herzogs von Cumberland, der von seinen Triumphen in Fontenoy zurückberufen wurde, um uns arme Hochländer lebendig zu fressen. Hat er Dir erzählt, was die Glocke in St. James läutet?«

»Fergus!« fügte Waverley mit einem vorwurfsvollen Blicke.

»Nein, ich weiß nicht, was ich aus Dir machen soll,« antwortete der Häuptling von Mac-Ivor. »Wir haben einen Sieg errungen, der seines Gleichen in der Geschichte nicht hat; Dein Benehmen wird durch jeden lebendigen Sterblichen bis zu den Wolken gehoben, der Prinz ist begierig, Dir in Person zu danken, alle Schönen der weißen Rose möchten Dich begrüßen, und Du, der preux chevalier des Tages, hängst auf dem Halse Deines Pferdes wie ein Butterweib, das zum Markte reitet, und siehst so finster aus wie ein Leichenzug.«

»Mir thut der Tod des armen Obersten Gardiner weh, er war einst sehr gütig gegen mich.«

»Nun, so sei fünf Minuten darüber betrübt und dann wieder heiter, was ihm heute widerfuhr, steht uns vielleicht morgen bevor. Und was hat es denn weiter zu bedeuten? Das beste nach dem Siege ist ein ehrenvoller Tod, aber das bleibt doch nur ein pisaller, das man lieber dem Feinde gönnt, als sich selbst.«

»Aber Oberst Talbot hat mir gesagt, daß mein Vater und mein Oheim von der Regierung meinetwegen verhaftet wurden.«

»Nun, so wollen wir Bürgschaften stellen, mein Junge, der alte Andreas FerarraFast alle Schwertklingen in Schottland trugen den Namen Ferarras, der wegen seiner Waffen berühmt war soll Sicherheit stellen, und ich wünschte wohl zu sehen, wie er die Rechtfertigung in Westminster-Hall ausführt.«

»Nein, sie sind schon auf eine friedlichere Bürgschaft in Freiheit gesetzt.«

»Nun, weshalb ist dann Dein edler Geist niedergeschlagen, Edward? Glaubst Du, daß des Kurfürsten Minister solche Tauben sind, um ihre Feinde in einem so kritischen Augenblicke, wie der gegenwärtige ist, in Freiheit zu setzen, wenn sie sie bestrafen könnten oder es zu thun wagten? Sei versichert, daß gegen Deine Verwandten keine Anklage besteht, welche ihre längere Haft rechtfertigte, oder man fürchtet unsere Freunde. – Jedenfalls hast Du in dieser Beziehung nichts zu besorgen, und wir werden Mittel finden, ihnen die Nachricht von Deiner Sicherheit zukommen zu lassen.«

Edward wurde durch diese Gründe zwar zum Schweigen gebracht, doch nicht beruhigt. Mehr als einmal schon hatte ihn die geringe Theilnahme verletzt, welche Fergus für die Gefühle derer zeigte, die er liebte, wenn sie nicht zu seiner eigenen augenblicklichen Stimmung paßten, besonders aber, wenn sie vielleicht einen von ihm gehegten Lieblingsplan kreuzten. Fergus bemerkte in der That zuweilen, daß er Waverley verletzt hatte, aber stets mit der Verfolgung irgend eines eigenen Planes beschäftigt, achtete er nie hinlänglich auf die Größe oder Dauer eines solchen Mißvergnügens, so daß die Wiederholung dieser kleinen Verletzungen die unbegrenzte Anhänglichkeit des Freiwilligen an seinen Offizier etwas abkühlte.

Der Chevalier empfing Waverley mit der gewöhnlichen Aufmerksamkeit und sagte ihm manche Artigkeit über seine ausgezeichnete Tapferkeit. Er nahm ihn darauf bei Seite, richtete mehrere Fragen über den Obersten Talbot an ihn, und als er die Mittheilungen empfangen hatte, die Edward über ihn und seine Verbindungen zu geben vermochte, fuhr er fort: »Ich glaube, Herr Waverley, da dieser Herr mit unserm würdigen Freunde, Sir Everard Waverley, so eng befreundet ist, und da seine Gemahlin aus dem Hause der Blandeville stammt, dessen Anhänglichkeit an die wahren Grundsätze der Kirche von England so allgemein bekannt ist, werden des Obersten persönliche Gefühle uns nicht abgeneigt sein, welche Maske er auch vorgenommen haben mag, sich den Zeiten anzupassen.«

»Nach der Sprache zu urtheilen, die er heute gegen mich führte, sehe ich mich gezwungen, von Ew. königlichen Hoheit Meinung abzuweichen.«

»Nun, es lohnt doch wenigstens die Mühe eines Versuchs. Ich übertrage Ihnen daher die Aufsicht über den Obersten Talbot, mit der Vollmacht, gegen ihn zu verfahren, wie Sie es für zweckmäßig erachten, und hoffe, daß Sie Mittel finden werden, seine wahren Ansichten über die Wiedereinsetzung unseres königlichen Vaters zu ergründen.«

»Ich bin überzeugt,« sagte Waverley, sich verbeugend, »daß, wenn der Oberst Talbot sein Ehrenwort gibt, demselben unbedingt zu vertrauen ist, lehnt er es aber ab, dann bitte ich Ew. königl. Hoheit, einem andern als dem Neffen seines Freundes die Pflicht seiner strengen Bewachung zu übertragen.«

»Ich will ihn keinem andern als Ihnen anvertrauen,« sagte der Prinz lächelnd, doch seinen Auftrag gebieterisch wiederholend, »es ist für meinen Dienst von Wichtigkeit, daß ein gutes Einverständniß zwischen ihnen zu bestehen scheint, selbst wenn es Ihnen nicht möglich sein sollte, sein Vertrauen im Ernst zu gewinnen. Sie werden ihn deshalb in Ihr Quartier nehmen und für den Fall, daß er sich weigert, sein Wort zu geben, eine geeignete Wache beanspruchen. Ich bitte Sie, augenblicklich die Sache in die Hand zu nehmen. Wir kehren morgen nach Edinburg zurück.«

Indem Waverley so nach Preston zurückgeschickt wurde, verlor er den feierlichen Anblick der Lehnsleistung des Barons von Bradwardine. Er war aber jetzt so wenig zu eitlen Dingen gestimmt, daß er die Ceremonie beinahe ganz vergessen hatte, für welche Fergus seine Neugier zu wecken bemüht gewesen war. Am nächsten Tage wurde jedoch eine förmliche Zeitung in Umlauf gesetzt, welche einen genauen Bericht über die Schlacht bei Gladsmuir enthielt, wie die Hochländer ihren Sieg nannten, den eine Schilderung des Hofes, den der Chevalier später in Pinkie-Haus hielt, beschloß; einer der hochtrabenden Paragraphen dieser Schilderung lautete: »Seit jenem verhängnißvollen Vertrage, welcher Schottland als eine unabhängige Nation vernichtete, sind wir nicht so glücklich gewesen, unsere Prinzen jene Handlungen der Lehnshuldigung empfangen und dieselben von unserm Adel ausüben zu sehen, welche, auf die glänzenden Thaten schottischer Tapferkeit gegründet, die frühere Geschichte unseres Landes zurückrufen, und die männliche und ritterliche Einfachheit, welche mit der Krone die Huldigung der Krieger verknüpfte, durch die sie wiederholentlich geschützt und vertheidigt wurde. Am Abend des 20. aber wurde unser Gedächtniß durch eine jener Ceremonien aufgefrischt, welche den alten Tagen schottischen Ruhms angehören. Als der Kreis sich gebildet hatte, trat Cosmo Comyne Bradwardine von Bradwardine, Oberst in der Armee etc. etc., vor den Prinzen, begleitet von Mr. Macwheeble, dem Amtmann seiner alten Baronie, der, wie wir erfahren, kürzlich zum Kriegskommissär ernannt worden ist, und suchte in aller Form um die Erlaubniß nach, an der Person Sr königl. Hoheit, als Stellvertreter Ihres Vaters, den Dienst verrichten zu dürfen, für welchen durch einen Brief von Robert Bruce, der im Original vorgezeigt und von dem Kanzler Sr. königl. Hoheit beglaubigt wurde, der Bittsteller die Baronie Bradwardine und die Besitzungen von Tully-Veolan zu Lehn trägt. Als die Bitte genehmigt wurde, legte Se. Hoheit den Fuß auf ein Kissen, der Baron von Bradwardine ließ sich auf das rechte Knie nieder und schnürte ihm die Riemen der Hochlandschuhe auf, welche unser tapferer junger Held seinen braven Anhängern zu Ehren trägt. Als dies geschehen war, erklärte Se. königl. Hoheit die Ceremonie für beendigt, dann umarmte sie den tapfern Veteranen und versicherte, daß nichts als die Ehrfurcht vor einer Bestimmung Robert Bruces sie hätte bewegen können, auch nur symbolisch einen gemeinen Dienst von Händen anzunehmen, die so tapfer fochten, um die Krone auf das Haupt ihres Vaters zu setzen. Der Baron von Bradwardine ließ hierauf durch den Kriegskommissär Macwheeble ein Instrument zur Bestätigung aufsetzen, daß alle Punkte und Umstände in der Lehnsleistung rite et solenniter acta et peracta wären, und ein ähnliches Protokoll wurde auch durch den Lordkanzler in dem Reichsarchive niedergelegt. Wir erfahren, daß es die Absicht Sr. königl. Hoheit ist, sobald die Zustimmung Sr. Majestät des Königs erfolgt, den Obersten Bradwardine unter dem Titel eines Viscount Bradwardine von Bradwardine und Tully-Veolan zum Pair zu erheben, und daß inzwischen Se. königl. Hoheit in ihres Vaters Namen und Machtvollkommenheit das Wappen der Familie auf ehrenvolle Weise vermehrt haben, nämlich durch einen Stiefelknecht, mit einem bloßen Schwerte gekreuzt, und darunter als Motto die Worte: »Zieh, und zieh aus!«

Das alles würde in Waverleys Ohren ganz leidlich geklungen haben, und ohne einen lächerlichen Gedanken zu erwecken, wenn er sich nicht der spöttischen Bemerkungen seines Freundes Fergus erinnert hätte.

Als er nach Preston zurückkehrte, fand er Oberst Talbot ruhiger. Die böse Stimmung hatte sich gelegt, welche das Zusammentreffen unangenehmer Ereignisse in ihm hervorgerufen. Er hatte sein gewöhnliches Wesen wieder angenommen, welches das eines englischen Edelmannes und Offiziers war, offen, edel und männlich, doch dabei empfänglich für ein gewisses Vorurtheil gegen andere Länder oder Menschen von andern politischen Grundsätzen. Als Waverley den Obersten Talbot damit bekannt machte, daß der Chevalier ihn seiner besondern Aufsicht übergeben hätte, antwortete er: »Ich glaubte nicht, dem jungen Prinzen so sehr verpflichtet zu werden, wie es durch diese Bestimmung geschieht. Ich kann wenigstens in den Wunsch des ehrlichen presbyterianischen Geistlichen einstimmen: da er zu uns gekommen, um eine irdische Krone zu gewinnen, möge ihm bald eine himmlische zum Lohne werden. Ich gebe bereitwillig mein Ehrenwort, ohne Ihr Wissen keinen Versuch zur Flucht zu machen, denn ich kam in der That nur Ihretwegen nach Schottland und fühle mich selbst unter diesen Umständen glücklich, daß ich Sie traf. Aber ich vermuthe, daß wir nur kurze Zeit beisammen bleiben werden. Ihr Chevalier, ein Name, den wir ihm beide geben können, wird mit seinen Plaids und Blaumützen, wie ich vermuthe, seinen Kreuzzug gegen Süden fortsetzen?«

»Nicht, so viel ich höre, ich glaube, die Armee wird einige Zeit in Edinburg bleiben, um Verstärkungen an sich zu ziehen.«

»Und das Schloß zu belagern?« fragte Oberst Talbot mit spöttischem Lächeln. »Nun, wenn mein alter Kommandeur, der General Preston, nicht in sein Gegentheil umschlägt, oder das Schloß in den See versinkt, Ereignisse, die ich für gleich wahrscheinlich halte, so werden wir einige Zeit haben, unsere Bekanntschaft zu befestigen. Ich vermuthe, daß der tapfere Chevalier wünscht, ich möchte Ihr Proselyt werden, und da ich wünsche, Sie zu dem meinigen zu machen, kann mir nichts willkommener sein als die Gelegenheit zu freier Unterhaltung. Aber da ich heute unter dem Einflusse von Gefühlen sprach, denen ich selten Raum gebe, werden Sie mich hoffentlich entschuldigen, wenn ich mich nicht eher wieder in einen Streit einlasse, als bis wir uns etwas besser kennen gelernt haben.


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